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Rede der Niedersächsischen Kultusministerin Frauke Heiligenstadt zur Aktuellen Stunde der Sitzung des Niedersächsischen Landtags am 11. November 2015: TOP 2 b

Aktuelle Stunde der FDP Fraktion mit dem Titel:

Rot-grüne Realität an Niedersachsens Schulen - Mathe? Fällt aus. Physik? Fällt aus. Musik? Fällt aus.

Es gilt das gesprochene Wort

Anrede,

ich bin froh, dass Sie mir die Gelegenheit geben, zu diesem Thema Stellung zu nehmen, denn was hier an – ich nenne es bewusst – „gefühlten“ Werten zur Unterrichtsversorgung in die Welt gesetzt wird, entspricht nicht der Realität an niedersächsischen Gymnasien!

Zunächst einmal stellt die Durchsicht der Veröffentlichungen dieses Elternvereins über die Online-Befragung zahlreiche Fragen auf, insbesondere zur Durchführung der Erhebung und zu deren Rahmenbedingungen. Ich will hier nur ein paar Fragen nennen:

  • - Wie viele Gymnasien sind befragt worden? Wie viele Schulen haben eine Rückmeldung gegeben?
  • - Welcher Stichtag wurde ausgewählt? Oder welcher Zeitraum wurde gewählt?
  • - Was ist als Unterrichtsausfall definiert worden?
  • - Nach welchen Maßstäben wurde die Unterrichtsversorgung überhaupt bestimmt?

Anrede,

die Antwort gibt der Verband in seiner Facebook-Darstellung selbst:

Es handele sich um eine – ich zitiere wörtlich – „ungenauere Hochrechnung über die Einschätzung unserer Elternvertreter“.


Anrede,

ich betone: Es handelt sich um eine „ungenauere Hochrechnung“ und eine „Einschätzung“. Und in diesem Punkt – aber auch nur in diesem Punkt – kann ich der Meinung des Verbandes der Elternräte zustimmen. Diese Zahlen sind nicht belastbar.

Anrede,

stattdessen komme ich lieber zu den Fakten. Zum generellen Ausfall der Fächer Mathematik, Physik und Musik hat mein Haus am Montag eine Stichprobe durchgeführt. Diese Nachfragen des Kultusministeriums bei Gymnasien haben ergeben, dass an den befragten Gymnasien kein Unterricht in den genannten Fächern gekürzt wurde!

Also – ich betone – kein genereller Ausfall! In keinem Schuljahrgang! In keiner Klasse!

An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass die regionalen Servicestellen der Niedersächsischen Landesschulbehörde eine „Hotline Unterrichtsversorgung“ eingerichtet haben, die allen Erziehungsberechtigten sowie den Schülerinnen und Schülern für Auskünfte zur Verfügung steht.

Und, meine sehr verehrten Damen und Herren, Sie haben in Ihrem Thema zur Aktuellen Stunde nur die Fächer Mathematik, Physik und Musik erwähnt.

Die Landesregierung und auch ich ganz persönlich halten jedes Fach im Fächerkanon für wichtig!

Daher habe ich auch nach dem Ausfall in anderen Fächern fragen lassen!

Das Ergebnis lautet: Kein Fach fällt generell aus! In keinem Schuljahrgang und in keiner Klasse!

Sehr gern hätte ich mein Haus beauftragt, konkret bei den Gymnasien, deren Schulelternräte – wohlgemerkt nicht Schulleitungen – dem Verband der Elternräte eine Einschätzung gegeben haben, nachzufragen. Insbesondere wären dann die Schulen mit einer angeblichen Unterrichtsversorgung von 90 % und weniger von uns in den Blick genommen worden, denn wir gehen mit der Niedersächsischen Landesschulbehörde jeder Meldung nach, die auch belegbar ist. Leider war dies nicht möglich, da der Verband weder die Namen noch die Ergebnisse der teilnehmenden Schulen nennen wollte.

Anrede,

aber vielleicht gibt es auch keine Schulen zu benennen. Mir liegen aus meinem Haus die vorläufigen Ergebnisse zur Unterrichtsversorgung an den Gymnasien vor.

Meine Damen und Herren, ich stelle danach fest:

Es gibt kein einziges Gymnasium mit einem Versorgungswert unter 90 %!

Sie merken schon, dass die Meinungen zur Unterrichtsversorgung doch sehr weit auseinander liegen. Dies bestätigt sich auch darin, dass gestern die Hannoversche Allgemeine Zeitung den Vorsitzenden der Niedersächsischen Direktorenvereinigung und Schulleiter des Max-Planck-Gymnasiums in Göttingen, Herrn Wolfgang Schimpf, zum Thema zitiert. Die HAZ berichtet wörtlich: „Einen Ausfall von 40 % in einzelnen Fächern, [Zitat Schimpf:] ‚davon habe ich bislang nichts gehört‘,[…].“

In der Deister-Weser-Zeitung betonen zwei Schulleiter: Bei uns gibt es keine Unterrichtskürzungen. Das Land stellt genügend Ressourcen zur Verfügung. Das Ministerium gebe sich große Mühe, eine ausreichende Versorgung sicherzustellen – auch mit Blick auf die Flüchtlinge.

Auch diese Aussagen bestätigen, dass die vom Elternverband vorgelegten Werte lediglich Einschätzungen darstellen und fern von der Realität sind!

Anrede,

wir haben die Einschätzungen des Verbandes der Elternräte an Gymnasien einmal genauer mit den vorläufigen Werten der Erhebung zur Unterrichtsversorgung zum Stichtag 15.09.2015 abgeglichen.

Kommen wir zu den Gesamtwerten: Wie gesagt, wir berechnen diese Werte noch und können Ihnen zurzeit nur Annäherungen mit einem Durchschnittswert benennen, aber eines ist jetzt schon klar:

Insgesamt wird die durchschnittliche Unterrichtsversorgung der öffentlichen Gymnasien laut Statistikerhebung im Schuljahr 2015/2016 bei rund 99,5 % liegen – und nicht bei 97,0 %, wie der Verband der Elternräte in seiner ungenauen und nicht validen Einschätzung behauptet. Folglich wird die tatsächliche durchschnittliche Unterrichtsversorgung ganze 2,5 Prozentpunkte höher und damit nur knapp unter 100 % liegen! Die Werte können auch noch leicht variieren, weil wir voraussichtlich erst Mitte Dezember mit den Arbeiten und Auswertungen fertig sein werden.

Die Qualität der Hochrechnung des Verbandes mag für eine Opposition ausreichend sein. Aus meiner Sicht ist dies jedenfalls eine sehr ungenaue Einschätzung!

Anrede,

ich stelle zur Aktuellen Stunde der FDP fest: Sie betreiben reine Panikmache auf der Grundlage völlig unzureichender Daten!

Das hat mit einer ehrlichen Sorge um die Unterrichtsversorgung an den Gymnasien nichts zu tun!

Selbst Herr Audritz, der Vorsitzende des Niedersächsischen Philologenverbandes sagte bezüglich der Einschätzung zur Unterrichtsversorgung der Elternvertreter: „[…] Das seien singuläre Eindrücke, ein Gesamtbild könnten nur die Daten des Ministeriums bieten.“

Meine Damen und Herren, dieser Satz spricht für sich!

Anrede,

Ich komme zu weiteren Ergebnissen unseres Abgleichs, auf die Sie, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, sicher gespannt warten!

Wir haben schon festgestellt: Kein öffentliches Gymnasium hat eine Unterrichtsversorgung von unter 90 %! Kein einziges Gymnasium!

Eine Unterrichtsversorgung von 100 % oder mehr haben laut „ungenauer Einschätzung“ des Verbandes nur 28 % der Gymnasien.

Laut unserer vorläufigen Auswertung der Statistikerhebung sind es allerdings rund 47 % der öffentlichen Gymnasien!

47 % der Gymnasien haben eine Unterrichtsversorgung von 100 % oder mehr! Das heißt, wir stellen hier eine Abweichung von fast 20 Prozentpunkten fest! Diese Abweichung ist sehr erheblich!

Anrede,

wie ungenau die – ich zitiere erneut – „ungenauere Hochrechnung“ des Verbandes ist, habe ich nun erläutert.

In meinem Haus wird eine sehr gründliche und seriöse Datenerhebung betrieben. Sie kennen die Erhebung zur Unterrichtsversorgung: Hier wird stichtagsbezogen eine valide Datenbasis zu jeder Schule in Niedersachsen erhoben. Da Genauigkeit bei uns Vorrang hat, prüfen wir die Erhebung sehr umfangreich und detailliert. Dies ist der Grund dafür, dass wir – wie in jedem Jahr – erst Mitte/Ende Dezember endgültige Ergebnisse zum Stichtag 15.09.2015 liefern.

Sie haben gerade gehört und gesehen, dass vorschnelle Mutmaßungen und ungenaue Erhebungsmethoden deutliche Qualitätseinbußen bedeuten!

In meinem Haus gibt es keine „Einschätzungen“! Das Kultusministerium steht dafür ein, dass Daten belastbar und verlässlich sind!

Anrede,

wir sprechen die ganze Zeit über Unterrichtsversorgungswerte und die geradezu „magischen 100 %“. Ich nutze die Gelegenheit heute auch, um mit einem Irrglauben aufzuräumen: Eine Unterrichtsversorgung von unter 100 % heißt nicht, dass Pflichtunterricht ausfallen muss!

Ich erläutere dies an einem Beispiel:

An einem durchschnittlichen Gymnasium macht der Anteil der Schülerpflichtstunden an den Lehrkräfte-Soll-Stunden gerade einmal gut 90 % aus. Fast 6 % der Lehrkräfte-Soll-Stunden sind für Zusatzbedarfe vorgesehen, der Anteil der Poolstunden beträgt noch einmal rund 4 %. Insofern sind auch bei einer rechnerischen Unterrichtsversorgung eines Gymnasiums von rund 96 % der gesamte Pflichtunterricht sowie alle Zusatzbedarfe gesichert!

Die Behauptungen, dass wir hohe Unterrichtsausfälle an den niedersächsischen Gymnasien hätten, sind eindeutig widerlegt!

Artikel-Informationen

erstellt am:
11.11.2015
zuletzt aktualisiert am:
12.11.2015

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