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Rede des Niedersächsischen Kultusministers Grant Hendrik Tonne zu TOP 33b der Landtagssitzung am 20.06.2019 zum Thema: Stellenbesetzungen, Unterrichtsversorgung, Mehrarbeit – hat Niedersachsen genügend Lehrkräfte?

Dringliche Anfrage der FDP, Drs. 18/3973




Es gilt das gesprochene Wort!


Anrede,


Ziel der Landesregierung ist selbstverständlich, eine landesweit ausgewogene und bedarfsgerechte Unterrichtsversorgung für alle öffentlichen allgemein bildenden Schulen zu erreichen. Und ich möchte ausdrücklich hinzufügen: Dies gilt selbstverständlich auch für den berufsbildenden Bereich – auch wenn dieser bei der Behandlung der heutigen Dringlichen Anfrage nicht im Fokus steht.

Die Versorgung mit Lehrkräften stellt gegenwärtig für alle Länder eine große Herausforderung dar, da es für einige Lehrämter weiterhin zu wenige grundständig ausgebildete Lehrkräfte auf dem Arbeitsmarkt gibt. Dies betrifft aktuell insbesondere die Lehrämter an Haupt- und Realschulen sowie das Lehramt für Sonderpädagogik.

Da es nicht „die eine“ Maßnahme gibt, um diesem Umstand abzuhelfen, hat die Landesregierung einen Mix an Maßnahmen getroffen, um die Lehrkräfteversorgung in Niedersachsen zu sichern und gleichzeitig die Bildungsqualität zu erhöhen. Im Schuljahr 2018/19 ist es dadurch gelungen, einen durchschnittlichen landesweiten Wert der Unterrichtsversorgung von 99,4 Prozent zu erreichen. Das ist eine deutlich positive Entwicklung, die zeigt, dass wir auf dem richtigen Weg sind; gleichwohl sind weitere Schritte erforderlich. Der nächste Schritt erfolgt zum 01.08.2019!

Der statistische Wert der Unterrichtsversorgung umfasst in den Lehrkräfte-Soll-Stunden neben den Pflichtstunden die sogenannten Poolstunden und Stunden für Zusatzbedarfe. Aktuell beträgt der Anteil der Zusatzbedarfe an den Soll-Stunden rund 19 Prozent. Hiervon entfällt ein Großteil auf die Inklusion und den Ganztag.

Trotz dieser großen, gewollten und absolut richtigen Herausforderungen ist es gelungen, die Unterrichtsversorgung der öffentlichen allgemein bildenden Schulen deutlich zu steigern. Das ist gut, stellt uns aber nicht zufrieden. Zu unterschiedlich ist die Situation noch in unserem Bundesland.

Anrede,

insbesondere im Haupt- und Realschulbereich sowie bei den Förderschulen bestehen weiterhin erhebliche Herausforderungen.

Das aktuelle große Potenzial an Lehrkräften mit gymnasialem Lehramt wurde und wird daher wiederholt genutzt, um Einstellungen insbesondere an den Gymnasien über die Abdeckung der Bedarfe hinaus zu realisieren. Die zusätzlichen Einstellungen an dieser Schulform erfolgten wieder mit der Maßgabe der Unterstützung des Sekundarbereiches I speziell an den Haupt-, Real- und Oberschulen über Abordnungen. Ziel der künftigen Einstellung bleibt jedoch, durch möglichst bedarfsgerechte Stellenbesetzungen das Ausgleichsvolumen und damit den Abordnungsbedarf zu verringern.

Um die Planung deutlich zu verbessern und auf eine solide Datenbasis zu stellen, arbeitet mein Haus an einer Lehrkräftebedarfsprognose für die Zeit bis 2030 mit dem Ziel einer kontinuierlichen Aktualisierung.

Damit liegen dann die notwendigen Daten vor, um auf abgesicherter Basis über die aufgezeigten Herausforderungen zu diskutieren und fundierte Lösungen zu erarbeiten.

Dies vorangeschickt beantworte ich die Fragen im Namen der Landesregierung wie folgt:

1. Wie viele Stellen hätten für die öffentlichen allgemeinbildenden Schulen für das Schuljahr 2019/2020 ausgeschrieben werden müssen, um eine 100-prozentige Unterrichtsversorgung zu erreichen?

Für den Einstellungstermin 01.02.2019 ist rückblickend Folgendes festzuhalten:

Es standen 1.300 Einstellungsmöglichkeiten zur Verfügung. Damit konnte rechnerisch sämtlichen ca.1.260 Absolventinnen und Ab-solventen des Vorbereitungsdienstes in Niedersachsen ein Einstellungsangebot gemacht werden. Es ist gelungen, in diesem Verfahren 1.183 Einstellungen zu realisieren, so dass die Anzahl der dauerhaft ausscheidenden Lehrkräfte während des ersten Schulhalbjahres 2018/2019 (rund 750) deutlich übertroffen wurde. Damit war eine weitere Steigerung der Unterrichtsversorgung möglich.

Auch zum Beginn des neuen Schuljahres stehen erneut mehr Einstellungsmöglichkeiten (nämlich 1.900) zur Verfügung, als Lehrkräfte dauerhaft ausscheiden werden (1.368).

Dies ist nach jetzigem Stand ausreichend, um eine ausgeglichene Unterrichtsversorgung zu erreichen.

Aus den niedersächsischen Studienseminaren war mit Bewerbungen von ca. 1.600 Absolventinnen und Absolventen zu rechnen. Tatsächlich liegen insgesamt deutlich mehr als 2.200 Bewerbungen grundständig ausgebildeter Lehrkräfte vor. Rund 30 % der Bewerberinnen und Bewerber stammen aus anderen Bundesländern oder sind sogenannte Wiederbewerbende.

2. Wie viele der ausgeschriebenen Stellen sind aktuell bereits besetzt, und wie viele Pensionäre zum Ende des Schuljahres stehen dem entgegen?

Für die Neueinstellung von Lehrkräften zum 12.08.2019 standen in der 1. Auswahlrunde zunächst 1.900 Einstellungsmöglichkeiten zur Verfügung. Nach einer aktualisierten Auswertung (Stand 17.06.2019) werden bis zum Ende des 2. Schulhalbjahres 2018/2019 (01.02. bis zum 31.07.2019) insgesamt 1.368 Lehrkräfte (Zahl in Köpfen, keine VZLE) in den Ruhestand bzw. in Rente getreten sein.

Das Bewerbungs- und Auswahlverfahren ist bereits angelaufen, so dass aktuell erfreulicherweise bereits 1.109 von inzwischen 1.934 (Stand: Donnerstag, 20. Juni) ausgeschriebenen Stellen besetzt sind. Dies entspricht einer Besetzungsquote von mehr als 57 Prozent und ist ein guter Wert. Dieser Prozentsatz wird im Laufe des Auswahlverfahrens in den nächsten Wochen weiter

ansteigen. Das Einstellungsverfahren läuft schließlich noch mehrere Wochen bis zum Beginn des neuen Schuljahres im August. Zusätzlich wird es wie in den beiden letzten Verfahren die Möglichkeit geben, flexible Einstellungen auch über den vorläufigen Abschluss des Verfahrens hinaus umzusetzen.

Nach jetzigem Stand verfügen dabei rund 99 Prozent der ausgewählten Lehrkräfte über eine grundständige Lehramtsausbildung (Stand: 19. Juni).

Wir werden in Kürze auch für das zweite Schulhalbjahr durch die Neueinstellungen die Anzahl der ausscheidenden Lehrkräfte übersteigen und damit ein positives Ergebnis erreichen.

3. Wie beabsichtigt die Landesregierung, den Bedarf an Lehrkräften zum Schuljahr 2020/2021 zu decken?

Die Landesregierung wird ausreichend Stellen ausschreiben, um den Bedarf an Lehrkräften zum Schuljahr 2020/21 decken zu können.

Davon wird ein erheblicher Anteil auf das Lehramt an Gymnasien entfallen.

Es ist davon auszugehen, dass für die Stellen mit dem gymnasialen Lehramt genügend Bewerberinnen und Bewerber zur Verfügung stehen werden.

Den Vorbereitungsdienst werden im Jahr 2020 ca.1.290 Absolventinnen und Absolventen für das gymnasiale Lehramt abschließen; einschließlich zu erwartender Bewerbungen aus anderen Bundesländern besteht für diesen Bereich eine adäquate Bewerber-Stellen-Relation. Hier hat das Land Niedersachen mit der Erhöhung der Kapazitäten an den Studienseminaren rechtzeitig vorgesorgt.

Für die Schulen des Sekundarbereichs I und teilweise die Integrierten Gesamtschulen gilt dies jedoch nicht in gleicher Weise.

Hier müssen neben den Neueinstellungen von grundständig ausgebildeten Lehrkräften weitere Maßnahmen greifen, wie z. B. die Einstellung von Quereinsteigenden und deren stärkere Unterstützung, die Imagekampagne sowie Entlastungs- und Unterstützungsmaßnahmen für Schulen und Lehrkräfte.

Es ist ferner davon auszugehen, dass eine Fortführung von Abordnungen mit dem Ziel einer ausgeglichenen Unterrichtsversorgung auch weiterhin – wenn auch in eingeschränktem Maße – notwendig sein wird.

Eine Arbeitsgruppe in meinem Haus entwickelt gegenwärtig ein Maßnahmenpaket zur Stärkung der Unterrichtsversorgung an den Schulformen des Sekundarbereichs I. Diese Maßnahmen gilt es abzustimmen mit den prognostizierten Einstellungsterminen nach dem 01.08.2020 und in ein ausgewogenes Verhältnis zu bringen.

Für Niedersachsen lässt sich die aktuelle Entwicklung Unterrichtsversorgung wie folgt zusammenfassen:

1. Das Land hat in den zurückliegenden Einstellungsverfahren (2018 u. 2019) jeweils deutlich mehr neue Lehrkräfte eingestellt als dauerhaft aus dem Dienst ausgeschieden sind und damit einen neuen Höchststand mit über 68.500 Lehrkräften an den allgemein bildenden Schulen erreicht.

2. Das Schuljahr 2020/2021 stellt besondere Herausforderungen aufgrund der Umstellung der Schulzeit an den Gymnasien und an den nach Schulzweigen gegliederten Kooperativen Gesamtschulen von „G8“ auf „G9“. Da im Frühjahr 2020 an diesen Schulen Abiturprüfungen in der Regel nicht stattfinden, kommt es zum Schuljahr 2020/2021 zu einem sprunghaften Anstieg der Schülerzahl und damit zu einem „Einstellungspeak“, auf den wir aber vorbereitet sind.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.


Kultusminister Grant Hendrik Tonne   Bildrechte: MK

Kultusminister Grant Hendrik Tonne

Artikel-Informationen

erstellt am:
20.06.2019

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