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Rede des Niedersächsischen Kultusministers Grant Hendrik Tonne zu TOP 18 b der Landtagssitzung am 29.06.2022

Fragestunde – Anfrage der Fraktion der FDP: Rettung in letzter Stunde – schafft die Landesregierung die Wende bei der Unterrichtsversorgung? - Drs. 18/11400



Es gilt das gesprochene Wort!

Anrede,

wie Sie wissen, haben die allgemeine Lage auf dem Lehrkräftearbeitsmarkt und die Corona-Pandemie bundesweit das System Schule arg strapaziert und unter Druck gesetzt.

Gleichwohl haben wir es geschafft, in Niedersachsen seit Beginn der Legislatur 3.000 Lehrkräfte mehr im Schulsystem einzustellen, und verzeichnen damit einen Höchststand von insgesamt 83.000 Lehrerinnen und Lehrern im Land. Das ist ein Erfolg und dennoch ist die „Decke noch kurz“.

Im kommenden Schuljahr erwarten wir derzeit rund 32.000 Schülerinnen und Schüler mehr an den Schulen, als ursprünglich geplant. Die Auswirkungen des Krieges gegen die Ukraine, verschobene Einschulungen – vermutlich aufgrund der Corona-Pandemie – sowie steigende Geburtenzahlen sind die Ursachen hierfür.

Damit werden wir beinahe doppelt so viele zusätzliche Schülerinnen und Schüler im System haben, wie durch den zusätzlichen Schuljahrgang bei der Umstellung von G8 auf G9. Die Dimension der Aufgabe wird durch diesen Vergleich sicher deutlich.

Anrede,

im Ergebnis sind die Rahmenbedingungen für das kommende Schuljahr 2022/2023 fundamental anders als die Rahmenbedingungen vor einem halben Jahr, vor einem Jahr und insbesondere anders als bei der Schulzeitumstellung 2020/2021.

Wir stehen damit am Anfang eines Umbruchs: Die aktuellen Herausforderungen werden sich nicht mit den alten Rezepten lösen lassen.

Mehr Schülerinnen und Schüler, unterschiedlichere Schülerinnen und Schüler, Umsetzung der Inklusion, höhere inhaltliche Ansprüche an Schule und längere Beschulungszeiten – dies alles sind veränderte Rahmenbedingungen, denen wir in größerem Umfang gerecht werden müssen und auch gerecht werden.

Das etablierte System von Ausbildung und Qualifizierung ist auch mit Blick auf diese Herausforderungen weiterzuentwickeln und zu flexibilisieren.

Der strukturelle Mangel an Lehrkräften wird sich nicht von selbst demografisch erledigen. In allen Wirtschaftsbereichen und Branchen, dem öffentlichen Dienst wie privaten Unternehmen, wird das Ringen um die besten Köpfe weiter an Intensität gewinnen. Der „Nationale Bildungsbericht“ hat diese Analyse in der vergangenen Woche noch einmal deutlich bestätigt.

Anfang der Woche habe ich daher ein umfassendes Lehrkräfte-Gewinnungspaket vorgestellt.

Wir erweitern mit dem Paket den Pool derjenigen, die in den Schuldienst eingestellt werden können deutlich und stärken damit auch die multiprofessionelle Zusammenarbeit an Schule. Wir geben 730 zusätzliche Stellen ins System, die im Rahmen dieses Einstellungsverfahrens besetzt werden können. 150 Stellen davon gehen an die Grundschulen. Damit sind wir vollumfänglich handlungsfähig. Mit einem einmaligen befristeten Prämiensystem erhöhen wir die Motivation der Bewerberinnen und Bewerber, noch freie Stellen in der 2. Einstellungsrunde anzunehmen.

Der Pool an potenziellen Quereinsteigerinnen und Quereinsteigern wird deutlich erweitert, die Verfahren werden beschleunigt und formelle Hürden weiter abgebaut. Hinzu kommen Veränderungen bei der Ausbildung und im Vorbereitungsdienst, die, das erlaube ich mir an dieser Stelle zu sagen, weitreichend sind.

Anrede,

lassen Sie mich noch eines betonen: Die Erteilung der Stundentafel im kommenden Schuljahr ist landesweit gesichert. Zur Abdeckung des Grundbedarfs (Pflichtunterricht und Poolstunden) sind rund 1,1 Millionen Lehrkräftestunden notwendig – stand heute haben wir bereits 1,3 Millionen Stunden im Schulsystem!

Wir konzentrieren uns darauf, die sog. Lehrkräfte-Ist-Stunden primär für den Unterricht zu gewinnen.

Wir schauen uns aber auch das Soll an, um zu überprüfen, ob und in welchem Umfang wir hier den Fokus noch stärker auf die Erteilung des Pflichtunterrichtsunterrichts legen können.

Darüber hinaus prüfen wir Angebote an unsere Lehrkräfte, um sie zu motivieren, mehr Unterrichtsstunden zu leisten.

Dies vorangestellt beantworte ich die Fragen im Namen der Landesregierung wie folgt:

1. Eine Unterrichtsversorgung von wie viel Prozent erwartet die Landesregierung zum Schuljahresbeginn 2022/23, und welche Faktoren berücksichtigt die Landesregierung bei dieser Prognose?

Anrede,

jede Zahl, die ich Ihnen zum jetzigen Zeitpunkt nennen würde, wäre schlicht unseriös.

Nicht zuletzt auf Grundlage der Maßnahmen aus dem Lehrkräfte-Gewinnungspaket, die ich Ihnen eben noch einmal in aller Kürze dargestellt habe und die bereits in der Umsetzung sind, wird es gelingen, die Versorgung der Schulen weiter zu verbessern, so dass wir einen Wert über dem Vorjahreswert erreichen werden.

Berücksichtigt werden dabei in den Planungen und Prognosen die folgenden Punkte:

• Aufnahme von rd. 32.000 zusätzlichen Kindern und Jugendlichen – darunter rd. 15.000 geflüchtete Kinder und Jugendliche aus der Ukraine

• seit 2014 fortgesetzt steigende Geburtenzahlen, die zu einem Anstieg bei den Neueinschulungen führen

• in diesem Jahr eine hohe Anzahl von sogenannten Flexi-Kindern, deren Einschulung 2021 von den Eltern zurückgestellt wurde

• eine sich abzeichnende niedrigere Zahl von Flexi-Kindern 2022

• steigende Bedarfe für den Ausbau von Ganztag und Inklusion

• weiterhin eine hohe Anzahl von Lehrkräften, die im Rahmen von Familienphasen ganz oder teilweise den Schulen nicht zur Verfügung stehen.

2. In welcher Höhe erwartet die Landes­regierung einen Lehrerstunden­mehrbedarfzum Schuljahresbeginn 2022/23 im Vergleich zum aktuellen Schuljahr?

Bei einem aktuellen Prognosestand, der von einer zusätzlichen Anzahl von rd. 850 Schulklassen – bzw. von rd. 32.000 Schülerinnen und Schülern mehr – ausgeht, ergibt sich ein Soll-Stunden-Mehrbedarf von rd. 32.000 Stunden.

3. Wie viele Stellen bzw. Lehrerwochenstunden wurden durch die von Minister Tonne angekündigten kurz-, mittel- und langfristige Maßnahmen wie die Locke­rungen beim Quereinstieg, Reformen in der Lehrkräfteausbildung und generell attraktivere Rahmenbedingungen aus dem Anfang des Monats verkündeten „Lehrkräfte-Gewinnungspaket“ bereits besetzt bzw. gewonnen, und welche Entwicklungen erwartet die Landesre­gierung durch diese Maßnahmen bis zum Schuljahresbeginn 2022/23?

Insgesamt stehen, wie oben dargestellt, für die Sicherung der Unterrichtsversorgung und die Umsetzung der Maßnahmen rd. 730 Stellen zusätzlich zur Verfügung. 150 Stellen werden, wie ebenfalls bereits ausgeführt, zielgerichtet für die Grundschulen bereitgestellt. Die Maßnahmen des Lehrkräfte-Gewinnungspakets werden bereits umgesetzt mit dem Ziel, eine größtmögliche Anzahl der Stellen erfolgreich besetzen zu können.

Die Stellen werden vielseitig eingesetzt und sind gegenseitig deckungsfähig. Es können damit also beispielsweise zusätzlich Quereinsteigende, Praxislehrkräfte, Studierende und Pensionärinnen und Pensionäre beschäftigt werden. Darüber hinaus können auch kurzfristige Teilzeiterhöhungen oder zusätzliche Unterrichtsstunden durch Lehrkräfte im Vorbereitungsdienst finanziert werden.

Mit der Umsetzung dieser Maßnahmen wird es uns gelingen, die Versorgung in den Schulen im Vergleich zum Vorjahr zu verbessern.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit!

Kultusminister Grant Hendrik Tonne   Bildrechte: MK

Kultusminister Grant Hendrik Tonne

Artikel-Informationen

erstellt am:
29.06.2022

Ansprechpartner/in:
Sebastian Schumacher

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