Nds. Kultusministerium Niedersachsen klar Logo

Rede der Niedersächsischen Kultusministerin Frauke Heiligenstadt zu TOP 4 a der Sondersitzung des Niedersächsischen Landtags am 04. Mai 2016

Dringliche Anfrage der Fraktion der CDU „Unterrichtsversorgung: Reichen die angekündigten Lehrereinstellungen aus?

(Drs. 17/5664)

Es gilt das gesprochene Wort!

Anrede,

es ist das Ziel der Landesregierung, die Versorgung unserer Schulen mit Lehrkräften landesweit nachhaltig zu sichern und gleichzeitig die Bildungsqualität zu erhöhen.

Dies war unser Ziel in der Vergangenheit und ich bekräftige dieses Ziel auch heute.

Unser Land steht allerdings derzeit mit Blick auf die Beschulung der Flüchtlingskinder und der jugendlichen Flüchtlinge vor großen Herausforderungen. Aufgrund der hohen Anzahl an neu zugewanderten Kindern sind flexible Maßnahmen und Handlungsspielräume auf allen Ebenen der Schulverwaltung gefordert, um die besonderen Herausforderungen bewältigen zu können. Diese Flexibilität ist auch im Einstellungserlass zum Einstellungstermin 01.08.2016 sowie bereits im Einstellungserlass zum Einstellungstermin 01.02.2016 abgebildet.

Die Erlassvorgaben sind dahingehend angepasst worden, dass die Fokussierung auf einer ausgeglichenen und bedarfsgerechten Versorgung der Schulen liegt, ohne einen starren Unterrichtsversorgungswert vorzugeben.

Unbeschadet dessen ist mein Ziel selbstverständlich weiterhin, eine möglichst hohe Unterrichtsversorgung von rund 100 % im landesweiten Durchschnitt hinweg zu erreichen.

Ob dies gelingen wird, hängt nicht zuletzt von der weiterhin unsicheren Entwicklung bei den Flüchtlingskindern und jugendlichen Flüchtlingen und von der Bewerbersituation bei den Lehrkräften zu den Einstellungsterminen ab.

Anrede,

bezüglich der Flüchtlingsentwicklung haben wir es mit einer Herausforderung zu tun, die in ihrer Tragweite niemand hat kommen sehen. Das gilt für Europa, für Deutschland, für Niedersachsen - eine Herausforderung, die im Übrigen auch keine andere Kultusministerin und kein anderer Kultusminister zu schultern hatte.

Unsere aktuell im Rahmen der Web-Abfrage von den Schulen gemeldeten Zahlen unterstreichen die besondere Herausforderung für uns: Die erfolgreiche Integration der zu uns gekommenen und auch weiterhin zu uns kommenden Kinder und Jugendlichen ist eine Aufgabe von historischer Dimension.

Das Land hat sehr umfangreiche, kreative und flexible Maßnahmen erlassen, damit die Sprachförderung und die Integration in Schule und über Schule gelingen können. Dabei investieren wir ebenfalls viele zusätzliche Mittel. Wir setzten alle Hebel in Bewegung, um die Herausforderung zu stemmen.

Wir haben gute Rahmenbedingungen geschaffen, damit die Schulen dieser Herausforderung gewachsen sind – und die Schulen haben Herausragendes geleistet:

Für die vielen Flüchtlingskinder ist das Ankommen und Aufgenommen werden in den Schulen auch ein Ankommen in Sicherheit nach Flucht und Vertreibung.

Es ist ein Zurück zu oder auch erstmaliges Erleben von fester Struktur und Tagesablauf.

Es ist die große Chance, die deutsche Sprache zu erlernen und Freunde zu finden. Im Kern ist diese Leistung unserer Schulen ein Akt der Menschlichkeit und der gelebten Willkommenskultur. Darauf können wir alle auch ein stückweit stolz sein!

Und natürlich: In einer Situation, in der sich unser System streckt, um 30.000 zusätzliche Schülerinnen und Schüler beim Ankommen in unserem Land zu unterstützen, kann nicht alles perfekt funktionieren.

Ich habe immer gesagt, dass wir auf Sicht fahren müssen und nicht alles in gewohnten Bahnen verlaufen wird.

In dieser Situation geht es nicht darum, lediglich eine blanke statistische Zahl in den Mittelpunkt zu stellen.

Wichtiger ist, gemeinsam an einem Strang zu ziehen, damit auch in Zukunft die Schulen so gute Rahmenbedingungen haben wie derzeit: Damit der Unterricht nach Stundentafel erteilt und jedes Kind angemessen gefördert werden kann.

Das ist verantwortungsvolle und weitsichtige Politik!

Das ist die Politik dieser Landesregierung und deswegen sind die Schulen und die Schülerinnen und Schüler bei uns auch in guten Händen!

Anrede,

das Ziel einer möglichst hohen Unterrichtsversorgung, die den Pflichtunterricht in jedem Fall gewährleistet, strebe ich auch weiterhin an.

Dies unterstreicht die hohe Priorität, die Bildung für diese Landesregierung hat. Die Landesregierung ist selbstverständlich bestrebt, so viele Lehrkräfte wie möglich zum Einstellungstermin 01.08.2016 für den niedersächsischen Schuldienst zu gewinnen.

Anrede,

alle Kinder und Jugendliche, die neu an die niedersächsischen öffentlichen allgemein bildenden und berufsbildenden Schulen kommen oder gekommen sind, sind Schülerinnen und Schüler. Sie gelten für uns nicht als Flüchtlingskinder, Migrantinnen oder Migranten – nein, sie sind Schülerinnen und Schüler in unseren öffentlichen allgemein bildenden und berufsbildenden Schulen in Niedersachsen.

Für das Niedersächsische Kultusministerium ist die Maßgabe zur Erfassung und Förderung der Schülerinnen und Schüler deutscher und nichtdeutscher Herkunftssprache der beobachtbare und beschreibbare Sprachförderbedarf, also der bildungspolitische Auftrag.

Und aus genau diesem Grund haben wir mit den bislang durchgeführten Webabfragen alle Schülerinnen und Schüler erfasst, die über geringe oder keine Deutschkenntnisse verfügen und zusätzlich diejenigen, die im Zeitraum 15. März 2015 bis 15. März 2016 neu an die niedersächsischen Schulen gekommen sind. Insgesamt sind in diesem Zeitraum 27.594 Schülerinnen und Schüler ohne oder mit geringen Deutschkenntnissen neu an die öffentlichen allgemein bildenden und berufsbildenden Schulen in Niedersachsen gekommen.

Zum Stichtag der Web-Abfrage vom 15.09.2015 haben wir 32.716 Schülerinnen und Schüler ohne oder mit geringen Deutschkenntnissen registriert; zum Stichtag der jüngsten Web-Abfrage zum 15.03.2016 nun 42.991 Schülerinnen und Schüler.

Feststeht, meine Damen und Herren,

1. diese Anzahl an neu hinzukommenden Schülerinnen und Schülern wird sich weiter verändern und

2. alle Schülerinnen und Schüler deutscher und nichtdeutscher Herkunftssprache sollen ihr Recht auf Bildung und auf schulische Sprachförderung verwirklichen können.

Dieses vorausgeschickt, beantworte ich die Fragen für die Landesregierung im Einzelnen wie folgt:

Zu 1:

[Wie hoch ist der Prognosewert für die Unterrichtsversorgung (in Prozent) insgesamt sowie für die verschiedenen allgemein bildenden Schulformen für das erste Schulhalbjahr 2016/2017 ohne die bzw. mit den 930 weiteren Lehrerstellen?]

Zunächst ist deutlich zu machen, dass der Aussagewert der Prognosewerte zum Prognosetermin 01.08.2016 sehr begrenzt ist. So kann es sein, dass von der Niedersächsischen Landesschulbehörde beispielsweise Personalveränderungen bei Lehrkräften, schulorganisatorische Maßnahmen wie Errichtungen, Zusammenlegungen und Aufhebungen von Schulen, Einrichtung neuer Ganztagsschulens sowie Veränderungen der Anzahl der teilnehmenden Schülerinnen und Schüler am Ganztagsbetrieb nicht oder nicht vollständig in das Programm eingepflegt worden sind bzw. aktuell noch gar nicht abschließend bekannt sind. Die Datengrundlage ist in laufender Anpassung.

Dem Bezugswert für die Personalplanung (BPP) ist daher keine Aussage über den Wert der Unterrichtsversorgung zu entnehmen. Der BPP unterliegt in Bezug auf den landesweiten Durchschnitt, auf Schulformen, Regionen und einzelne Schulen noch starken Veränderungen.

Viele Daten, wie z. B. die schülerbezogenen Daten, lassen sich erst zu Beginn des Schuljahres verifizieren. Mit dem BPP kann daher allenfalls eine „Momentaufnahme“ wiedergegeben werden.

Wenn insofern der Aussagewert des BPP sehr begrenzt ist, werde ich dennoch - weil dies explizit angefragt wurde - die Werte an den öffentlichen allgemein bildenden Schulen (ohne Schulen im Geschäftsbereich des MS) zum Prognosetermin 01.08.2016 (1. Schulhalbjahr 2016/2017) sowie der einzelnen Schulformen mit Stand 02.05.2016 nachfolgend mitteilen:


Grund-schulen

Haupt-schulen

Real-
schulen

Förder-schulen


Ober-
schulen

Gesamt-schulen

Gymnasien

Summe alle Schulformen

Land Nds.

98,8 %

103,3 %

100,0 %

94,9 %



90,9 %

94,6 %

96,9 %

96,9 %

Ich weise dabei erneut darauf hin, dass der Prognosewert nicht dem Wert der Unterrichtsversorgung entspricht! Um die Unterrichtsversorgung vor dem Hintergrund des hohen Schülerzuwachses der vergangenen Monate zu gewährleisten, hat die Landesregierung reagiert und für das laufende Einstellungsverfahren zum 1. Schulhalbjahr 2016/2017 an allgemein bildenden öffentlichen Schulen rund 930 Stellen zusätzlich zur Verfügung gestellt.

Nach dem aktuellen Stand würde der landesweit durchschnittliche BPP mit den weiteren 930 Stellen um rund 2 % steigen. Auch dies stellt allenfalls eine Momentaufnahme dar.

Die Niedersächsische Landesschulbehörde nimmt momentan die Aufteilung der Einstellungsermächtigungen auf die einzelnen Schulformen vor. Daher sind schulformgenaue Aussagen hinsichtlich der Verteilung augenblicklich noch verfrüht.


Anrede,

ich will Ihnen an dieser Stelle ein Beispiel dafür geben, dass die Bezugswerte für die Personalplanung – gesamt und für die einzelnen Schulformen – nur bedingt aussagekräftig sind. Dies wird etwa deutlich anhand der Schülerzahlen in der Qualifikationsphase des Gymnasiums und der Gesamtschule. Hier hat sich bereits in der Vergangenheit gezeigt, dass die von den Schulen in der Prognose gemeldeten Zahlen regelmäßig im landesweiten Durchschnitt deutlich über den dann tatsächlich zum Stichtag in der Statistik gemeldeten Zahlen lagen. So wurden im Schuljahr 2015/2016 zum Prognosetermin 01.08.2015 landesweit insgesamt 60.147 Schülerinnen und Schüler für die Qualifikationsphase eingetragen, tatsächlich aber zum Stichtag 15.09.2015 in der Statistik nur 57.522 Schülerinnen und Schüler gemeldet. Die Soll-Bedarfe werden in der Qualifikationsphase schülerbezogen ermittelt. Daher ergibt sich eine entsprechende Differenz zwischen prognostizierten Lehrkräfte-Soll-Stunden im Verhältnis zu den laut Statistik ermittelten Lehrkräfte-Soll-Stunden von 4.463 Stunden. Dies entspricht einer landesweit durchschnittlichen Steigerung von rund 0,3 Prozentpunkten im Vergleich des BPP zum 01.08.2015 zur UV vom 15.09.2015.

Zu 2:

[Von welchen Schülerzahlen und welchem Bedarf an Lehrerstellen geht die Landesregierung für die Schuljahre 2016/2017 bis 2020/2021 derzeit aus (bitte die Lehrerstellen in Vollzeiteinheiten und Schuljahren aufgeschlüsselt angeben)?]

Die Landesregierung geht auf Basis einer Modellberechnung unter Verwendung der 12. koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung für die Schuljahre 2016/2017 bis 2020/2021 derzeit von folgenden Schülerzahlen an allgemein bildenden Schulen aus:

Schuljahr

Anzahl Schülerinnen und Schüler

2016/2017

rd. 836.000

2017/2018

rd. 825.000

2018/2019

rd. 815.000

2019/2020

rd. 809.000

2020/2021

rd. 828.000

Hierzu ist deutlich machen, dass insbesondere aufgrund der aktuellen Flüchtlingssituation Abweichungen von dieser Prognose auftreten können.

Im Haushaltsplan für das Haushaltsjahr 2016 sowie in der Mittelfristigen Planung (Mipla) 2015 – 2019 sind für allgemein bildenden Schulen nachstehende Beschäftigungsvolumen in Vollzeiteinheiten (VZE) veranschlagt. Das Haushaltsjahr ist gem. Landeshaushaltsordnung das Kalenderjahr:

2016: 60.186,33 VZE

2017: 59.736,59 VZE

2018: 59.736,83 VZE

2019: 60.104,66 VZE

Die Mipla für den kommenden Haushalt muss noch erstellt werden.

Zu 3:

[Welche Ressourcen (in Stellen bzw. Stunden) sind für das Schuljahr 2016/2017 für die weitere Umsetzung der inklusiven Schule vorgesehen?]

Im Rahmen des Haushaltsaufstellungsverfahrens für das Haushaltsjahr 2016 wurden für die Umsetzung der inklusiven Schule für das Schuljahr 2016/2017 zusätzlich 360 Planstellen für Förderschullehrkräfte veranschlagt. Entsprechend der Unterrichtsverpflichtung von Förderschullehrkräften entspricht dies 9.540 Std. zusätzlich.

Für 1.015 zusätzliche Lehrerstellen und Stellen für pädagogische Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind rund 370 Mio. Euro im Kultusetat bis 2020 vorgesehen, außerdem wurde der Ansatz für Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen um 60 Prozent erhöht; seit 2014 werden jährlich 1,6 Mio. Euro im Haushalt eingeplant: Es stehen gegenwärtig und in Zukunft 1,6 Mio. Euro jährlich zur Verfügung, 8,0 Mio. Euro für den Zeitraum der mittelfristigen Finanzplanung. Zusammen gerechnet fließen damit insgesamt rund 1,7 Milliarden Euro von 2016 bis 2020 in die inklusive Schule.

Artikel-Informationen

erstellt am:
04.05.2016

zum Seitenanfang
zur mobilen Ansicht wechseln