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Wie sind die Voraussetzungen für die Errichtung von weiterführenden Schulen?

Abgeordnete Christian Dürr, Björn Försterling, Sylvia Bruns und Almuth von Below-Neufeldt (FDP)


Antwort des Niedersächsischen Kultusministeriums namens der Landesregierung


Vorbemerkung der Abgeordneten


Schulträger beabsichtigen oftmals den Fortbetrieb von Schulstandorten trotz zurückgehender Schülerzahlen. Vor Ort werden häufig auch Lösungen mit Außenstellen an bisher eigenständigen Schulstandorten vorgeschlagen. Zu diesen Lösungen zählen u. a. der Betrieb von Oberschulen oder Gesamtschulen mit je zwei Schulzügen an einem Standort, bzw. in den Konstellationen dreizügig (zweizügig und einzügig Außenstelle) oder fünfzügig (dreizügig und zweizügig). Häufig wird vor Ort auch diskutiert, an einem Standort die Jahrgänge 5 bis 7 und am Standort der Außenstelle die Jahrgänge 8 bis 10 oder umgekehrt beschulen zu lassen, um dann an dem jeweiligen Standort für die dortigen Jahrgänge mindestens eine Zweizügigkeit (Oberschule) oder mindestens eine Dreizügigkeit (Gesamtschule) vorweisen zu können.

Vorbemerkung der Landesregierung


Niedersachsens Schullandschaft steht mit den Auswirkungen des allgemeinen Geburtenrückgangs einerseits und dem Zuzug von Flüchtlingskindern andererseits vor großen Herausforderungen. Die Entwicklung wird voraussichtlich in Niedersachsen regional unterschiedlich verlaufen, d. h., in einigen Regionen wird es weiterhin einen Rückgang der Schülerzahlen geben, der deutlich stärker ausfallen wird als in anderen Landesteilen, in anderen Gebieten hingegen sind sogar Zuwächse bei der Schülerzahl denkbar.


Bereits heute bestehen zwischen den einzelnen Landesteilen Niedersachsens zum Teil erhebliche strukturelle Disparitäten, die sehr unterschiedliche Handlungsansätze erfordern. Daher ist die Anpassung der Bildungsinfrastruktur eine stetige und ständige Aufgabe der Schulträger. Die kommunalen Schulträger sind infolge der demografischen Entwicklung veranlasst, ihre örtliche Schullandschaft auf den Prüfstand zu stellen, um auch in Zukunft ein regional abgestimmtes, sachgerechtes Bildungsangebot vorzuhalten. Jede Schulregion braucht ihre spezifische Lösung, jede Schulregion muss ausloten, was notwendig und zweckmäßig ist, jede Schulregion muss ihre eigene Antwort auf ihre konkrete schulische Problemlage entwickeln. Nur dann kann das Schulangebot passgenau und nachhaltig sein.


Ziel der Landesregierung ist es, Chancengleichheit zu sichern. Es gilt, ein qualitativ hochwertiges, regional ausgeglichenes und vielfältiges, aber dennoch möglichst wohnortnahes Bildungsangebot vorzuhalten.


Nach § 106 NSchG sind die kommunalen Schulträger einerseits verpflichtet (Absatz 1) und andererseits berechtigt (Absätze 2 und 3), Schulen zu errichten, zu erweitern, einzuschränken, zusammenzulegen, zu teilen oder aufzuheben, wenn die Entwicklung der Schülerzahlen dies erfordert bzw. rechtfertigt. Ob die Entwicklung der Schülerzahlen ein bestimmtes Schulangebot erfordert oder rechtfertigt, ist an bestimmten Steuerungskriterien (Zügigkeit, Klassenstärke, Nachhaltigkeit usw.) festzumachen. Die wesentlichen Steuerungskriterien legt die Verordnung für die Schulorganisation (SchOrgVO) fest. Die in § 106 NSchG aufgeführten schulorganisatorischen Maßnahmen machen deutlich, dass die Landesregierung für den schulischen Bereich bereits eine Vielzahl von Steuerungsinstrumenten konzipiert und zur Verfügung gestellt hat. Diese Instrumente ermöglichen es, frühzeitig auf verschiedenste Problemlagen für die Schulträger reagieren zu können, Verwerfungen zu verhindern oder auszugleichen.


Sofern der kommunale Schulträger eine der o.a. schulorganisatorischen Maßnahmen für erforderlich hält, hat er vor deren Umsetzung eine Genehmigung bei der Niedersächsischen Landesschulbehörde einzuholen. Die Landesschulbehörde prüft sodann, ob gegen die Maßnahme schulfachliche und schulrechtliche Bedenken bestehen.


Die Landesregierung kommt im Rahmen der rechtlichen Möglichkeiten dem Wunsch vieler Schulträger entgegen, Standorte zu erhalten. Vielfach soll auch durch eine Genehmigung von Außenstellen ein entsprechendes wohnortnahes Schulangebot gesichert werden.


Nach § 3 SchOrgVO kann mit Genehmigung der Niedersächsischen Landesschulbehörde eine Schule eine Außenstelle führen; fußläufig zu erreichende Nebengebäude einer Schule gelten nicht als Außenstelle. Die Genehmigung wird erteilt, wenn die Schulleitung, der Schulvorstand und die Konferenzen trotz der räumlichen Trennung ihre Aufgaben ordnungsgemäß erfüllen können, ein ausreichend differenziertes Unterrichtsangebot gewährleistet ist, ausreichend große Klassen und Lerngruppen gewährleistet bleiben und die Außenstelle für Schülerinnen und Schüler unter zumutbaren Bedingungen erreichbar ist. Das NSchG geht aber nach wie vor von dem Grundsatz als Regelfall aus, dass Schulen als einheitliche Organisationseinheiten räumlich gebündelt an einem Schulstandort errichtet und fortgeführt werden. Eine Außenstelle wird daher im Regelfall als befristete „Interimslösung“ genehmigt, um z. B. einen Übergang in die Stammschule zu ermöglichen, wenn Schulstandorte aufgrund von Schülerrückgängen auslaufend aufgehoben werden. In Ausnahmefällen werden auf Antrag des Schulträgers aber auch ohne Befristung Außenstellen genehmigt, z. B. im Primarbereich, wenn dadurch das wohnortnahe Schulangebot gesichert werden soll.


§ 106 Abs. 6 Satz 1 NSchG ermöglicht den Schulträgern darüber hinaus u. a. die organisatorische Zusammenfassung von Grundschulen mit Oberschulen und seit dem 01.08.2015 auch von Grundschulen mit Gesamtschulen, so dass bei diesen Möglichkeiten auch Konstellationen denkbar sind, bei denen der Grundschulzweig in einer Außenstelle einer Oberschule oder Gesamtschule geführt wird. Ebenso sind vergleichbare Konstellationen im Zuge der organisatorischen Zusammenfassung mit Förderschulen denkbar.


Schulträger von Gesamtschulen diskutieren in Einzelfällen auch, die Oberstufe der Gesamtschule in einer Außenstelle unterzubringen oder die jahrgangsweise Beschulung der Schülerinnen und Schüler auf Stammschule und Außenstelle aufzuteilen. Eine Genehmigung wird erteilt, wenn an beiden Standorten jeweils jahrgangsbezogen ein ausreichendes Unterrichtsangebot gewährleistet (vierzügig bzw. dreizügig als Ausnahmefall) ist.


1. Sind die o. g. Konstellationen genehmigungsfähig (bitte die einzelnen Konstellationen bewerten), und welche Schulen arbeiten bereits nach einem solchen Modell?


Zur Beantwortung der Frage wird zwischen den Schulformen Oberschule und Gesamtschule unterschieden, weil für die jeweiligen Schulformen auch unterschiedliche rechtliche Voraussetzungen gelten.


Nach § 4 der SchOrgVO ist für Oberschulen ohne gymnasiales Angebot die Zweizügigkeit als Mindestvoraussetzung vorgeschrieben, mit der Möglichkeit der Unterschreitung aus § 4 Abs. 2 SchOrgVO. Bis zum 31.07.2015 bestand auch die Möglichkeit der Unterschreitung der Mindestschülerzahl, wenn bei Errichtung der Oberschule gleichzeitig eine organisatorisch zusammengefasste Haupt- und Realschule aufgehoben wurde. Von diesen Möglichkeiten wurde vielfach Gebrauch gemacht.


Für die Schulform Oberschule bedeutet das, dass zweizügige Oberschulen in Niedersachsen der Regelfall sind. Da Oberschulen seit dem 01.08.2011 im Gegensatz zur Errichtung von Gesamtschulen durch den besonderen Fall in Form einer „Umwandlung“ entstehen können, wenn bestehende Hauptschulen, Realschulen, Haupt- und Realschulen sowie Gesamtschulen nicht aufsteigend, sondern alle Schuljahrgänge umfassend „umgewandelt“ werden, ist damals in vielen Fällen keine explizite Genehmigung von Außenstellen erfolgt. Die bestehenden Schulen wurden unter den damals tatsächlich vor Ort vorhandenen Verhältnissen „umgewandelt“. In den Hinweisen für die kommunalen Schulträger zur Errichtung von Oberschulen im Land Niedersachsen wird aber darauf verwiesen, dass die Errichtung einer Außenstelle zu einer Stammschule insbesondere nur dann zulässig ist, wenn ein vorhandener Gebäudebestand genutzt werden kann und sich an den jeweiligen Standorten die Mindestzügigkeit jahrgangsweise – auch in der Mindestschülerzahl – widerspiegelt. Dabei ist anzustreben, geeignete Doppeljahrgänge (z. B. Jahrgänge 5 und 6 in der Außenstelle und Jahrgänge 7 bis 10 in der Hauptstelle) an den jeweiligen Standorten zu führen. Eine Auflistung von Oberschulen mit Außenstellen in der Vielzahl möglicher Konstellationen (siehe auch Vorbemerkung der Landesregierung) ist daher in der Kürze der für die Beantwortung einer Mündlichen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht erstellbar, weil in vielen Fällen erst eine Nachfrage bei den einzelnen Schulträgern Aufschluss über die derzeit tatsächlichen Verhältnisse bringen kann.


Bei Gesamtschulen stellt die Vierzügigkeit auf den Jahrgang bezogen den auf pädagogischen Überlegungen und Notwendigkeiten basierenden „Normalfall“ bei der Mindestzügigkeit dar. Daher ist eine dreizügige Stammschule mit einer dreizügigen Außenstelle nicht genehmigungsfähig. Ebenfalls ist eine höchstens zweizügige Außenstelle für eine vier- oder höherzügige Stammschule nicht genehmigungsfähig. Zweizügige Gesamtschulen an einem Standort oder dreizügige Gesamtschulen mit zwei Zügen an der Stammschule und einem Zug an einer Außenstelle bzw. eine fünfzügige Gesamtschule, bestehend aus einer dreizügigen Stammschule und einer zweizügigen Außenstelle, wie in der Anfrage als Konstellation angegeben, sind dementsprechend nicht genehmigungsfähig.


Möglich wäre dagegen der Betrieb einer vierzügigen Stammschule mit einer dreizügigen Außenstelle, weil die SchOrgVO im Ausnahmefall auch eigenständige dreizügige Gesamtschulen zulässt.


Im Ausnahmefall kann auch die jahrgangsweise Aufteilung von Schülerinnen und Schülern auf zwei Standorte genehmigt werden, wenn damit die Vierzügigkeit bzw. die Dreizügigkeit im Ausnahmefall an jedem Standort und damit ein ausreichendes Unterrichtsangebot gewährleistet ist (z. B. Schuljahrgänge 5 – 7 in der Stammschule, 8 – 10 in der Außenstelle).


Die jahrgangsweise Aufteilung der Schülerinnen und Schüler in Stammschule und Außenstelle ist bei Gesamtschulen nicht der Regelfall, eine solche organisatorische Maßnahme ist allerdings nicht gänzlich unüblich. Es sind verschiedene Konstellationen möglich, immer vorausgesetzt, Stammschule und Außenstelle erfüllen die Mindestvoraussetzungen bei den Schülerzahlen.


Beispielsweise wurde bereits zum 01.08.2012 die IGS Lilienthal (fünfzügig) genehmigt mit einer Stammschule in Lilienthal und einer Außenstelle in Grasberg. In der Außenstelle Grasberg werden die Schülerinnen und Schüler der Jahrgänge 5 bis 7, in der Stammschule in Lilienthal die Jahrgänge 8 bis 10 beschult.


Der Schulträger Landkreis Northeim betreibt die KGS Moringen mit einer drei- bis vierzügigen Außenstelle in Nörten-Hardenberg.


Die KGS Hage (Schulträger Samtgemeinde Hage) hat eine vierzügige Stammschule in der Samtgemeinde Hage und eine vierzügige Außenstelle in der Stadt Norden.


Der Stadt Braunschweig wurde für die IGS Braunschweig-Querum eine Außenstelle genehmigt. Dort werden die Schülerinnen und Schüler des Sekundarbereiches II beschult.


Für die IGS Lehrte wurde zum 01.08.2015 die Genehmigung für eine Oberstufe erteilt, die in der gleichzeitig genehmigten Außenstelle in Lehrte-Süd errichtet wurde. Zusätzlich hat der Schulträger die Jahrgänge 9 und 10 dorthin verlagert.


Für die IGS Krummhörn wurde zum 01.08.2015 eine Außenstelle in der Gemeinde Hinte genehmigt, in der die Schülerinnen und Schüler ab dem 9. Schuljahrgang aufwärts beschult werden sollen. Die Genehmigung für eine Oberstufe wurde zusätzlich zum 01.08.2017 erteilt.


Für die IGS Marienhafe in der Samtgemeinde Brookmerland ist ab 01.08.2016 die Erweiterung um den Sekundarbereich II genehmigt. Die Schülerinnen und Schüler der Jahrgänge 5 bis 8 sollen dann in einer Außenstelle in Moorhusen der Nachbargemeinde Südbrookmerland beschult werden.


2. Wurden seit 2013 Anträge auf Einrichtung solcher Schulen mit Außenstellen abgelehnt (bitte einzeln angeben)?


Nein.


3. Welche Anträge mit o. g. Konstellationen liegen derzeit vor bzw. in welchen Fällen wird bereits durch die Landesschulbehörde zu diesen Konstellationen beraten?


Da das NSchG nach wie vor von dem Grundsatz als Regelfall ausgeht, dass Schulen als einheitliche Organisationseinheiten räumlich gebündelt an einem Schulstandort errichtet und fortgeführt werden, berät die Niedersächsische Landesschulbehörde Schulträger nicht vorrangig mit dem Ziel, Oberschulen oder Gesamtschulen mit einer Außenstelle zu errichten. Allerdings wird dieser Wunsch in Einzelfällen von Schulträgern aufgrund der Verhältnisse vor Ort (Sicherung von Standorten, Nutzung des bestehenden Gebäudebestandes) an diese Schulbehörde herangetragen. Derzeit liegt aber kein aktueller Antrag auf Genehmigung einer Oberschule mit Außenstelle oder einer Gesamtschule mit Außenstelle vor.


Eine Diskussion über ein solches Modell mit Beratung durch die Niedersächsische Landesschulbehörde wird derzeit im Landkreis Wolfenbüttel bezüglich der Errichtung einer Gesamtschule in der Samtgemeinde Elm-Asse geführt. Zunächst will dort der Schulträger aber das Interesse der Erziehungsberechtigten ermitteln. Erst danach ist ggf. mit einem Antrag zu rechnen.

Artikel-Informationen

erstellt am:
22.01.2016

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