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LT August-Plenum TOP 27: Schriftliche Antwort auf die mündliche Anfrage Nummer 7

Flüchtlinge an niedersächsischen Schulen


Abgeordnete Björn Försterling, Almuth von Below-Neufeldt, Sylvia Bruns, Christian Dürr, Christian Grascha, Gabriela König und Hillgriet Eilers (FDP)

Antwort des Niedersächsischen Kultusministeriums namens der Landesregierung

Vorbemerkung der Abgeordneten

Aktuell mehren sich Meldungen, dass Schulplätze für Flüchtlinge fehlen. Mehrere zivilgesellschaftliche Organisationen rufen derzeit dazu auf, Flüchtlinge zu melden, die „auf ihre erste Schultüte warten“.

Vorbemerkung der Landesregierung

Dass sich in Niedersachsen aktuell Meldungen über fehlende Schulplätze für Flüchtlinge mehren, kann nicht bestätigt werden.

Bekannt ist, dass sich die Organisation „Flüchtlingsrat Niedersachsen e.V.“ für die Schulpflicht der geflüchteten Kinder und Jugendlichen einsetzt. Über Aktionen und deren Ergebnisse sind allerdings keine Erkenntnisse oder Befunde übermittelt worden.

Wer in Niedersachsen seinen Wohnsitz, seinen gewöhnlichen Aufenthalt oder seine Ausbildungs- oder Arbeitsstätte hat, ist nach Maßgabe der §§ 63 ff Niedersächsisches Schulgesetz (NSchG) zum Schulbesuch verpflichtet. Der Erlass des Kultusministeriums „Ergänzende Bestimmungen zur Schulpflicht und zum Rechtsverhältnis zur Schule; §§ 58, 59 und 63 bis 68 des Niedersächsischen Schulgesetzes“ führt hierzu in Nr. 3 aus, dass die Schulpflicht unabhängig von der Staatsangehörigkeit besteht. Ein gewöhnlicher Aufenthalt liegt nach Nr. 3.1.2 der Ergänzenden Bestimmungen vor, wenn jemand – ohne sich in Niedersachsen ständig niederlassen zu wollen – mindestens fünf Tage hier wohnt. Die Schulpflicht beginnt in diesem Fall am ersten Tag des Aufenthaltes. Bei Asylbegehrenden beginnt der gewöhnliche Aufenthalt aber erst nach dem Wegfall der Verpflichtung, in einer Aufnahmeeinrichtung i. S. des § 44 Abs. 1 des Asylgesetzes zu wohnen.

Kinder und Jugendliche sind demnach unabhängig von ihrem Aufenthaltsstatus schulpflichtig, sobald sie nicht mehr verpflichtet sind, in einer Erstaufnahmeeinrichtung zu wohnen bzw. sobald sie einer Gemeinde zugewiesen wurden. Sie erhalten Sprachfördermaßnahmen in der Schule entsprechend dem Runderlass „Förderung von Bildungserfolg und Teilhabe von Schülerinnen und Schülern nichtdeutscher Herkunftssprache“, in dessen Abschnitt 2 die Aufnahme an niedersächsischen Schulen geregelt ist. Danach stellt die Schule bei Schülerinnen und Schülern aus anderen Herkunftsländern, die bei der Einreise in die Bundesrepublik Deutschland bereits schulpflichtig sind, im Rahmen eines Aufnahmegesprächs den bisherigen schulischen Werdegang und den Stand der Deutschkenntnisse fest und berät ihre Eltern in Hinsicht auf die weitere Schullaufbahn und den angestrebten Bildungsabschluss. Die Nichtbeherrschung der deutschen Sprache stellt keinen Hinderungsgrund für die Aufnahme in die Schule dar.

1. Ab wann sind Flüchtlinge in Niedersachsen schulpflichtig?

Auf die Vorbemerkung der Landesregierung wird verwiesen.

2. Hat jeder Flüchtling einen Anspruch auf einen Schulplatz?

Auf die Vorbemerkung der Landesregierung und auf die Antwort zu 3 wird verwiesen.

3. Gibt es an niedersächsischen Schulen Wartelisten oder ist bekannt, dass Schülerinnen und Schüler abgelehnt wurden?

Es ist dem Kultusministerium nicht bekannt, dass es zurzeit aufgrund der verstärkten Aufnahme von Flüchtlingen an allgemein bildenden Schulen Wartelisten gibt. Bei ausgeschöpften Kapazitäten kann es allerdings - wie schon zuvor an hinsichtlich der Anmeldungen überzeichneten Schulen (vgl. z.B. § 59a NSchG) - vorkommen, dass ggf. eine Aufnahme an der sog. „Wunschschule“ nicht möglich ist und Verzögerungen eintreten können.

Es hat sich gezeigt, dass zur Verteilung der Schülerinnen und Schüler Bündnisse auf kommunaler Ebene sinnvoll sind, um möglichst passgenaue Lösungen im Sinne gegenseitiger Unterstützung der beteiligten Behörden und Einrichtungen zu finden und allen Schülerinnen und Schülern zeitnah einen individuell angepassten schulischen Bildungsgang zu ermöglichen. Dabei spielt die Unterstützung insbesondere durch die Sprachbildungszentren und die Bildungskoordinatoren der Region eine besondere Rolle.

An berufsbildenden Schulen werden schulpflichtige jugendliche Flüchtlinge in der Regel im Berufsvorbereitungsjahr – Sprachförderklasse beschult; ein entsprechender Schulplatz ist zur Verfügung zu stellen. Da die Schulen nach den Ergänzenden Bestimmungen für das berufsbildende Schulwesen (Eb-BbS) im Berufsvorbereitungsjahr bereits ab sieben Schülerinnen und Schülern Klassen bilden können und diese ab einer Klassenstärke von neun Schülerinnen und Schülern das volle Budget erhalten, eröffnet dies den berufsbildenden Schulen große Flexibilität bezüglich der Klassenbildung, um so schulpflichtige jugendliche Flüchtlinge zu beschulen. Für diesen Bildungsgang werden nach derzeitigem Informationsstand an den berufsbildenden Schulen auch zu Beginn dieses Schuljahres keine Wartelisten geführt.

Aufgrund der Vielzahl von einreisenden Flüchtlingen ist es zu Beginn des Schuljahres 2015/2016 vereinzelt auch zu Ablehnungen von schulpflichtigen Flüchtlingen gekommen. Hier wurde allerdings nachgesteuert und, insbesondere durch die Einführung des Sprach- und Integrationsprojektes für jugendliche Flüchtlinge (SPRINT), Abhilfe geschaffen.

Das SPRINT-Projekt gibt Schulen die Möglichkeit, bedarfsorientiert und unabhängig vom Schuljahresrhythmus Lerngruppen einzurichten. Sobald die Anzahl von neun Schülerinnen und Schülern mit Migrationshintergrund erreicht ist, kann die Schule ein SPRINT-Projekt beantragen. Ist die Schülerzahl geringer, werden Schülerinnen und Schüler in vorhandene SPRINT-Klassen oder Klassen des Berufsvorbereitungsjahres – Sprachförderklasse aufgenommen. Bei einer Schülerzahl von 18 kann die SPRINT-Klasse geteilt werden und sie kann jederzeit – unabhängig von Schuljahr oder Kalenderjahr – in ein neues SPRINT-Projekt übergehen. Da in diesem Schulversuch mit größtmöglicher Flexibilität agiert werden kann, besteht fortwährend die Möglichkeit, jugendliche Flüchtlinge im Alter zwischen 16 und 21 Jahren in einem SPRINT-Projekt zu beschulen. Wartelisten werden nach vorliegenden Informationen aus den Schulen gegenwärtig nicht geführt.

Nach aktuellem Kenntnisstand liegen dem Kultusministerium keine Informationen über Wartelisten oder Ablehnungen von geflüchteten Kindern und Jugendlichen vor. Eine differenzierte Abfrage bei allen kommunalen Schulträgern aller Schulformen wurde im Zuge der Beantwortung dieser Mündlichen Anfrage nicht durchgeführt werden, auch weil vor dem Hintergrund der vorstehenden Ausführungen der diesbezügliche Aufwand als nicht in einem angemessenen Verhältnis zu dem zu erwartenden Erkenntnisgewinn stehend erachtet wird.

Artikel-Informationen

erstellt am:
19.08.2016

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