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Rede der Niedersächsischen Kultusministerin Frauke Heiligenstadt zu TOP 56

Entschließungsantrag der Fraktion der CDU:

Gegen Bildungsabbau in Niedersachsen „Leistungsniveau an unseren Schulen erhalten - Leistung muss sich weiter lohnen“


Anrede,

ich nehme die Gelegenheit gern wahr, zum Entschließungsantrag der Fraktion der CDU „Leistungsniveau an unseren Schulen erhalten - Leistung muss sich weiter lohnen“ hier im Plenum Stellung zu nehmen.

Anrede,

vor rund einem Jahr hat der Landtag das neue Niedersächsische Schulgesetz beschlossen.

Ein Schulgesetz, mit dem wir u. a.

- die Bildungschancen der Schülerinnen und Schüler erhöht haben,

- für mehr Bildungsgerechtigkeit gesorgt haben,

- die pädagogischen Kompetenzen unserer Schulen gestärkt haben,

- die Erziehungsberechtigten mehr in die Bildungsprozesse ihrer Kinder einbezogen haben,

- für die Gleichberechtigung aller Schulformen gesorgt haben, ohne diese wie unter schwarz-gelb gegeneinander auszuspielen,

- die kommunale Selbstverantwortung der Schulträger gestärkt und ihnen neue Instrumente als Reaktion auf den demografischen Wandel an die Hand gegeben haben,

- die Inklusion mit Augenmaß weiterentwickeln,

kurzum:

Wir haben aus einem guten Schulgesetz ein richtig gutes Schulgesetz gemacht und zwar ein Bildungschancengesetz!

Die CDU-Fraktion tut sich nach wie vor schwer damit, das neue Schulgesetz zu akzeptieren. Das ist politisch ihr gutes Recht. Aber dass sie sich zu angstgetriebenen Behauptungen hinreißen lässt, entbehrt nun wirklich jeder Grundlage.

Anrede,

zu den einzelnen Forderungen des Entschließungsantrags will ich Einiges kurz feststellen:

Zu 1:

Ziel der Landesregierung ist es, die Versorgung mit Lehrkräften landesweit nachhaltig zu sichern und gleichzeitig die Bildungsqualität zu erhöhen. Die vom Landtag zur Verfügung gestellten Lehrerstellen werden bedarfsgerecht auf die Schulen verteilt. Absolute Priorität hat dabei die Sicherung des Pflichtunterrichts und die Verlässlichkeit der Grundschulen.

Zu 2:

Die schulischen Leistungsanforderungen sind in den Kerncurricula für alle Fächer und Schulformen festgeschrieben und basieren auf den Vorgaben der KMK-Vereinbarungen. Insofern ist die Unterstellung, dass Leistungsstandards abgesenkt werden, völlig aus der Luft gegriffen.

Zu 3:

Den Grundschulen wird mit In-Kraft-Treten des neuen Zeugniserlasses die Möglichkeit eröffnet, in den Schuljahrgängen 3 und 4 an der Stelle von Notenzeugnissen Berichtszeugnisse zu erstellen.

An die Stelle der Schullaufbahnempfehlung sind zwei ausführliche Beratungsgespräche getreten, die in einer verbindlichen Form protokolliert werden müssen.

Die Erziehungsberechtigten werden demzufolge weiterhin über die individuelle Lernentwicklung ihres Kindes informiert und zu den verschiedenen Möglichkeiten einer Fortsetzung des Bildungsweges orientiert. Wir vertrauen den Eltern und Lehrkräften.

Zu 4:

Es kann keine Rede davon sein, dass Niedersachsen das „Sitzenbleiben“ abgeschafft hat. In § 59 Abs. 4 Satz 1 Niedersächsisches Schulgesetz ist - wie Sie sehr wohl wissen - auch weiterhin eine Versetzung in den nächst höheren Schuljahrgang vorgesehen. Durch ständige Wiederholung wird Ihre Falschdarstellung nicht richtig.

Zu 5:

Grundsätzlich ist festzuhalten: Im Sekundarbereich I der Gymnasien liegt die Wochenstundenzahlen der Fächer im MINT-Bereich sowohl beim „alten G 9“, beim „G 8“ als auch beim „neuen G 9“ weit über der von der KMK geforderten Mindeststundenzahl. Im Vergleich zu „G 8“ wurde die Wochenstundenzahl der MINT-Fächer vom 5. Schuljahrgang bis zum Eintritt in die Qualifikationsphase übrigens in der Stundentafel I von 52 auf 55 und in der Stundentafel II von 48 Stunden auf 54 Stunden erhöht. Zur Erinnerung: In Ihrem G 8 gab es eine deutlich geringere Stundentafel als heute. Auch deswegen ist Ihr G 8 gescheitert!

Zu 6:

Im neuen Entwurf der Verordnung über die gymnasiale Oberstufe ist vorgesehen, dass grundsätzlich alle Schülerinnen und Schüler in der Einführungsphase der gymnasialen Oberstufe zur Teilnahme am Unterricht in zwei Fremdsprachen verpflichtet sind. Davon kann nur durch einen Beschluss des Schulvorstands einer Schule abgewichen werden. Die Schulen bleiben aber dennoch verpflichtet, auch die zweite Fremdsprache anzubieten.

Zu 7:

Im neuen Entwurf der Verordnung über die gymnasiale Oberstufe ist ferner geregelt, dass die Leistungen in allen Pflicht- und Wahlpflichtfächern die Grundlage für die Versetzungsentscheidung von der Einführungs- in die Qualifikationsphase bilden.

Auch hier kann von einer Absenkung der Anforderungen also nicht die Rede sein.

Zu 8:

Auf Wunsch des Prüflings soll künftig eine Präsentationsprüfung die mündliche Prüfung im fünften Prüfungsfach ersetzen können. Worin sehen Sie hier eine Chancenungerechtigkeit für die Schülerinnen und Schüler? Präsentationsprüfungen sind im schulischen, universitären und beruflichen Kontext längst gang und gäbe.

Zu 9:

Auch für den 11. Schuljahrgang gilt, 30 Wochenstunden sollten i. d. R. nicht überschritten werden, um den Schülerinnen und Schülern ausreichend Zeit zu geben, das Gelernte zu verinnerlichen, Referate zu erarbeiten und sich auf Klausuren und Ähnliches vorzubereiten.

Das neue „G 9“ umfasst für den gesamten Bildungsgang deutlich mehr Stunden als das bisherige „G 8“ – es findet nicht weniger, sondern mehr Unterricht statt!

Zu 10:

Das Kultusministerium plant derzeit den Ausbau der sozialen Arbeit in schulischer Verantwortung an den Hauptschulen, Oberschulen, Realschulen, Kooperativen Gesamtschulen und Integrierten Gesamtschulen. Diese Schulformen tragen derzeit die Hauptlast bei der Inklusion und bei der Integration der geflüchteten Kinder und Jugendlichen.

Von einer Öffnung des Ganztagesbudgets für die Finanzierung von sozialpädagogischen Fachkräften können auch Gymnasien profitieren. Im Gegensatz zu Ihnen blenden wir bei der schulischen Sozialarbeit keine Schulform aus!

Zu 11:

Die Forderung, leistungsstarke Schülerinnen und Schüler zu fördern, um ihnen ein Abitur auch nach 12 Schuljahren zu ermöglichen, ist längst erfüllt. Die Schulen erhalten dafür zusätzliche Stunden und können selbst entscheiden, nach welchem Konzept sie diese Gruppe von Schülerinnen und Schülern fördern.


Zu 12:

Die Anzahl der Wochenstunden für die Kernfächer wird nicht gekürzt. Für das Gymnasium gilt, dass die Wochenstundenzahl in Mathematik, Deutsch und den Fremdsprachen im Vergleich zum alten G 8 jeweils um zwei Wochenstunden erhöht werden konnte.

Zu 13:

Die Studien- und Berufsorientierung ist ein bildungspolitischer Schwerpunkt der Arbeit an Niedersachsens allgemein bildenden Schulen. Vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels kommt diesem Bereich eine besondere Bedeutung zu. Berufsorientierende Maßnahmen werden in den Pflichtunterricht integriert und bei der derzeitigen Überarbeitung in den Kerncurricula aller Fächer verankert. Durch Maßnahmen der vertieften Berufsorientierung wird eine fundierte Berufswahlentscheidung der Schülerinnen und Schüler gefördert, um einen Übergang von der Schule in die Hochschule oder den Beruf zu erleichtern.

Zu 14:

Die mit der Aufgabenerstellung betrauten Zentralabiturkommissionen setzen sich zum größten Teil aus langjährig erfahrenen und bewährten Kommissionsmitgliedern zusammen und sind mit Lehrkräften besetzt, die noch direkt in den Vorjahren eigene Abiturerfahrungen hatten. Ländergemeinsame Prüfungsteile unterliegen zusätzlichen Qualitätskontrollen aus den beteiligten Ländern.

Zu 15:

Unser Schulgesetz sieht in § 106 Abs. 2 vor, dass Schulträger, die eine Gesamtschule führen, von der Pflicht befreit werden, Haupt- und Realschulen zu führen. Von der Pflicht, Gymnasien zu führen, sind Schulträger jedoch nur befreit, wenn der Besuch eines Gymnasiums unter zumutbaren Bedingungen gewährleistet ist. Damit ist der Besuch des Gymnasiums für alle interessierten Schülerinnen und Schüler immer gesichert. Und, meine Damen und Herren, wie ich schon immer gesagt habe: Ich vertraue auf Fakten. Kein einziges Gymnasium wurde im letzten Jahr geschlossen. Das Gymnasium ist die beliebteste Schulform. Hören Sie endlich mit diesem Märchen auf!

Anrede,

Ihr Entschließungsantrag ist ein Sammelsurium von längst widerlegten Vorwürfen, Fehleinschätzungen und Falschmeldungen!

Sie wollen zurück zur alten Schule der 50er Jahre. Wo Kinder nach Herkunft einsortiert werden, wo der Geldbeutel entscheidet, wer welchen Schulabschluss und welche Chancen erhält, wo Schüler, Eltern und Lehrkräfte vom Staat gegängelt werden.

Das ist nicht die Art von Schule, die Zukunft hat. Wir ebnen den Weg für mehr Qualität und pädagogischen Gestaltungsspielraum, für mehr Vertrauen und Bildungsgerechtigkeit. Diesen Weg trauen Sie sich und anderen nicht zu, daher ist das Bildungsprojekt der modernen Schule bei der rot-grünen Landesregierung in den besten Händen.

Ich freue mich auf den anstehenden Diskurs.

Artikel-Informationen

erstellt am:
10.06.2016

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