Was unternimmt die Landesregierung gegen den Lehrermangel im Unterrichtsfach Physik an niedersächsischen Schulen?
Antwort auf die mündliche Anfrage: Was unternimmt die Landesregierung gegen den Lehrermangel im Unterrichtsfach Physik an niedersächsischen Schulen?
Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 16.05.2014 - TOP 30 - Nr. 17
Die Abgeordneten Kai Seefried und Karin Bertholdes-Sandrock (CDU) hatten gefragt:
Am 2. April 2014 berichtete die Frankfurter Allgemeine Zeitung unter dem Titel „Immer weniger Physikunterricht an deutschen Schulen - Studie warnt vor Lehrermangel“ über den Mangel von Physiklehrerinnen und Physiklehrern und die unzureichende Ausbildung zukünftiger Lehrkräfte. Die Deutsche Physikalische Gesellschaft (DPG) hat dem Artikel zufolge 200 Schulen befragt und festgestellt, dass in rund einem Drittel der Schulen Physik im Verbund mit anderen Fächern wie Chemie und Biologie unterrichtet wird. „Dadurch werde die ohnehin geringe Begeisterung für das Fach nicht geweckt“, schreibt die FAZ unter Berufung auf die Präsidentin der DPG, Prof. Dr. Johanna Stachel. Die DPG kritisierte demzufolge u. a. die „neue Physiklehrerausbildung nach dem Bologna-Modell“ und forderte eine eigenständige und spezifische Fachausbildung für das Lehramt Physik.
Wir fragen die Landesregierung:
- Wie bewertet die Landesregierung die Forderung der DPG nach einer eigenständigen Fachausbildung für das Lehramt Physik?
- Wie hat sich die fachspezifische Unterrichtsversorgung im Unterrichtsfach Physik und in entsprechenden Verbundfächern an den allgemeinbildenden Schulen in Niedersachsen in den letzten drei Jahren entwickelt?
- Wie unterstützt die Landesregierung das modellhaft an der Robert-Bosch-Gesamtschule Hildesheim eingeführte Unterrichtsfach „Physik/Technik“ im Gegensatz zum sonst an Integrierten Gesamtschulen üblichen Verbundfach „Naturwissenschaften“, und wie kann es weitergeführt werden?
Antwort der Niedersächsischen Kultusministerin Frauke Heiligenstadt:
Der hohe Bedarf an Physiklehrerinnen und Physiklehrern ist seit Jahren ein bundesweites Problem. Das Land Niedersachsen hat darauf in vielfältiger Weise reagiert und setzt sich für die Stärkung der Fächer des gesamten mathematisch-naturwissenschaftlich-technischen Bereichs (MINT), insbesondere auch für das Unterrichtsfach Physik, an den unterschiedlichen Schulformen ein. Für den niedersächsischen Schuldienst konnten in den letzten drei Schuljahren über 350 Lehrkräfte mit dem Lehrbefähigungsfach Physik an öffentlichen allgemein bildenden Schulen eingestellt werden.
Ziel der Landesregierung ist es, junge Menschen für Naturwissenschaften zu begeistern, sie an diese Bereiche heranzuführen, zu einem entsprechenden Studium zu ermuntern und letztlich für die Wirtschaft, aber auch für Lehramtsstudiengänge zu gewinnen. Mittelfristig kann sich dadurch die fächerspezifische Unterrichtsversorgung im Unterrichtsfach Physik weiter verbessern.
In diesem Zusammenhang ist auf die Zusammenarbeit der Landesregierung mit den Kammern, den Verbänden, der Stiftung Niedersachsenmetall und den Arbeitsagenturen hinzuweisen. Bildungschancen in Niedersachsen sollen verbessert und der dringend benötigte Fachkräftenachwuchs im MINT-Bereich gesichert werden. Schule ist ein zentraler Ort für die kontinuierliche MINT-Förderung. Im Sinne einer erfolgreichen Bildungskette erfolgt MINT-Früherziehung bereits in den Kindertagesstätten. Exemplarisch sei hierzu die Maßnahme „Haus der kleinen Forscher“ genannt. Kooperationsprojekte zwischen Grundschulen und weiterführenden Schulen, wie zum Beispiel „Physik für helle Köpfe“, dienen einerseits der frühen Förderung von Grundschülerinnen und Grundschülern, andererseits werden die Kompetenzen der älteren Projektschülerinnen und Projektschüler gestärkt. Sie erfahren eine zusätzliche Berufsorientierung im Hinblick auf den Lehrerberuf. Die vielfach praktizierte Öffnung der niedersächsischen Hochschulen auf der Grundlage von MINT-Angeboten, die von Schule und Universität gemeinsam entwickelt wurden, bildet eine Brücke für den interessierten MINT-Nachwuchs.
Niedersachsen verfügt über eine vielfältige vom Land geförderte Kooperation mit den Hochschulen und der Wirtschaft. Hierzu gehört insbesondere auch eine vielfältige Labor-Landschaft. Exemplarisch sind etwa folgende Einrichtungen zu nennen: das Phaeno in Wolfsburg, das XLAB in Göttingen, das DLR_School_Lab in Braunschweig, das TechLab in Hannover, das Chemielabor Chemol in Oldenburg und das Schülerforschungszentrum in Osnabrück. Alle Labore arbeiten überregional.
Eine Stärkung der MINT-Fächer erfolgte insbesondere auch dadurch, dass seit dem 01.08.2004 die Fächer Biologie, Chemie und Physik an Gymnasien, Oberschulen, Haupt- und Realschulen sowie an Kooperativen Gesamtschulen in den Schuljahrgängen 5 bis 10 durchgängig unterrichtet werden. An den Integrierten Gesamtschulen wird in den Schuljahrgängen 5 bis 10 das Fach Naturwissenschaften mit Fachanteilen Physik, Chemie und Biologie ebenfalls durchgängig erteilt. In den Grundschulen ist Physik in das Unterrichtsfach „Sachunterricht“ integriert.
In den Kerncurricula wird besonders auf die zentrale Bedeutung von Experimenten für den Unterricht im Fach Physik hingewiesen. Die unmittelbare Begegnung mit naturwissenschaftlicher Forschung ist spannend, weckt das Schülerinteresse und wird sich auf lange Sicht positiv für unser Land auswirken.
Gelingender Physikunterricht setzt ein hohes Maß an Lehrerprofessionalität voraus, deren Basis eine fachwissenschaftliche und fachdidaktische Lehrerausbildung an den Universitäten und Studienseminaren ist.
Zudem bieten das NLQ und die Kompetenzzentren fortlaufend Weiterbildungen für MINT-Fächer an und decken den von Schulen abgefragten Bedarf damit weitgehend ab. Dabei erhalten die Lehrkräfte auch zu fachwissenschaftlichen und fachdidaktischen Inhalten Fortbildungsangebote, die aus dem Forschungs- und Lehrbetrieb der Hochschulen entwickelt werden.
Bezüglich des Physikunterrichts im Verbund mit den Unterrichtsfächern Chemie und Biologie an Integrierten Gesamtschulen ist festzustellen, dass die integrative Vermittlung der drei naturwissenschaftlichen Fächer ein sinnvoller Weg ist, bei den Schülerinnen und Schülern im Sinne einer ganzheitlichen Herangehensweise das Interesse für die genauere Betrachtung der naturwissenschaftlichen Phänomene in ihrer eigenen Lebensumwelt zu fördern. Fächerübergreifende Ansätze und inhaltliche Verzahnungen mit praktischen Anteilen sind hierbei Unterrichtsschwerpunkte.
Kompetente Lehrerinnen und Lehrer und attraktive schulische und außerschulische Angebote sind auf lange Sicht Erfolg versprechend. Das Land Niedersachsen ist diesbezüglich auf einem guten Weg.
Dies vorausgeschickt, beantworte ich namens der Landesregierung die Fragen im Einzelnen wie folgt:
Zu 1:
In Niedersachsen sind die Eckpunkte einer fachlich qualitätsvollen Lehramtsausbildung bereits in den Vorgaben für das Fach in der Verordnung über Masterabschlüsse für Lehrämter in Niedersachsen inhaltlich wie strukturell umgesetzt. So erfolgt z. B. das Studium des Faches Physik für das Lehramt an Gymnasien einschließlich der Fachdidaktik im Umfang von 95 Leistungspunkten (ECTS). Mit der geplanten Einführung der 4-semestrigen Master-Studiengänge für das Lehramt an Grundschulen und das Lehramt an Haupt- und Realschulen (GHR 300), verbunden mit einer ausgedehnten Praxisphase, wird keine Absenkung der Verteilung der Leistungspunkte zu Ungunsten der Fachwissenschaft und der Fachdidaktik Physik erfolgen.
Die Ausbildung erfolgt im Fach Physik sowohl im Studium als auch im daran anschließenden Vorbereitungsdienst fachbezogen.
Zu 2:
Eine fachspezifische Unterrichtsversorgung und der tatsächliche fächerspezifische Unterrichtseinsatz von Lehrkräften werden statistisch nicht erhoben. Insofern können hierzu keine Aussagen getroffen werden.
Zu 3:
Neben den bereits bestehenden fächerübergreifenden Konzeptionen im Bereich der Naturwissenschaften an Gesamtschulen wurde im Jahr 2011 auf Antrag der Robert-Bosch-Gesamtschule in Hildesheim ein entsprechender Modellversuch genehmigt. Damit wurden die Voraussetzungen geschaffen, dass die Gesamtschule praktische Erfahrungen in der Arbeit mit dem Fach „Physik/Technik“ sammeln kann. Der Modellversuch wird zudem fachlich durch die Niedersächsische Landesschulbehörde begleitet. Nach Vorlage und Auswertung von Zwischenberichten der Schule und der beteiligten Fachmoderatorin Naturwissenschaften, des Fachmoderators Arbeit, Wirtschaft, Technik und eines Fachberaters Physik der Niedersächsischen Landesschulbehörde wurden diese im Frühjahr 2014 explizit beauftragt, die Schule in der verbleibenden Laufzeit des Modellprojektes unterstützend im Hinblick auf im Bericht aufgezeigte Probleme bei der Konzeption und Umsetzung des Faches „Physik/Technik“ zu beraten.