Wann wird die Kultusministerin die Verwirrung um die Klassenfahrten beenden?
Antwort auf die mündliche Anfrage: Wann wird die Kultusministerin die Verwirrung um die Klassenfahrten beenden?
Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 27.06.2014 TOP 31 Nr. 25
Die Abgeordneten Clemens Lammerskitten, Karin Bertholdes-Sandrock, Kai Seefried, Ulf Thiele, Astrid Vockert, André Bock und Jörg Hillmer (CDU) hatten gefragt:
Im Konflikt um die Erhöhung der Unterrichtsverpflichtung von Lehrkräften an Gymnasien haben an vielen Schulen in Niedersachsen Lehrkräfte angekündigt, künftig keine Klassenfahrten mehr zu begleiten. Verschiedenen Medienberichten zufolge hätten Vertreter des Kultusministeriums gegenüber einzelnen Elternvertretern nun eine Lösung angeboten, bei der anstelle von Lehrkräften unter bestimmten Bedingungen auch Eltern „schulfahrtähnliche“ Schülerausflüge begleiten dürften (z. B. Neue Presse vom 5. Juni 2014).
Dem geltenden Erlass zufolge sind Schulfahrten „Schulveranstaltungen, mit denen definierte Bildungs- und Erziehungsziele verfolgt werden“ (RdErl. des Niedersächsischen Kultusministeriums vom 10. Januar 2006).
Wir fragen die Landesregierung:
1. Wie will die Landesregierung sicherstellen, dass die im Erlass genannten „Bildungs- und Erziehungsziele“ von Schulfahrten erreicht werden, wenn keine Lehrkräfte mitfahren?
2. Wie will die Landesregierung sicherstellen, dass es keine haftungsrechtlichen Schwierigkeiten gibt, wenn ausschließlich Eltern „schulfahrtähnliche“ Ausflüge begleiten?
3. Plant die Landesregierung, die von Lehrkräften als Auslöser für ihren Klassenfahrtboykott benannte Erhöhung der Unterrichtsverpflichtung an Gymnasien zurückzunehmen oder den Lehrkräften anderweitig entgegenzukommen, um den Konflikt zu lösen?
Antwort der Niedersächsischen Kultusministerin Frauke Heiligenstadt:
Planung und Aufsicht bei Schulfahrten in Niedersachsen sind in Nr. 7 des RdErl. d. MK vom 10.01.2006 (SVBl. S. 38), welcher zum 31.12.2013 außer Kraft getreten ist, allerdings per Einzelerlass bis zum Inkrafttreten eines neuen Erlasses weiterhin Gültigkeit hat, festgelegt. Danach müssen Schulfahrten unter Mitwirkung einer Lehrkraft geplant und von einer Lehrkraft geleitet werden. Aus dem Wortlaut ergibt sich, dass die Leitung einer Schulfahrt durch eine Lehrkraft erfolgen muss. Als Begleitpersonen hingegen kommen Lehrkräfte, Aufsichtsführende im Sinne von § 62 Abs. 2 NSchG sowie mit Zustimmung der Schulleitung geeignete andere Personen in Betracht.
Diese Regelung beruht bereits auf verfassungsrechtlichen Grundsätzen. Dem Staat kommt über Art. 7 Abs. 1 GG und Art. 4 Abs. 2 Satz 2 NV die Aufgabe zu, die Aufsicht über das Schulwesen auszuüben. Die mit der Schulaufsicht verbundenen staatlichen Aufgaben gehören zum Kernbereich der Staatstätigkeit. Es handelt sich dabei um eine originäre staatliche Aufgabe, für die dem Staat nicht nur die Gewährleistung des Aufgabenzwecks, sondern grundsätzlich auch die Durchführung bzw. der Vollzug obliegt. Die Aufsichtsfunktion bedingt, dass der Staat die Sicherstellung des Bildungsauftrages nach § 2 NSchG unmittelbar gewährleisten muss.
Im Rahmen eines Gespräches mit Mitgliedern eines Schulelternrates und eines Fördervereins einer Schule wurde im MK erörtert, unter Berücksichtigung welcher Gesichtspunkte „schulfahrtähnliche“ Veranstaltungen stattfinden können, die nur von Eltern als Betreuungspersonen begleitet werden. Hierbei wurde Einigkeit darüber erzielt, dass entsprechende Veranstaltungen ausschließlich außerschulisch ggf. unter Befreiung vom Unterricht stattfinden und in keinem inneren Zusammenhang zum Schulalltag stehen. Die haftungs- und aufsichtsrechtlichen Fragen sind ausschließlich zwischen den Erziehungsberechtigten bzw. den die Fahrt durchführenden Personen zu klären und zu regeln. Bei diesen Veranstaltungen handelt es sich demnach nicht um Schulfahrten im Sinne des sog. Schulfahrtenerlasses, sondern vielmehr um privat organisierte und verantwortete Fahrten.
Die Erhöhung der Unterrichtsverpflichtung für Lehrkräfte an Gymnasien, Abendgymnasien, Gymnasialzweigen von Kooperativen Gesamtschulen, Kollegs, beruflichen Gymnasien und Seefahrtschulen um eine Unterrichtsstunde wurde von der Landesregierung zum 01.08.2014 beschlossen. Die Maßnahme trägt mit dazu bei, die „Zukunftsoffensive Bildung“ zu realisieren, die allen Schulformen unmittelbar oder indirekt zugute kommt. Hierbei wird angestrebt, neben der Umsetzung der Inklusion mehr verlässliche Betreuung und qualitativ bessere frühkindliche Bildung in den Kindertagesstätten zu ermöglichen, eine bessere Ausstattung der Ganztagsschulen zu erzielen und Qualitätsverbesserungen in Schule und Ausbildung zu gewährleisten.
Dies vorausgeschickt, beantworte ich namens der Landesregierung die Fragen im Einzelnen wie folgt:
Zu 1:
Auf die Vorbemerkung wird verwiesen.
Zu 2:
Auf die Vorbemerkung wird verwiesen.
Zu 3:
Die Landesregierung bedauert außerordentlich die Entscheidung vieler Lehrerinnen und Lehrer an Gymnasien, Schulfahrten aufgrund der Erhöhung der wöchentlichen Unterrichtsverpflichtung nicht mehr stattfinden zu lassen. Schulfahrten bereichern das Schulleben jeder Schule. Lehrerinnen und Lehrer, die diese Fahrten durchführen, verdienen besondere Anerkennung. Schulfahrten haben unbestritten einen hohen pädagogischen Wert. Es bleibt zu hoffen, dass die Lehrkräfte ihre Entscheidung, mehrtägige Schulfahrten nicht mehr zu organisieren und zu begleiten, im Sinne der ihnen anvertrauten Schülerinnen und Schüler noch einmal überdenken.
Mit der „Zukunftsoffensive Bildung“ gehen weitere Maßnahmen einher, die die Lehrkräfte bei ihrer Arbeit entlasten sollen. Die Absenkung der Klassenfrequenzen auf 30 Schülerinnen und Schüler in den Schuljahrgängen des Sekundarbereiches I wird auch im kommenden Schuljahr fortgesetzt, so dass künftig auch für den 8. Schuljahrgang die Schülerhöchstzahl von 32 auf 30 Schülerinnen und Schüler pro Klasse herabgesetzt wird.
Weitere Entlastungen für Lehrkräfte an Gymnasien werden sich ab dem 01.08.2015 zum einen durch die beabsichtigte Streckung des Unterrichtsstoffes von 8 Schuljahren auf künftig 9 Schuljahre und zum andern durch eine geplante Absenkung der Anzahl der Klausuren in der Qualifikationsphase der gymnasialen Oberstufe ergeben.
Im Übrigen wird auf die Vorbemerkung verwiesen.