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Einstellungen, Pensionierungen, Krankheitsfälle, Nachtragshaushalt, Sprachlernklassen, Schülerzuwachs – Wie sieht die Unterrichtsversorgung aktuell in Niedersachsen aus?

    TOP 26a der Sitzung des Niedersächsischen Landtags am 16.12.2015

      Dringliche Anfrage der Fraktion der FDP (Drs. 17/4792)


        Antwort der Niedersächsischen Kultusministerin Frauke Heiligenstadt:


          Anrede,


          über viele der in der Anfrage angesprochenen Punkte sind Sie bereits ausführlich informiert worden – sei es hier im Plenum
          oder in Ausschüssen! Gern erläutere ich Ihnen aber auch noch ein weiteres Mal die Zusammenhänge!


          Sprache ist der Schlüssel zum Bildungserfolg – zur Teilhabe an Bildung – zur vollständigen Integration in unsere Gesellschaft. Um Sprachbarrieren von zugewanderten Kindern und Jugendlichen schnellstmöglich abzubauen, hat das Kultusministerium bedarfsgerecht reagiert, denn eine zügige Teilnahme am Regelunterricht ist eine der derzeit wichtigsten bildungspolitischen Zielsetzungen.


          Zahlreiche Schritte wurden bereits eingeleitet. Wir haben umgehend die Möglichkeiten der Personalgewinnung erheblich flexibilisiert und auch Gestaltungsspielräume für die Schulen vor Ort geschaffen – etwa mit Blick auf den bedeutsamen und nachhaltig wirkenden Ausbau der Ganztagsschulen. Ferner haben wir sogleich die Fortbildungsangebote für Lehrkräfte und für Schulpsychologinnen und Schulpsychologen ausgeweitet.


          Mit dem 2. Nachtragshaushalt wurden erneut über 700 Stellen zur Verfügung gestellt (genaue Zahl: 738).


          Die Ressourcen für die additive Sprachförderung haben wir erheblich aufgestockt. Damit können wir bis zu 550 Sprachlernklassen an den allgemein bildenden Schulen einrichten. Damit wird es voraussichtlich zum 01.02.2016 rund 460 Sprachlernklassen geben.


          Aber zugewanderte Kinder werden nicht nur in Sprachlernklassen gefördert. Integration gelingt durch Kontakt mit Gleichaltrigen und deshalb sollen die Kinder und Jugendlichen schnell gemeinsam mit anderen lernen. Dafür sehen wir weitere Fördermaßnahmen vor: Sprachförderkurse, Förderunterricht, Fördermaßnahmen auf der Grundlage besonderer Sprachförderkonzepte und natürlich die vorschulische Sprachförderung.


          Insgesamt 14.000 Lehrersollstunden werden damit für Maßnahmen im Rahmen der additiven Sprachförderung anerkannt.


          Aber auch im berufsbildenden Bereich halten wir qualifizierte Angebote für junge Flüchtlinge vor. Die sog. BVJ-Sprachförderklasse ist ein dauerhaftes Bildungsangebot. Allein für diese Klassen haben wir im letzten Schuljahr fast 2 Mio. Euro für weiteres Personal zur Verfügung gestellt. Begleitend haben wir auch hier kurzfristig Lehrerfortbildungen ermöglicht, um die Lehrkräfte auf ihre neue Aufgabe vorzubereiten.


          Für die öffentlichen berufsbildenden Schulen haben wir außerdem das Sprach- und Integrationsprojekt „SPRINT“ entwickelt, das sich in drei Schwerpunkte gliedert: Spracherwerb, Einführung in die regionale Kultur- und Lebenswelt und Einführung in das Berufs- und Arbeitsleben. Derzeit liegen ca. 53 Anträge von berufsbildenden Schulen auf Durchführung einer SPRINT-Maßnahme bei der NLSchB vor. 42 SPRINT-Maßnahmen sind bereits genehmigt, 25 Schulen haben bereits mit der Maßnahme begonnen.


          Um unsere Lehrkräfte in ihren Aufgaben zu unterstützen, sorgen wir für Fortbildung und Qualifizierung. Unsere Angebote werden laufend überprüft und den Bedarfen – sowohl inhaltlich als auch zahlenmäßig - angepasst.


          Für das Einstellungsverfahren zum 01.02.2016 sind 1.600 Stellen zugewiesen worden, von denen – Stand heute – bereits über 2/3 besetzt sind. Da Stellenbesetzungen der ersten Auswahlrunde erst seit dem 25.11.2015 vorgenommen werden können, ist dies eine große Leistung. Die restlichen Stellen werden voraussichtlich ebenfalls bis zum Abschluss des Einstellungsverfahrens Ende Februar 2016 besetzt werden können. Auch im nächsten Einstellungsverfahren zum nächsten Schuljahresbeginn (d. h. Einstellungstermin 01.08.2016) wird das Land Niedersachsen zahlreiche weitere Einstellungsmöglichkeiten ab Mitte April 2016 veröffentlichen.


          Dies vorausgeschickt, beantworte ich namens der Landesregierung die Fragen im Einzelnen wie folgt:


          Zu 1:


          Es ist zwar technisch möglich, jeweils eine Auswertung aus dem sog. Personalmanagementverfahren (PMV) dahingehend zu erstellen, wie viele Lehrkräfte entsprechend dem Geburtsjahrgang ihr Regeleintrittsalter in den Ruhestand zum jeweiligen Schulhalbjahr erreichen werden. Die Zahl der ausscheidenden Lehrkräfte und das Volumen der Lehrkräfte, die das Alter „65 + X“ erreichen, ist doch aber nicht identisch - und diese Zahl ist damit ohne praktischen Wert. Daher ist eine reine Darstellung der Anzahl Lehrkräfte, die zum Regeleintrittsalter ausscheiden, praxisfremd.


          Gleichwohl werde ich Ihnen - Ihrem ausdrücklichen Wunsch entsprechend - im Folgenden die gewünschten Angaben jeweils nach Schulformen und den Zeitraum von 2013 bis 2020 vorlesen.


          Dabei werde ich Ihnen jeweils das Kapitel benennen, die darunter erfassten Schulformen erwähnen und dann Schuljahrgangsweise vom Schuljahr 2012/2013 bis zum Schuljahr 2019/2020 die von Ihnen gewünschten Zahlen nennen.


          Ausgeschiedene Lehrkräfte

          („Kopfzahlen“)

          Prognose ausscheidender Lehrkräfte

          (Vollzeitlehrereinheiten)

          SJ 2012/2013

          SJ 2013/2014

          SJ 2014/2015

          SJ 2015/2016

          SJ 2016/2017

          SJ 2017/2018

          SJ 2018/2019

          SJ 2019/2020

          Kapitel 0710

          1.382

          1.285

          1.253

          305

          248

          416

          600

          614

          Kapitel 0711

          273

          249

          266

          80

          53

          76

          137

          132

          Kapitel 0712

          430

          331

          259

          83

          55

          93

          113

          104

          Kapitel 0713

          423

          306

          238

          74

          53

          73

          88

          77

          Kapitel 0714

          920

          932

          899

          334

          226

          286

          432

          448

          Kapitel 0717

          519

          530

          569

          163

          131

          164

          312

          252

          Kapitel 0718

          413

          390

          409

          135

          88

          134

          186

          182

          Zwischen-summe ABS

          4.360

          4.023

          3.893

          1.174

          854

          1.242

          1.868

          1.809

          Kapitel 0720

          685

          661

          638

          223

          207

          271

          330

          354

          Summe

          5.045

          4.684

          4.531

          1.397

          1.061

          1.513

          2.198

          2.163


          Legende:

          Kapitel 0710

          Grundschulen sowie mit Grundschulen organisatorisch zusammenfasste Schulformen z. B. Grund- und Hauptschule (GHS), Grund-, Haupt- und Realschule (GHRS) sowie Grund- und Oberschule (GOBS)

          Kapitel 0711

          Förderschulen

          Kapitel 0712

          Hauptschulen sowie mit der Hauptschule organisatorisch zusammengefasste Schulform z. B. Haupt- und Realschule (HRS)

          Kapitel 0713

          Realschulen

          Kapitel 0714

          Gymnasien

          Kapitel 0717

          Oberschulen

          Kapitel 0718

          Gesamtschulen

          Kapitel 0720

          Berufsbildende Schulen


          Die PMV-Auswertungen für die Schuljahre 2012/2013 bis 2014/2015 basieren auf den Zahlen der tatsächlich ausgeschiedenen Lehrkräfte. Hingegen geben die PMV-Auswertungen für die Schuljahre 2015/2016 bis 2019/2020 lediglich das Erreichen des Regeleintrittsalters in den Ruhestand wieder. Zwischen dem „IST“ des Schuljahres 2014/2015 und der „Prognose“ des Schuljahres 2015/2016 ist eine erhebliche Abweichung zu erkennen.


          Dies liegt daran, dass Lehrkräfte bekanntermaßen aufgrund der rechtlichen Rahmenbedingungen verschiedene Möglichkeiten zum „flexiblen Eintritt in den Ruhestand“ nutzen können (z. B Antrag ab dem 60. Lebensjahr, Altersteilzeitmodelle gemäß Nds. ArbZVO-Schule, Einsatz von Arbeitszeitkonten). Daher kann eine Lehrkraft aus unterschiedlichsten Beweggründen – z. B. familiäre Situation, individuelle Lebensplanung – im Rahmen der dienstrechtlichen Regelungen selbst entscheiden, wann sie den aktiven Schuldienst beenden will. Und das entspricht auch gelebter Praxis.


          Von diesen Regelungen wird umfänglich Gebrauch gemacht. Die Werte ab dem Schuljahr 2015/2016 sind daher nur wenig aussagekräftig und daher nicht für die Einstellungsverfahren geeignet.


          Weil das so ist, führt mein Haus auf Basis der tatsächlich ausscheidenden Lehrkräfte aufwändige Berechnungen jeweils für das Folgejahr durch. Es ist beabsichtigt, die in diesem Rahmen ermittelte Anzahl von frei werdenden Stellen im Rahmen der Einstellungsverfahren zur Wiederbesetzung zuzuweisen.


          Zu 2:


          Das Bewerbungs- und Auswahlverfahren für die Einstellung von Lehrkräften im Rahmen des Verfahrens zum Einstellungstermin 01.02.2016 erfolgt auf Basis der rechtlichen Regelungen. Das Einstellungsverfahren zum Einstellungstermin 01.02.2016 startete am 14.09.2015 und endet voraussichtlich Ende Februar/Anfang März 2016. Es umfasst daher einen Zeitraum von rund fünf Monaten – wie in allen anderen Jahren auch.


          Aus heutiger Sicht werden die noch freien Stellen bis zum Abschluss des Verfahrens besetzt sein.


          Möglichkeiten der Nachsteuerung stehen durch die sog. „MK-Reserve“ zur Verfügung. Nach einer aktuellen Auswertung aus dem Planungsinstrument zum 01.02.2016 liegt der Bezugswert für die Personalplanung bei rund 100 %.


          Ich unterstreiche an dieser Stelle noch einmal ausdrücklich, dass die über den 2. Nachtragshaushalt zur Verfügung gestellten Mittel insbesondere der Beschulung der neu zugewanderten Flüchtlingskinder und jugendlichen Flüchtlinge dienen. Wer hier heute noch immer die Frage danach stellt, ob es denn der Bereitstellung dieser Mittel überhaupt bedurfte, hat die Herausforderungen, denen sich unsere Schulen tagtäglich stellen, noch immer nicht begriffen.


          Zu 3:


          Die Schülerprognose wird jährlich aufgrund der Daten des letzten Stichtages und der 12. oder 13. koordinierten Bevölkerungsvorausschau angepasst. Diese wird im Übrigen in der Broschüre „Die niedersächsischen allgemein bildenden Schulen in Zahlen“ veröffentlicht. Zunächst wurde demnach im Schuljahr 2015/2016 von 841.000 Schülerinnen und Schülern ausgegangen. In dieser Zahl waren die Flüchtlinge noch nicht enthalten.


          Für 2016/2017 werden 825.000 Schülerinnen und Schüler prognostiziert, in dieser Zahl sind die Flüchtlingszahlen nicht enthalten,


          Das Kultusministerium orientiert sich bei der Zahl der Flüchtlingskinder und der jugendlichen Flüchtlinge an den Prognosezahlen des Innenministeriums, das wiederum die Prognosen des BAMF zugrunde legt.


          Die bisherige offizielle Prognose geht von rund 800.000 Flüchtlingen in Deutschland bzw. 80.000 Flüchtlingen in Niedersachsen aus – sowohl für dieses als auch für das nächste Jahr. Nicht offiziell bestätigte Schätzungen gehen von rund 1 Million bundesweit bzw. 100.000 Flüchtlingen für Niedersachsen aus. Erfahrungsgemäß sind etwa 1/3 dieser Flüchtlinge zwischen 0 und 18 Jahren. Von dieser Zahl wiederum befinden sich schätzungsweise 2/3 im schulpflichtigen Alter. Dies würde einer nicht gesicherten Prognose von rund 18.000 bis 20.000 Schülerinnen und Schülern mit Flüchtlingshintergrund entsprechen, die im nächsten Jahr an niedersächsische Schulen kommen könnten.

          Artikel-Informationen

          erstellt am:
          16.12.2015

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