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Toleriert die Landesregierung Wahlkampfwerbung durch einen Landesbeamten?

Antwort auf die mündliche Anfrage: Toleriert die Landesregierung Wahlkampfwerbung durch einen Landesbeamten?

Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 27.06.2014 TOP 31 Nr. 24

Die Abgeordnete Karin Bertholdes-Sandrock (CDU) hatte gefragt:

In der Landeszeitung Lüneburg erschien am 14. Mai 2014 eine Unterstützeranzeige für den SPD-Landratskandidaten Manfred Nahrstedt. Zu sehen war in der Anzeige ein Mitarbeiter der Niedersächsischen Landesschulbehörde. Sein Name war vermerkt, ebenso wie seine Amtsbezeichnung „Regierungsschuldirektor“. Die Anzeige enthielt den Text „Ich wähle am 25.05. Manfred Nahrstedt, weil ich seine Verlässlichkeit schätze.“ Die Anzeige erschien ebenfalls auf der Internetseite des Landrats (http://www.manfred-nahrstedt.de/content/434324.php) in einer Reihe mit anderen Unterstützeranzeigen wie zum Beispiel der SPD-Bundestagsabgeordneten Hiltrud Lotze und der SPD-Landtagsabgeordneten Andrea Schröder-Ehlers.

§ 33 Abs. 2 des Beamtenstatusgesetzes als Ergänzung zum Niedersächsischen Beamtengesetz regelt die Rolle des Beamten als Bürger. Nach der genannten Vorschrift haben Beamtinnen und Beamte bei politischer Betätigung diejenige Mäßigung und Zurückhaltung zu wahren, die sich aus ihrer Stellung gegenüber der Allgemeinheit und aus der Rücksicht auf die Pflichten ihres Amtes ergibt. Dem Beamten obliegt es nach den Gesetzeskommentierungen, seine politische Betätigung von seinem Amt als Beamter zu trennen (vgl. Plog/Wiedow, Kommentar zum Bundesbeamtenge-setz, Beamtenstatusgesetz, Stand November 2012, § 33 Rn. 4).

Nach allgemeiner Rechtsauffassung untersagt das Gebot der freien Wahl, das sich aus Artikel 28 Abs. 1 Satz 2 GG in Verbindung mit Artikel 57 Abs. 2 Satz 1 der Niedersächsischen Verfassung ergibt, staatlichen und gemeindlichen Organen, sich in amtlicher Funktion vor Wahlen mit politischen Parteien oder Wahlbewerberinnen und Wahlbewerbern zu identifizieren und sie als Amtsträger zu unterstützen oder zu bekämpfen, und gewährleistet damit Wählerinnen und Wählern einen freien und offenen Prozess der Meinungsbildung (vgl. Peter J. Tettinger/Kyrill-A. Schwarz in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Kommentar zum Grundgesetz, Band 2, 2010, Artikel 28 Rn. 111).

Ich frage die Landesregierung:

1. Ist es aus der Sicht der Landesregierung rechtlich zulässig, wenn ein Landesbeamter unter Nennung seiner Amtsbezeichnung für einen SPD-Kandidaten wirbt?

2. Seit wann hat die Landesregierung Kenntnis von der Unterstützeranzeige des Beamten?

3. Wird die Landesregierung gegen den Beamten dienstrechtliche Schritte einleiten, gegebenenfalls welche?

Antwort der Niedersächsischen Kultusministerin Frauke Heiligenstadt:

Für Beamtinnen und Beamte gilt das in § 33 Abs. 1 Satz 2 Beamtenstatusgesetz verankerte Neutralitätsgebot sowie das in § 33 Abs. 2 Beamtenstatusgesetz statuierte Gebot politischer Mäßigung und Zurückhaltung. Nach diesen Vorschriften haben Beamtinnen und Beamte ihre Aufgaben unparteiisch und gerecht zu erfüllen und ihr Amt zum Wohl der Allgemeinheit zu führen. Sie haben bei politischer Betätigung diejenige Mäßigung und Zurückhaltung zu wahren, die sich aus ihrer Stellung gegenüber der Allgemeinheit und aus der Rücksicht auf die Pflichten ihres Amtes ergibt.

Jedoch gilt auch für Beamtinnen und Beamte die Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 des Grundgesetzes. Nach der Rechtsprechung des OVG Niedersachen ist es dementsprechend nicht ausgeschlossen, dass sich staatliche und kommunale Amtsträger nicht nur als Wähler an der Wahl beteiligen, sondern sich in ihrer Eigenschaft als Bürger im Wahlkampf äußern. Sie dürfen sich folglich aktiv am Wahlkampf mit Auftritten, Anzeigen oder Wahlaufrufen beteiligen. Die Neutralitätspflicht wird allerdings dann überschritten, wenn in amtlicher Eigenschaft Wahlempfehlungen zugunsten einer Partei oder eines Wahlbewerbers abgegeben werden (OVG Lüneburg, Urt. v. 26.03.2008 - 10 LC 203/07 -).

Bei der Frage, ob sich die betreffende Amtsinhaberin oder der betreffende Amtsinhaber in einem Wahlkampf in amtlicher Funktion oder nur als Privatperson oder Parteimitglied geäußert hat, liegt eine amtliche Äußerung regelmäßig dann vor, wenn sie ausdrücklich in einer amtlichen Eigenschaft abgegeben worden ist oder wenn sich aus anderen Umständen ergibt, dass die Äußerung im Wahlkampf amtlichen Charakter hat. Schließlich ergibt sich ein amtlicher Charakter einer Äußerung auch aus ihrem Inhalt, insbesondere dann, wenn amtliche Autorität oder eine durch das Amt erworbene Beurteilungskompetenz in Anspruch genommen werden, um einer Wahlaussage oder Wahlempfehlung Nachdruck zu verleihen.

Die Nennung oder Hervorhebung der Amtsträgereigenschaft als solche stellt hingegen keine Verletzung des Neutralitätsgebotes dar, weil die bloße Verwendung der Amtsbezeichnung einen sonst privaten Charakter einer Äußerung der Amtsträgerin oder des Amtsträgers nicht ohne Weiteres aufhebt.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich namens der Landesregierung die Fragen im Einzelnen wie folgt:

Zu 1:

Wie in der Vorbemerkung ausgeführt, ist eine außerdienstliche Meinungsäußerung einer Landesbeamtin oder eines Landesbeamten zu politischen Fragen grundsätzlich durch Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Grundgesetz geschützt. Sie dürfen sich nicht nur als Wählerinnen und Wähler an einer Wahl beteiligen, sondern sich in ihrer Eigenschaft als Bürgerinnen und Bürger im Wahlkampf äußern und von ihrem Recht auf freie Meinungsäußerung Gebrauch machen. Das Recht zur Nennung der Amtsbezeichnung auch im privaten Bereich ist darüber hinaus von den Beamtenstatusrechten geschützt und hebt den privaten Charakter der Äußerung nicht ohne Weiteres auf.

Zu 2:

Die Landesregierung hat im Zusammenhang mit der vorliegenden Anfrage Kenntnis von der Anzeige des Beamten erhalten.

zu 3:

Die zuständige Niedersächsische Landesschulbehörde nimmt derzeit eine Prüfung des Einzelfalls vor, in der untersucht wird, ob die Nennung der Amtsbezeichnung in der in Frage stehenden Anzeige konkret geeignet war, den privaten Charakter der Äußerung aufzuheben. Das abschließende Ergebnis der Einzelfallprüfung bleibt abzuwarten.

Artikel-Informationen

erstellt am:
27.06.2014

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