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Vertrag mit muslimischen Verbänden - wen vertreten DITIB und SCHURA?

Abgeordneter Björn Thümler (CDU)


Antwort des Niedersächsischen Kultusministeriums namens der Landesregierung


Vorbemerkung des Abgeordneten


Die rot-grüne Landesregierung verhandelt mit den muslimischen Verbänden DITIB und SCHURA über einen Vertrag, in dem Details zu zahlreichen Fragen, wie z. B. Moscheebau, Gebetsmöglichkeiten in Schulen, Bestattungswesen und Feiertage, geregelt werden sollen. Der Vertragsentwurf sieht die Zahlung von 100 000 Euro pro Jahr an die Verbände als „Anschubfinanzierung“ zum Aufbau einer Geschäftsstelle vor. Diese Mittel sollen ferner laut Text des Vertragsentwurfs „die erfolgreiche Umsetzung dieses Vertrages erleichtern“.


Kultusministerin Frauke Heiligenstadt (SPD) hat in einer Pressekonferenz am 14. Dezember 2015 gesagt, genaue Zahlen zur Anzahl der in Niedersachsen lebenden Muslime lägen ihr nicht vor. Sie gehe aber davon aus, dass die Verbände den „Großteil“ bzw. „mehr als die Hälfte“ der Muslime in Niedersachsen verträten (Nordwest-Zeitung bzw. Neue Presse vom 15. Dezember 2015).


Vorbemerkung der Landesregierung


Die Landesregierung verhandelt seit Oktober 2013 mit den Islamischen Religionsgemeinschaften DITIB Niedersachsen und Bremen e. V. und Schura Niedersachsen - Landesverband der Muslime e. V. sowie der Religionsgemeinschaft der Alevitischen Gemeinde Deutschland e. V. über den Abschluss von Verträgen zur Gestaltung und Pflege der gegenseitigen Beziehungen. Die Vertragsentwürfe enthalten u. a. eine Regelung über die Zahlung von jährlich bis zu 100.000 Euro für die Dauer von fünf Jahren unter den Voraussetzungen der §§ 23 und 44 LHO als Anschubfinanzierung zum Aufbau einer Geschäftsstelle.


Der Landesregierung liegen keine statistischen Daten darüber vor, wie viele Musliminnen und Muslime derzeit in Niedersachsen leben. Im Rahmen ihres grundgesetzlich nach Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 3 der Weimarer Reichsverfassung garantierten Selbstbestimmungsrechts sind die Religionsgemeinschaften auch hinsichtlich ihrer Organisationsstruktur frei. Den kirchlichen Melderegistern vergleichbare Strukturen gibt es bei den islamischen Religionsgemeinschaften in der Regel nicht. Aufgrund ihres Selbstbestimmungsrechts unterliegen die Religionsgemeinschaften insoweit auch keiner staatlichen Aufsicht. Daraus folgt, dass die Landesregierung nur in beschränktem Umfang Einblick in die Verhältnisse und Strukturen von Religionsgemeinschaften nehmen und auch keine Vorgaben machen kann. Vor diesem Hintergrund bestehen für Religionsgemeinschaften weder Melde- noch Registrierungspflichten hinsichtlich einzelner Mitglieder oder Anhänger.


1. Wie viele Muslime leben derzeit in Niedersachsen?


Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) hat im Jahr 2009 in einer bundesweiten Studie „Muslimisches Leben in Deutschland im Auftrag der Deutschen Islam Konferenz“ Zahlen erhoben. Danach wohnten im Jahr 2008 zwischen 3,8 und 4,3 Millionen Musliminnen und Muslime in Deutschland. Bezogen auf eine Gesamtbevölkerung von rund 82 Millionen folgt daraus für die Musliminnen und Muslime ein prozentualer Anteil zwischen 4,6 und 5,2 %. Der für Niedersachsen ermittelte Anteil der im Bundesgebiet lebenden Musliminnen und Muslime lag nach dieser Studie bei rund 6,2 %, was im Ergebnis ca. 250.000 Personen entsprechen würde. Die genannten Zahlen beruhen allerdings durchweg auf Schätzungen. Ergänzend wird auf die Vorbemerkung der Landesregierung verwiesen.


2. Wie viele dieser Muslime sind nachweislich als Mitglied bei DITIB – Landesverband der Islamischen Religionsgemeinschaften Niedersachsen und Bremen registriert?


Den Islamischen Religionsgemeinschaften DITIB Niedersachsen und Bremen e. V. und Schura Niedersachsen - Landesverband der Muslime e. V. gehören nach eigenen Aussagen zusammen rund 170 Moscheegemeinden in Niedersachsen an. Daneben gibt es in Niedersachsen nach Aussage von DITIB schätzungsweise weitere 10 bis 15 Moscheegemeinden, die weder DITIB noch Schura angehören. Daten darüber, wie viele der in Niedersachsen lebenden Musliminnen und Muslime Mitglieder der von DITIB und Schura vertretenen Gemeinden sind, liegen der Landesregierung aus den in der Vorbemerkung der Landesregierung genannten Gründen nicht vor. Dabei ist erneut darauf hinzuweisen, dass das Selbstbestimmungsrecht der Religionsgemeinschaften verfassungsrechtlich verankert ist.


Anhaltspunkte ergeben sich allenfalls aus einer vom Niedersächsischen Kultusministerium in Auftrag gegebenen religionsverfassungsrechtlichen Prüfung von Juli 2015, wonach aufgrund einer Schätzung bzw. Hochrechnung für die Mitgliedsgemeinden der DITIB in Niedersachsen und Bremen von einer Mitgliederzahl von 55.200 auszugehen sei. Neben den Mitgliedern würden die DITIB-Moscheen nach Aussage der Religionsgemeinschaft aber noch von weiteren Personen besucht. Die Religionsgemeinschaft widme sich gezielt auch der seelsorgerischen Betreuung dieser Personengruppe, die sich aus ca. 82.800 Personen zusammensetzen soll. Auf dieser Grundlage käme man zu dem Ergebnis, dass die Islamische Religionsgemeinschaft DITIB Niedersachsen und Bremen e. V. ca. 138.000 Musliminnen und Muslime betreut.


Im Übrigen wird auf die Vorbemerkung der Landesregierung verwiesen.


3. Wie viele dieser Muslime sind nachweislich als Mitglied bei SCHURA Niedersachsen – Landesverband der Muslime e.V. registriert?


Für Schura Niedersachsen - Landesverband der Muslime e. V. geht die in der Antwort zu 2 genannte Prüfung von etwa 10.800 derzeit in Niedersachsen mitgliedschaftlich erfassten Musliminnen und Muslimen aus, wobei dies – nach einer Schätzung von Schura – nur ca. 20 % derjenigen Personen entspreche, die den Gemeinden der Religionsgemeinschaft angehörten. Legt man die letztgenannte Schätzung zugrunde, käme man insgesamt auf eine von Schura Niedersachsen - Landesverband der Muslime e.V. vertretene Personengruppe von 54.000. Ergänzend wird auf die Antwort zu 2 und die Vorbemerkung der Landesregierung verwiesen.

Artikel-Informationen

erstellt am:
19.02.2016

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