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Rede der Niedersächsischen Kultusministerin Frauke Heiligenstadt zu TOP 16 der Landtagssitzung am 06.04.2017


TOP 16

Mehrsprachigkeit fördern - Angebote an Niedersachsens Schulen ausbauen!


Es gilt das gesprochene Wort!


Anrede,

den Entschließungsantrag „Mehrsprachigkeit fördern“ von SPD und Bündnis 90 / Die Grünen begrüße ich aus der fachlichen Sicht als Kultusministerin ausdrücklich. Wir haben bereits einige wichtige Schritte in die darin formulierte Richtung getan.

Als erstes Beispiel möchte ich da den herkunftssprachlichen Unterricht an Grundschulen nennen. Hier verfolgen wir - anders als einige andere Bundesländer - eine klare Linie hin zum Unterricht in Verantwortung des Landes. Anders als vor zehn Jahren gibt es in Niedersachsen fast keinen so genannten Konsulatsunterricht mehr, also Unterricht im Auftrag von Herkunftsländern, der nicht der Aufsicht meines Ministeriums und damit der Aufsicht des Landes untersteht.

Am deutlichsten wird das am Beispiel des Türkischunterrichts. Wir haben 51 herkunftssprachliche Lehrkräfte für Türkisch im Landesdienst an Grundschulen, die im Schuljahr 2015/2016 insgesamt 4.379 Schülerinnen und Schüler unterrichteten. Ihnen stand bzw. steht nur noch eine Konsulatslehrkraft für Türkisch gegenüber. Der herkunftssprachliche Unterricht in Landesverantwortung wird durch die Erwähnung im Zeugnis anerkannt - eine wichtige Forderung in dem Antrag „Mehrsprachigkeit fördern“.

Wir wollen dieses Angebot für die Schülerinnen und Schüler dadurch stärken, dass wir das

Fortbildungsangebot für die herkunftssprachlichen Lehrkräfte verbessern. So wird beispielsweise für diesen Herbst eine Fortbildung für herkunftssprachliche Lehrkräfte für Türkisch geplant. Die Lehrkräfte sollen noch besser lernen, das landeseigene Kerncurriculum für den herkunftssprachlichen Unterricht in ihrer Sprache umzusetzen.

Anrede,

wir begnügen uns aber nicht mit dem herkunftssprachlichen Unterricht an der Grundschule, sondern wir bereiten vielmehr die Weiterentwicklung an den weiterführenden Schulen vor.

Grundlage dafür ist der Runderlass „Förderung von Bildungserfolg und Teilhabe von Schülerinnen und Schülern nichtdeutscher Herkunftssprache“ vom 01.07.2014. Danach sind Herkunftssprachen im Sekundarbereich I als Fremdsprachen der Schülerschaft insgesamt zugänglich zu machen.

Dafür sind zwei Bedingungen zu erfüllen: Wir benötigen qualifizierte Lehrkräfte und wir müssen das Fremdsprachen-Gesamtangebot behutsam anpassen.

Nehmen wir als Beispiel wieder die türkische Sprache:

Kompetente Türkisch-Lehrkräfte für die weiterführenden Schulen müssen zunächst ausgebildet werden. Türkisch für das Lehramt wird jedoch zurzeit an keiner niedersächsischen Hochschule angeboten. Deshalb sind wir auf Unterstützung aus Nordrhein-Westfalen angewiesen, wo Zehntausende von Schülerinnen und Schüler einen regulären Unterricht in Türkisch als Fremdsprache besuchen und diese Sprache bis ins Abitur fortführen können.

Das Institut für Turkistik der Universität Duisburg-Essen, an dem die Lehrkräfte für Türkisch als Fremdsprache in NRW ausgebildet werden, hat für Niedersachsen ein Konzept für die Qualifizierung von bereits im Schuldienst tätigen Lehrkräften mit guten Türkischkenntnissen entwickelt. Das Konzept wird zurzeit vom Niedersächsischen Landesinstitut für schulische Qualitätsentwicklung geprüft und soll möglichst bald umgesetzt werden.

Anrede,

für die Akzeptanz neuer Sprachen in der Schule ist es außerdem wichtig, dass sie ihren Platz in einem Gesamtkonzept schulischer Fremdsprachen finden. Die IGS Linden in Hannover liefert dafür ein sehr positives Beispiel: Dort ist Türkisch eine der angebotenen Wahlsprachen ab dem 6. Jahrgang. Das Angebot nahmen im vergangenen Schuljahr insgesamt 84 Schülerinnen und Schülern der Klassen 6 bis 10 wahr.

Damit dieses Beispiel Schule machen kann, brauchen wir eine breite Fachdiskussion und Abstimmung mit den anderen zweiten und dritten Fremdsprachen. Die Stellung von Englisch als erste Fremdsprache ist davon unberührt.

Beim Angebot für die zweite Fremdsprache müssen Lösungen gefunden werden, die die Fortführung des Unterrichts bis zu Abschlussprüfungen sicherstellen. Gerade wenn das Angebot Wertschätzung ausdrücken soll, darf die Sprachenwahl nicht in eine Sackgasse führen.

Wir planen für den Herbst 2017 eine Fachtagung zum Thema „Mehr Mehrsprachigkeit wagen?“, die ganz bewusst alle Fremdsprachen außer Englisch einbeziehen soll: die drei „großen“ Sprachen Französisch, Latein und Spanisch, aber auch die „kleinen“ Sprachen wie Chinesisch, Italienisch, Japanisch, Niederländisch, Polnisch, Russisch und Türkisch.

Anrede,

Sie sehen, wir sind auf den Weg schon ein ganzen Stück vorangekommen und gehen weiter, um ein Mehr an Mehrsprachigkeit zu fördern und dabei die Herkunftssprachen unserer zugewanderten Mitbürgerinnen und Mitbürger und ihrer Kinder zu berücksichtigen. Denn gerade dies ist eine wichtige Voraussetzung für den Erwerb der deutschen Sprache. Wer seine Muttersprache nicht korrekt beherrscht, hat auch Schwierigkeiten damit, eine weitere Sprache zu erlernen. Damit ist der herkunftssprachliche Unterricht auch ein wichtiger Betrag zur Integration in unserer Gesellschaft.

Wir tun das mit Augenmaß und erhoffen uns dabei langfristig die Unterstützung aller Fraktionen in diesem Hause. Denn nur gemeinsam können wir eine Kultur der Wertschätzung für die mitgebrachten Kenntnisse und Kompetenzen der Kinder und Jugendlichen mit Migrationsgeschichte aufbauen und am Leben erhalten.

Gerade, wer diese Wertschätzung selbst erfährt, erwidert sie durch Identifikation mit und Engagement in der deutschen Mehrheitsgesellschaft.

Vielen Dank!

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Artikel-Informationen

erstellt am:
06.04.2017

Ansprechpartner/in:
Tanja Meister

Nds. Kultusministerium
Stellvertretende Pressesprecherin
Schiffgraben 12
30159 Hannover
Tel: 0511 120 7145

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