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erstellt am:
18.02.2016
„Rot-grüner Verfassungsbruch - Akzeptiert die Regierung Weil die demokratischen Spielregeln?“
Es gilt das gesprochene Wort!
Anrede,
mit Urteil vom 29.01.2016 hat der Niedersächsische Staatsgerichtshof erstmals Maßstäbe entwickelt, wie der Begriff der „Unverzüglichkeit“ in Artikel 24 Abs. 1 der Niedersächsischen Verfassung auszulegen ist, sofern es um Kleine Anfragen zur schriftlichen Beantwortung geht. Selbstverständlich wird die Landesregierung dem Folge leisten.
Das Gericht hat die besondere Bedeutung des parlamentarischen Fragerechts betont und dies vor dem Hintergrund, dass die Anzahl der Kleinen Anfragen in dieser Legislaturperiode gegenüber der vorigen sehr stark angewachsen ist, mit der Feststellung verbunden, dass die Abgeordneten und die Fraktionen gehalten sind, [Zitat] „die Effektivität des wichtigen Instruments der Kleinen Anfrage durch einen nach Anlass, Anzahl und Umfang verantwortungsbewussten Umgang dauerhaft zu sichern“ [Zitat Ende].
Das Gericht hat der Landesregierung ferner ausdrücklich aufgegeben, den zur Beantwortung einer Anfrage zu betreibenden Ermittlungsaufwand im Rahmen einer Pflichtenabwägung zu prüfen. [Zitat] „… umständliche und extrem zeitaufwändige Recherchen muss sie [also: die Landesregierung] mit Blick auf die Erkenntnischancen und den Zeitbedarf hinterfragen“ [Zitat Ende]. Darin sehen weder das Gericht noch die Landesregierung einen Widerspruch zum Gebot der vollständigen Beantwortung.
Bereits unmittelbar nach der Urteilsverkündung hat der Chef der Staatskanzlei öffentlich erklärt, dass die Landesregierung die im Urteil des Staatsgerichtshofs neu entwickelten Maßstäbe über die entschiedenen Einzelfälle hinaus ab sofort für alle Kleinen Anfragen anwenden wird.
Die Landesregierung hat die zum Zeitpunkt des Urteils offenen Anfragen, für die aufgrund des von den Fragestellern ausgelösten Rechercheaufwands eine Antwort nicht innerhalb eines Monats gegeben werden konnte, zwischenzeitlich mit wenigen Ausnahmen beantwortet. Mit Schreiben vom 12.02.2016 hat die Staatskanzlei sowohl der CDU- als auch der FDP-Fraktion mitgeteilt, dass auch für die wenigen noch offenen Schriftlichen Anfragen die ursprünglich angezeigten Fristverlängerungen nicht ausgeschöpft werden, und für jede dieser Anfragen jeweils einen neuen Antworttermin benannt.
Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Anfrage im Einzelnen wie folgt:
Zu 1:
Der Niedersächsische Staatsgerichtshof hat in seinem Urteil vom 29.01.2016 einen Leitsatz formuliert, den ich Ihnen gerne vorlese, weil er für den von Ihnen in Ihrer Vorbemerkung geschilderten Fall einschlägig ist.
Dieser Leitsatz lautet:
„Die Landesregierung hat im Spannungsverhältnis zwischen Vollständigkeit und Unverzüglichkeit einer Antwort auf Kleine Anfragen die Recherchetiefe unter Berücksichtigung der mutmaßlichen Interessen des Fragestellers sachgerecht zu bestimmen, den Beantwortungsvorgang zweckmäßig zu organisieren und im Konfliktfall zwischen der Pflicht zur unverzüglichen Antwort und konkurrierenden Aufgaben der Landesregierung verfassungskonform zu priorisieren. Bei der Erfüllung und Abwägung dieser Pflichten kommen der Landesregierung Einschätzungsspielräume zu.“
Bevor ich auf diesen Leitsatz zurückkomme, möchte ich zunächst einmal die in der Vorbemerkung des Fragestellers genannten Daten richtigstellen bzw. ergänzen, denn diese Dringliche Anfrage ist ja von Fristen und Terminen getragen:
Die Kleine Anfrage „Unterrichtsversorgung an den allgemeinbildenden Schulen in freier Trägerschaft“ datiert - ausweislich der Drucksache 17/5059 - zwar auf den 26.11.2015, sie ist der Staatskanzlei allerdings erst am 03.12.2015 – mithin eine Woche später - mit der Bitte um Beantwortung durch die Landesregierung übersandt worden. Diese aufgezeigte zeitliche Verzögerung kann man der Landesregierung keinesfalls anlasten, denn das zuständige Ressort sollte die Fragen kennen, die es beantworten soll.
Am 29.12.2015, d. h. vor Ablauf eines Monats nach Eingang bei der Landesregierung, wurde seitens des Kultusministeriums um eine Fristverlängerung gebeten. Ferner wurde der Fragesteller über die Bitte um Fristverlängerung zu der Kleinen Anfrage „Unterrichtsversorgung an den allgemein bildenden Schulen“, deren Fragesteller ebenfalls auch er war, am 22.01.2016, d. h. noch vor Beantwortung der in Rede stehenden Anfrage zu den Schulen in freier Trägerschaft am 26.01.2016, davon in Kenntnis gesetzt, dass Auskünfte zur Unterrichtsversorgung erst Mitte Februar 2016 gegeben werden können.
Folglich wäre eine „Gesamtantwort“ der Anfrage zu den Schulen in freier Trägerschaft erst nach Vorlage und Auswertung der geprüften Statistik Mitte Februar 2016 möglich gewesen; gleichwohl wurde aber schon im Januar auf die im Mittelpunkt der Anfrage stehenden Fragen geantwortet.
Eine weitere Verschiebung der Beantwortung bis Mitte Februar hätte offenkundig den mutmaßlichen Interessen des Fragestellers nicht genügt, denn die Frage nach der Unterrichtsversorgung der Schulen in freier Trägerschaft war lediglich ein Teilaspekt der Anfrage. Im Fokus der Anfrage standen vielmehr Fragestellungen zum Lehrkräfteaustausch zwischen öffentlichen Schulen und Schulen in freier Trägerschaft und zur Finanzhilfe (Inklusion und Ganztag). Hier galt es, die notwendigen Hintergrundinformationen umgehend zu liefern, insbesondere auch, um diverse in der Anfrage nicht zutreffende Behauptungen oder Annahmen zu den Vorschriften in den §§ 150 und 152 NSchG umgehend auszuräumen.
Die Angaben zur Unterrichtsversorgung an den allgemein bildenden Schulen wurden dem Fragesteller sodann in den Drucksachen 17/5153 und 17/5150 zwei Wochen später nachgereicht. Schließlich war für die gestaffelte Antwort auch maßgeblich, dass die Unterrichtsversorgung an den Schulen in freier Trägerschaft nur bedingt mit der Unterrichtsversorgung an den öffentlichen Schulen vergleichbar und zu ihr in Beziehung steht, was in den Vorbemerkungen zu den Antworten in den Drucksachen 17/5153 und 17/5130 deutlich zum Ausdruck gebracht wird.
Um dem Fragesteller eine Größenordnung der von ihm erbetenen Angaben zu vermitteln, wurden ihm die Daten des Vorjahres genannt. In diesem Zusammenhang sei erwähnt, dass der Fragesteller in seiner Anfrage eine „schlechte Ausstattung“ der freien Schulen kritisiert, obgleich der landesweite Durchschnitt der Unterrichtsversorgung laut Antwort mit 111, 5 % angegeben werden konnte. Im Hinblick auf den eingangs zitierten Leitsatz aus dem Staatsgerichtshofurteil bedeutet das:
Das Kultusministerium hat das vom Staatsgerichtshof skizzierte Spannungsverhältnis zwischen „Vollständigkeit“ und „Unverzüglichkeit“ so aufgelöst, dass dem mutmaßlichen Interessen des Fragestellers folgend zunächst die Kernfragen beantwortet wurden und ihm späterhin eine Antwort auf die Ergänzungsfrage gegeben wurde. Dieser Einschätzungsspielraum wird der Landesregierung bei der Erfüllung und Abwägung der Antwortpflicht zugestanden. Nach alledem ist die Anfrage im Sinne des vielzitierten Urteils des Staatsgerichtshofs als vollständig und unverzüglich beantwortet anzusehen.
Zu 2:
Die Antwort lautet: Nein.
Die Landesregierung wird sich weiterhin nach Kräften bemühen, parlamentarische Anfragen zügig und umfassend zu beantworten. Sie wird ihre Antworten aber auch zukünftig - und darin gibt ihr das Urteil ausdrücklich Recht - mit Rücksicht auf ihre weiteren zahlreichen Aufgaben geben.
Lassen Sie mich zunächst darstellen, welche Grundsätze der Staatsgerichtshof in seiner Entscheidung aufgestellt hat:
Gemäß Artikel 24 Abs. 1 unserer Landesverfassung muss die Landesregierung parlamentarische Anfragen gleichermaßen unverzüglich wie vollständig beantworten. Die Antwort muss also ebenso schnell wie umfassend ausfallen. Dass hier ein Spannungsverhältnis besteht, liegt auf der Hand: Je schneller eine Antwort erfolgen soll, umso weniger Zeit bleibt für Ermittlungen und Auswertungen. Je umfassender die Antwort ausfällt, umso längere Zeit nimmt die Bearbeitung in Anspruch.
Der Staatsgerichtshof hat dieses Spannungsverhältnis aufgegriffen. In seinem Urteil betont er, dass die Landesregierung die widerstreitenden Prinzipien der Schnelligkeit und Vollständigkeit gegeneinander abwägen muss. Das heißt: Die Landesregierung muss entscheiden, welchen Ermittlungsaufwand sie betreibt, um - im Hinblick auf das legitime Informationsinteresse des Landtags - eine zügige und zugleich möglichst vollständige Antwort geben zu können. Wörtlich heißt es dazu in der Entscheidung des Staatsgerichtshofs: „Naheliegende und schnell verfügbare Erkenntnismittel muss sich die Regierung sofort erschließen, umständliche und extrem zeitaufwendige Recherchen muss sie mit Blick auf die Erkenntnischancen und den Zeitbedarf hinterfragen.“
Dies hat die Landesregierung bereits in der Vergangenheit getan, und in dieser Praxis hat sie der Staatsgerichtshof bestätigt!
Anrede,
der Staatsgerichtshof hat einen weiteren wichtigen Gesichtspunkt besonders herausgestellt: Die Beantwortung parlamentarischer Anfragen ist nicht die einzige Aufgabe der Landesregierung und der ihr nachgeordneten Behörden. Sie muss bei der Beantwortung dafür Sorge tragen, dass andere ebenso wichtige Aufgaben weiterhin mit der gebotenen Geschwindigkeit und Sorgfalt erledigt werden. Dafür steht sie gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern - zu Recht - in der Pflicht. Parlamentarische Anfragen dürfen die Arbeit von Landesregierung, Verwaltung und Justiz nicht blockieren. Das Fragerecht ist daher nicht grenzenlos, sondern es unterliegt immanenten Schranken. Diese Schranken sind in jedem Einzelfall und unter Abwägung der widerstreitenden Interessen zu bestimmen.
Lassen Sie mich das Problem am Beispiel der von Ihnen angeführten Kleinen Anfrage zum Straftatbestand der illegalen Einreise verdeutlichen: Gefragt war unter anderem nach Einzelheiten des Verfahrens der Einstellung von strafrechtlichen Ermittlungsverfahren. Die Staatsanwaltschaft führt zu diesen Einzelheiten keine Statistik. Das heißt, die Daten sind nicht vorhanden. Eine Antwort auf die Frage hätte es daher erfordert, mehr als 4.000 - ich wiederhole: 4.000 - Ermittlungsakten einzeln auszuwerten. Dies hätte die Ermittlungstätigkeit der Staatsanwaltschaften in Niedersachsen über Tage und Wochen lahmgelegt. Staatsanwältinnen und Staatsanwälte wären in unvertretbarer Weise bei ihrer Arbeit für die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger dieses Landes behindert worden.
Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass die Landesregierung der Verfolgung von Straftätern ein höheres Gewicht beigemessen hat als Ihrem - zweifellos ebenfalls anerkennenswerten - Interesse, weitere Details zur Einstellung von Ermittlungsverfahren zu erfahren.
Vergleichbares gilt für eine weitere Frage zur Arbeit der Polizei. Auch hier hätten die gewünschten Informationen zu Vorstrafen, Haftbefehlen und weiteren polizeilichen bzw. geheimdienstlichen Erkenntnissen nur durch eine Einzelauswertung von mehr als 1.800 Polizeiakten ermittelt werden können. Die damit verbundene Belastung für die polizeiliche Arbeit war auch bei Abwägung mit dem parlamentarischen Informationsinteresse nicht hinzunehmen.
Anrede,
das parlamentarische Fragerecht ist - wie Sie sehen - nicht unbegrenzt. Es genießt aber einen hohen Rang. Die Landesregierung bemüht sich daher nach Kräften, parlamentarische Anfragen so umfassend wie möglich und unter Nutzung aller vertretbaren Recherche- und Auswertungsmöglichkeiten zu beantworten. In Ihrer dringlichen Anfrage erwähnen Sie die Kleine Anfrage zur Unterrichtsversorgung an allgemein bildenden Schulen. Die Antwort auf diese Anfrage liefert ein Beispiel dafür. Das Kultusministerium hat den ihm vorliegenden Datenbestand mit erheblichem Arbeitsaufwand ausgewertet, geprüft und aufbereitet. Das zeigt einmal mehr die Bedeutung, die die Landesregierung dem parlamentarischen Informationsrecht beimisst.
Anrede,
dies führt mich zu einem letzten Aspekt der Entscheidung des Staatsgerichtshofs: Der Staatsgerichtshof hat sich in seiner Entscheidung nicht bloß an die Landesregierung gewandt. Er hat zugleich die Mahnung an die Abgeordneten und ihre Fraktionen gerichtet, „die Effektivität des wichtigen Instruments der Kleinen Anfrage durch einen nach Anlass, Anzahl und Umfang verantwortungsbewussten Umgang dauerhaft zu sichern.“
Lassen Sie uns in diesem Sinne gemeinsam für die Interessen des Landes arbeiten.
Zu 3:
Die Kleine Anfrage „Statistische Schuldaten“ (Drs. 17/4435) von Abgeordneten der FDP wurde am 12.10.2015 beim Landtag eingereicht. Die Anfrage „Unterrichtsversorgung an allgemeinbildenden Schulen im Schuljahr 2015/2016“ (17/4830) von Abgeordneten der CDU-Fraktion wurde am 09.12.2015 eingereicht. Am 16.12.2015 wurde die Kleine Anfrage „Der 5. Schuljahrgang im Schuljahr 2015/2016“ (Drs. 17/4889) von Abgeordneten der SPD vorgelegt. Bei diesen drei Anfragen handelt es sich bekanntermaßen um Anfragen, die jedes Jahr gestellt werden und die von der amtierenden Landesregierung erst dann beantwortet werden können, wenn die geprüfte Statistik zum Stichtag des ersten Schulhalbjahres vorliegt. Das ist praktisch regelmäßig frühestens Mitte/Ende Dezember des jeweiligen Jahres möglich.
Für die Beantwortung dieser drei Anfragen wurde vom Kultusministerium eine Fristverlängerung bis zum 10.02.2016 erbeten, weil die geprüfte Statistik - u. a. wegen des späten Beginns des Unterrichtsbetriebs nach den Sommerferien 2015 - nicht früher erstellt werden konnte und eine Prüfung und Bestätigung nicht vor dem genannten Termin zu erwarten war. Am 09.02.2016 lag die geprüfte und freigegebene Statistik vor, so dass die Auswertung im Sinne der genannten Anfragen und je nach Interessenlage der Fragesteller durchgeführt werden konnte. Am 09.02.2016 um 16.09 Uhr wurde vom Kultusministerium eine eineinhalbseitige Pressinformation, die im Wesentlichen nur die landesweit durchschnittliche Unterrichtsversorgung der öffentlichen allgemein bildenden Schulformen zum Stichtag 15.09.2015 bekanntgibt, über den Presseverteiler vermailt.
Am 10.02.2016 um 09.58 Uhr, also rund 17 Stunden später, wurde die Antwort auf die Anfrage „Statistische Schuldaten“ (Drs. 17/5150) an die Drucksachstelle des Landtags vermailt. Diese Antwort umfasst 575 Drucksachenseiten. Um 10.06 Uhr wurde die Antwort auf die Anfrage „Unterrichtsversorgung an allgemeinbildenden Schulen im Schuljahr 2015/2016“ (17/5153) an die Drucksachenstelle des Landtags gegeben. Diese Antwort umfasst 144 Drucksachenseiten. Schließlich wurde um 10.08 Uhr eine vierseitige Antwort „Der 5. Schuljahrgang im Schuljahr 2015/2016“ (Drs. 17/5151) an die Landtagsdrucksachenstelle versandt. Damit wurden auf 723 Seiten umfangreich und detailliert alle von den anfragenden Abgeordneten erbetenen Informationen gegeben. Und dies nicht zwei Tage nach einer Pressemitteilung, sondern lediglich wenige Stunden später. Im Übrigen nicht in einem auch nur annähernd vergleichbaren Umfang zur Pressemitteilung und auch nicht mit einem übereinstimmenden Informationsgehalt.
Anrede,
es macht doch wohl einen Unterschied, ob man lediglich zu acht Schulformen mit acht Zahlen die landesweit durchschnittliche Unterrichtsversorgung bekanntgibt oder ob man bis ins letzte Detail auf über 700 Drucksachenseiten Informationen über Schulformen, einzelne Schulen, Regionen usw. usw. liefert!
Die Landesregierung hat hier im Plenum wiederholt nachvollziehbar dargelegt, aufgrund welcher Umstände sie an einer früheren Beantwortung der Fragen zur Unterrichtsversorgung gehindert war.
Dies vorausgeschickt, stelle ich daher richtig:
Und ich stelle ferner fest:
Die geprüfte und freigegebene Statistik lag am 09.02.2016 vor. Die Antworten auf die auf der Grundlage dieser Statistik zu beantwortenden Kleine Anfragen wurden am frühen Morgen des 10.02.2016 durch den Vertreter der Amtschefin des MK schlussgezeichnet und sogleich an die Drucksachenstelle des Landtags abgegeben.
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erstellt am:
18.02.2016