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Rede des Niedersächsischen Kultusministers Grant Hendrik Tonne zu TOP 51 b der Landtagssitzung am 19.12.2019 - Fragestunde: „Drohen Schülern aus Niedersachsen Schulausschlüsse aufgrund der Impfpflicht?“ - AfD, Drs. 18/5336



Es gilt das gesprochene Wort!


Anrede,

Masern gehören zu den ansteckendsten Infektionskrankheiten. 2019 wurden in Deutschland bislang 504 Fälle registriert. Im gesamten Jahr 2018 betrug die landesweite Zahl der gemeldeten Erkrankungen 544 Fälle. Masern bringen häufig Komplikationen und Folgeerkrankungen mit sich, die im schlimmsten Fall zu einer tödlich verlaufenden Gehirnentzündung führen können. Eine Maserninfektion ist damit anders als vielfach angenommen keine „harmlose Kinder-Krankheit“. Den besten Schutz vor Masern bieten Impfungen; nur sie sorgen für eine lebenslange Immunität.

Bei einem ausreichend hohen Anteil Geimpfter kann die Erkrankung „eliminiert“ werden. Laut Weltgesundheitsorganisation [WHO] müssen hierfür 95 Prozent der Bevölkerung über einen ausreichenden Immunschutz verfügen. Hierdurch kann es dann zu keiner langfristigen Ausbreitung der Krankheit in einem definierten Gebiet mehr kommen, selbst wenn einzelne Personen erkranken.

Aufgrund der hohen Durchimpfungsquote in Niedersachsen, der schnellen und intensiven Reaktion der niedersächsischen Kommunen, insbesondere der Gesundheitsämter, und der intensiven Unterstützung der Kommunen durch das Landesgesundheitsamt kann für Niedersachsen festgehalten werden, dass es hier seit über drei Jahren zu keiner längerfristigen Übertragung von Masern mehr gekommen ist. Auch der seit über 15 Jahren größte Ausbruch in Niedersachen mit über 40 Fällen im Frühjahr dieses Jahres konnte Ende April unterbrochen werden. Die Kriterien der WHO für eine Elimination sind damit prinzipiell erfüllt. Bezogen auf ganz Deutschland ist dieser Nachweis jedoch noch nicht gelungen, weshalb Deutschland, neben anderen Mitgliedstaaten auch, noch nicht der Status „Masern eliminiert“ erteilt werden konnte.


Anrede,

nicht geimpft zu sein bedeutet nicht nur eine erhebliche Gefahr für das körperliche Wohlergehen der betroffenen Person. Sie kann im Falle einer Erkrankung auch andere Personen anstecken, die aufgrund ihres Alters, besonderer gesundheitlicher Einschränkungen oder aus anderen Gründen nicht geimpft werden können. Deshalb muss eine Impfung möglichst früh und dort ansetzen, wo Menschen täglich in engem Kontakt miteinander sind. Das ist typischerweise in Kindertagesstätten ebenso der Fall wie in Schulen.

Nach derzeitiger Rechtslage gibt es in Deutschland keine Impfpflicht gegen die Masernerkrankung, auch nicht bei dem Besuch von Kitas oder Schulen, und zwar weder für die Kita-Kinder, die Schülerinnen und Schüler noch für das Kita-Personal, die Lehrkräfte oder sonstigen Einrichtungsbediensteten.

Nach dem Infektionsschutzgesetz des Bundes treffen die örtlichen Gesundheitsämter - im Falle der Feststellung von Kranken, Krankheits-, Ansteckungsverdächtigen sowie früheren Erkrankten, die nach Abklingen der Krankheit noch Ansteckungsquelle sein können – sog. Ausscheidern – die notwendigen Schutzmaßnahmen, soweit und solange es zur Verhinderung der Verbreitung übertragbarer Krankheiten erforderlich ist.

Als notwendige Schutzmaßnahme kann ein Schulbetretungs- oder KiTa-Betretungsverbot eine geeignete Maßnahme nach dem Infektionsschutzgesetz darstellen, um ein weiteres Verbreiten der Masernkrankheit zu verhindern.

Um als Ansteckungsverdächtiger zu gelten, genügt es, wenn die Annahme, dass der Betroffene Krankheitserreger aufgenommen habe, wahrscheinlicher ist als das Gegenteil. Das ist aktuell schon so und wird auch nicht verändert.


Anrede,

der Deutsche Bundestag hat am 14. November 2019 mit breiter Mehrheit das Masernschutzgesetz verabschiedet. Das Gesetz soll zum 1. März 2020 in Kraft treten. Das Gesetz stellt nun nicht mehr auf einen Ansteckungsverdacht oder eine bereits ausgebrochene Masernerkrankung ab, sondern - bereits im Vorfeld - auf die Sicherstellung des gebotenen Impfschutzes.

Das Gesetz sieht zum einen im Hinblick auf schulpflichtige Kinder vor, dass vor Aufnahme in der ersten Klasse ein Nachweis vorgelegt werden muss, dass ausreichender Impfschutz oder eine Immunität gegen Masern vorliegt. Zum anderen regelt das Gesetz, dass ein entsprechender Nachweis für bereits in Schulen aufgenommene schulpflichtige Kinder bis zum 31.Juli 2021 zu erbringen ist.

Schulpflichtige Kinder können aber auch nach Inkrafttreten des Gesetzes bei nicht erfolgter Impfung gegen Masern nicht vom Schulbesuch ausgeschlossen werden. Bei Zuwiderhandlung gegen die Nachweispflicht in der Schule können Bußgelder erhoben werden.

Nicht, oder nicht mehr schulpflichtige Kinder sowie Kinder in Kitas, die keinen ausreichenden Impfschutz nachweisen können, dürfen die Einrichtung nicht besuchen.

Das Masernschutzgesetz bezieht ebenfalls das Kita-Personal sowie die Lehrkräfte und das sonstige schulische Personal mit ein, die allesamt ebenfalls ihren Impfschutz nachweisen müssen, soweit sie nach 1970 geboren sind.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Fragen wie folgt:


Frage 1:

[Wie vielen niedersächsischen Schülern und/oder Kindern, die eine Kita bzw. eine Schule besuchen, droht derzeit aufgrund eines nicht ausreichenden Impfschutzes ein Schul- bzw. Kitaausschluss?]

Derzeit werden Personen aus Gemeinschaftseinrichtungen ausgeschlossen, wenn es aufgrund eines Krankheitsausbruchs dort von Seiten des Gesundheitsamtes für erforderlich gehalten wird. Dies ist situationsabhängig und kann nicht pauschal beantwortet werden. Im Einzelfall muss ermittelt werden, um welche Krankheit es geht, wer gefährdet, ansteckungsverdächtig, krankheitsverdächtig oder krank ist. Auf dieser Grundlage werden dann die entsprechenden Schutzmaßnahmen erlassen.

Das Landesgesundheitsamt veröffentlicht jährlich den Bericht zu Impfquoten in Niedersachsen, wie sie durch die Kommunen im Rahmen der Schuleingangsuntersuchung erhoben werden. Danach konnten in 2018 97 Prozent der schulpflichtigen Kinder die 1. MMR-Impfung (MMR= Masern, Mumps, Röteln) und 93 Prozent die 2. MMR-Impfung vorweisen.

Eltern sind schon heute dazu verpflichtet, sich über Impfungen beraten zu lassen, bevor sie ihr Kind in eine Kindertagesstätte aufnehmen lassen. Diese Vorschrift wurde bereits 2015 vom Bund als „Vorstufe“ einer Impfpflicht im Infektionsschutzgesetz verankert. Die Landesregierung geht davon aus, dass dies bereits zu einer höheren Impfquote in Gemeinschaftseinrichtungen geführt hat und insofern nur noch wenige Menschen nicht adäquat geimpft sind.

Eine konkrete statistische Zahl wie vielen niedersächsischen Kindern ein Schul- oder Kitaausschluss aufgrund eines nicht ausreichenden Impfschutzes droht, kann nicht ermittelt werden.


Frage 2:

[Welche Maßnahmen ergreift die Landesregierung, um derlei Situationen entgegenzuwirken bzw. diese zu verhindern?]

Mit dem Ziel, die Impfquoten weiter zu erhöhen, hat die Landesregierung ein Impfprogramm „Impfen. Klar.“ aufgelegt. Bei dem Programm geht es darum, die Bereiche des Impfens zu identifizieren, in denen zukünftig Problem- oder Handlungsfelder gesehen werden und wo Aktivitäten und Maßnahmen sinnvoll sind bzw. wo auch bestehende Strukturen optimiert werden könnten. Bereits angestoßen wurden verschiedene Initiativen mit der Apotheker- und Ärzteschaft sowie mit den Betriebsärztinnen und -ärzten.

Hierfür hat die Landesregierung die Kampagne „Abgelaufen?“ entwickelt. Bürgerinnen und Bürger können sich in Arztpraxen oder Apotheken zum Impfschutz beraten lassen. Auf einem „Lesezeichen“ können fehlende Impfungen oder auch nur der nächste fällige Termin eingetragen und in den Impfpass eingelegt werden.

Das Sozial- und das Kultusministerium erstellen darüber hinaus gerade ein Lernmodul „Wissen schützt!“, das über 1.000 Schulen mit Schülerinnen und Schülern der 5.-10. Schuljahrgänge zur Verfügung gestellt wird. Die Schülerinnen und Schüler sollen an wissenswerte Informationen über ansteckende Krankheiten und deren Verhütung, und damit auch an das Thema Impfen, herangeführt werden.

Unabhängig davon wird der Entwurf zum Masernschutzgesetz auch in der Öffentlichkeit diskutiert. Die Aufmerksamkeit für Impfungen hat dadurch in den letzten Monaten zugenommen und die Landesregierung geht davon aus, dass Eltern sich seither über den Impfstatus ihrer Kinder informieren und fehlende Impfungen nachholen.

Im Hinblick auf mögliche Fragen zur Umsetzung des Masernschutzgesetzes erstellt das BMG gemeinsam mit dem Robert Koch-Institut und der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung ausführliche Informationsmaterialien. Erste Fragen sind bereits jetzt auf der Homepage des Bundesgesundheitsministeriums abrufbar. Gegebenenfalls wird die Landesregierung diese Hinweise durch eigene Informationen ergänzen.


Frage 3:

[Wie steht die Landesregierung zur Notwendigkeit der Impfpflicht für Schul- und Kindergartenkinder?]

Schule und Kindertagesstätten sollen und müssen sichere Räume sein. Es ist daher unsere Pflicht, Schülerinnen und Schüler sowie KiTa-Kinder vor potenziell tödlichen Viren zu schützen.

Masern gehören zu den ansteckendsten Infektionskrankheiten und sind, wie eingangs ausführte noch nicht eliminiert. Ein Masernausbruch kann jederzeit geschehen, wie die aktuellen Ereignisse belegen.

Zum Schutz der Kinder in frühkindlichen Einrichtungen und zum Schutz unserer Schülerinnen und Schüler werden wir dem Masernschutzgesetz daher am Freitag im Bundesrat zustimmen.


Kultusminister Grant Hendrik Tonne   Bildrechte: MK

Kultusminister Grant Hendrik Tonne

Artikel-Informationen

erstellt am:
19.12.2019

Ansprechpartner/in:
Sebastian Schumacher

Nds. Kultusministerium
Pressesprecher
Hans-Böckler-Allee 5
30173 Hannover
Tel: 05 11/1 20-71 48

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