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Rede der Niedersächsischen Kultusministerin Julia Willie Hamburg zu TOP 19 a der Landtagssitzung am 23.03.2023 - Dringliche Anfrage der CDU-Fraktion: Ist die Ganztagsbetreuung für Kinder in Niedersachsen in Gefahr? – Drs. 19/951 –


Es gilt das gesprochene Wort!

Anrede,

ich bedanke mich, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen von der CDU-Fraktion, dass Sie mir die Gelegenheit geben, zum großen bildungspolitischen Vorhaben der Einführung des Rechtsanspruchs auf Ganztagsbetreuung hier heute zu sprechen.

Die Einführung des Rechtsanspruchs auf Ganztagsbetreuung für Kinder im Grundschulalter ist gleichermaßen wichtig wie in der praktischen Umsetzung anspruchsvoll – daher ist es von besonderer Bedeutung, dass Bund, Land und Kommunen gemeinsam agieren und in die gleiche Richtung denken und arbeiten.

Ganztag bedeutet dabei mehr als Betreuung am Nachmittag und damit die Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Im Mittelpunkt steht vielmehr auch die Gestaltung von mehr Bildungsgerechtigkeit und die bestmögliche Unterstützung der Kinder.

In diesem Sinne hat sich die Landesregierung mit dem Koalitionsvertrag das Ziel gesetzt, den Ausbau des Ganztags mit einer Steigerung der Qualität zu verknüpfen und auch die Rhythmisierung des Schulalltages weiterzuentwickeln.

Anrede,

in den wesentlichen Zielen dürfte hier ja Einigkeit bestehen: die Bildungsgerechtigkeit und Chancengleichheit für unsere niedersächsischen Schülerinnen und Schüler zu steigern und gleichzeitig die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu verbessern.

Mit Blick auf den Ausbau der Multiprofessionalität im Ganztag sind – neben dem Einsatz von Lehrkräften – die Angebote von (sozial-)pädagogischen Fachkräften und außerschulischen Kooperationspartner*innen von besonderer Bedeutung.

Angesichts des erheblichen Personalbedarfs in der Umsetzung des Rechtsanspruchs wird deutlich, dass nur ein gemeinsames Vorgehen Erfolg verspricht. Der Mangel an kurzfristig auf dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehenden Fachkräften kann nicht durch eine einzelne Ebene oder Institution, sondern nur konzertiert durch ein gezieltes Zusammenwirken aller staatlichen Ebenen angegangen werden.

Ebenso ist sich die Landesregierung der heterogenen Rahmenbedingungen im Land bewusst und strebt daher an, regional angepasste Handlungsspielräume für die konkrete Ausgestaltung des Ganztags zu eröffnen – dies insbesondere für die Übergangszeiträume.

Dadurch können die Schulleitungen flexibel auf die Bedürfnisse der Schülerinnen und Schüler reagieren und die Ganztagsschule entsprechend den regionalen Rahmenbedingungen planen. Der ungleichen Ausgangslage von städtischen und ländlichen Ganztagsschulen wird dadurch ebenfalls Rechnung getragen.

Anrede,

es ist mir an dieser Stelle wichtig, abermals darauf hinzuweisen, dass die Landesregierung ausdrücklich die Einführung des Rechtsanspruchs auf Ganztagsbetreuung für Kinder im Grundschulalter begrüßt. Trotz der Verankerung im SGB VIII und der damit einhergehenden Verantwortlichkeit der Träger der Kinder- und Jugendhilfe wird sich das Land Niedersachsen auch zukünftig in bedeutendem Maße einbringen und für den weiteren Ausbau der Ganztagsgrundschulen in erheblichem Umfang personelle und finanzielle Ressourcen zur Verfügung stellen.

Die unter der letzten rot-grünen Landesregierung und durch die damalige Kultusministerin Frauke Heiligenstadt gestartete Qualitätsoffensive im Ganztag wirkt. Es ist seitdem ein deutlicher Aufwuchs an Ganztagsschulen zu verzeichnen und wir erreichen mittlerweile eine bereits hohe Quote von 73 % der Schulen im Land, die ein Ganztagsangebot vorhalten.

Aktuell erreichen das Kultusministerium zahlreiche Anfragen und Schreiben zur Umsetzung des Rechtsanspruchs. Seitens der Kommunen wird hier insbesondere die Finanzierung als Herausforderung benannt. Im Rahmen der Umsetzungsplanung wird derzeit gemeinsam mit der Arbeitsgemeinschaft der Kommunalen Spitzenverbände Niedersachsens und weiteren Partnerinnen und Partnern an Themenschwerpunkten wie den allgemeinen Kosten, dem Personalbedarf und der damit einhergehenden Fachkräftegewinnung und -qualifizierung sowie den organisatorischen und qualitativen Rahmenbedingungen gearbeitet. Ziel ist es, in Zusammenarbeit mit allen Verantwortlichen eine gelingende Umsetzung des Rechtsanspruchs durch einen regelmäßigen Austausch und eine enge Prozessabstimmung zu gewährleisten.

Anrede,

die Landesregierung hat in den vergangenen Jahren bei sämtlichen Bundesförderungen kommunale Belange stets berücksichtigt. Das gilt für den DigitalPakt Schule ebenso wie für die Förderprogramme aus dem Bereich der Kindertagesbetreuung. An dieser Linie werden wir auch beim Rechtsanspruch Ganztag festhalten.

So wird die Landesregierung dafür sorgen, dass die für den Infrastrukturausbau der Ganztagsbetreuung zur Verfügung stehenden Fördermittel des Bundes, wie auch beim sog. Beschleunigungsprogramm, für alle Kommunen bzw. Schulträger möglichst unkompliziert und in vollem Umfang zugänglich gemacht werden.

Dies vorausgeschickt beantworte ich Ihre Fragen im Namen der Landesregierung wie folgt:


Zu Frage 1: Wie stellt die Landesregierung konkret sicher, dass hinsichtlich der Umsetzung der Verwaltungsvereinbarung zur Durchführung des Gesetzes über Finanzhilfen des Bundes zum Ausbau ganztägiger Bildungs- und Betreuungsangebote für Kinder im Grundschulalter (Investitionsprogramm Ganztagsausbau) die seitens des Bundes für Niedersachsen zur Verfügung stehenden Mittel für alle Kommunen möglichst unkompliziert in vollem Umfang zugänglich sind?

Anrede,

aktuell befindet sich das Kultusministerium mit dem Bund in Gesprächen zum geplanten Umsetzungsverfahren der Verwaltungsvereinbarung II.

Ziel ist es, statt einer klassischen Förderrichtlinie ein vereinfachtes Zuwendungsverfahren zu wählen, das einerseits sicherstellt, dass die Vorgaben der Verwaltungsvereinbarung II eingehalten werden, andererseits für die antragstellenden Kommunen aber auch schlank und unkompliziert umsetzbar ist. Damit entsprechen wir auch dem Wunsch der kommunalen Spitzenverbände. Hierzu führen wir Gespräche mit dem Bund und den kommunalen Spitzenverbänden.


Zu Frage 2: Welche konkrete Gesamtlösung wird hinsichtlich der Übernahme der für die Umsetzung des Rechtsanspruchs notwendigen Investitions- und Betriebskosten, der Verwendung der dafür vom Bund bereitgestellten Mittel und der Frage nach der Beteiligung von Bund, Ländern und Kommunen seitens der Landesregierung angestrebt?

Anrede,

der Bund hat Ende Januar einen Entwurf der Verwaltungsvereinbarung II zum Ausbau der Ganztagsbetreuung vorgelegt und das Abstimmungs- bzw. Unterzeichnungsverfahren mit den Ländern entsprechend eingeleitet. Dieses Verfahren ist noch nicht abgeschlossen. Niedersachsen hat die Vereinbarung bereits unterzeichnet.

Das Investitionsprogramm sieht einen Kofinanzierungsanteil der Länder in Höhe von 30 % vor. Der Ausbau der Infrastruktur der Ganztagsschulen obliegt den Schulträgern. Das Kultusministerium befindet sich derzeit in Gesprächen mit den kommunalen Spitzenverbänden, bei denen neben den Investitionskosten auch die entstehenden Betriebskosten und weitere Regelungen thematisiert werden.

Im Hinblick auf die durch den Rechtsanspruch entstehenden Betriebskosten – und nach Definition des Bundes zählen auch die Personalkosten zu den Betriebskosten – gilt, dass das Land bereits jetzt die Personalkosten für den Ganztagsgrundschulbereich trägt. Das beinhaltet den Einsatz von Lehrkräften und Pädagogischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, aber auch den Abschluss von Verträgen mit Kooperationspartner*innen, die über budgetierte Lehrkräftestunden finanziert werden.

Dies entspricht allein im Grundschulbereich aktuell rund ca. 60 Mio. Euro jährlich. Zusammen mit dem prognostizierten Mehrbedarf für die Umsetzung des Rechtsanspruchs in Höhe von ca. 120 Mio. Euro ergibt sich daraus ab 2029 für das Land ein Gesamtbedarf in Höhe von jährlich ca. 180 Mio. Euro.

Der Bund beteiligt sich ab 2029 mit 1,3 Mrd. Euro an den Betriebskosten. Nach Königsteiner Schlüssel wären das für Niedersachsen Bundesmittel in Höhe von rund 122 Mio. Euro jährlich. Auch die Verwendung dieser Mittel ist Gegenstand der Gespräche mit den kommunalen Spitzenverbänden.


Zu Frage 3: Welches konkrete pädagogische Konzept für die Ausgestaltung des Ganztagsbetriebes verfolgt die Landesregierung?

Anrede,

nach der bundesgesetzlichen Verankerung des Rechtsanspruchs auf ganztägige Betreuung für Kinder im Grundschulalter liegt es in der Zuständigkeit der Länder, den qualitativen Rahmen für die Ganztagsangebote in den Ländern selbst zu bestimmen.

Der aktuelle Runderlass zur Arbeit in der Ganztagsschule des Kultusministeriums führt für die Qualitätsentwicklung der Ganztagsschule zehn Qualitätsmerkmale [Leitungsverantwortung und Organisation, Schulprogramm und Evaluation, Verzahnung von Unterricht und außerunterrichtlichen Angeboten, Ausgestaltung des Tagesablaufes – Rhythmisierung, Ausgestaltung des Tagesablaufes – Zeit zur freien Gestaltung, Individualisierung, Erweiterung des Bildungsangebots durch Kooperation, multiprofessionelle Zusammenarbeit, Mitwirkung an Gestaltungsprozessen, Zusammenarbeit mit dem Schulträger] auf. Die aufgeführten Bereiche werden auch bei der Umsetzung des Rechtsanspruchs weiter berücksichtigt werden, da diese bereits seit Jahren erprobte Richtlinien bei der Qualitätsentwicklung der Ganztagsschulen in Niedersachsen darstellen.

Im Rahmen der KMK wird darüber hinaus derzeit eine gemeinsame Empfehlung zur Weiterentwicklung der pädagogischen Qualität im Ganztag für Kinder im Grundschulalter erarbeitet. Niedersachsen ist in der entsprechenden Arbeitsgruppe aktiv vertreten. Hieraus werden sich weitere Impulse für den qualitativen Rahmen des Rechtsanspruches ergeben.

Aufbauend auf dem vorhandenen Runderlass und den dort aufgeführten Qualitätsmerkmalen werden auch diese Empfehlungen aufgenommen und angepasst an die niedersächsischen Bedingungen umgesetzt werden. Die niedersächsischen Schulleitungen werden dabei auf die gewachsenen Unterstützungsstrukturen durch die Regionalen Landesämter für Schule und Bildung (RLSB) zurückgreifen können.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.


Portrait einer Frau   Bildrechte: MK-Nds/Brauers

Julia Willie Hamburg

Artikel-Informationen

erstellt am:
23.03.2023

Ansprechpartner/in:
Sebastian Schumacher

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