Niedersachsen will Schulen mit neuem Gewaltpräventionserlass stärken und gibt Entwurf in die Anhörung – klarere Strukturen, verbindliche Leitlinien und konsequente Unterstützung
Gewalt an Schulen ist kein isoliertes Phänomen – sie spiegelt gesellschaftliche Entwicklungen wider und betrifft Lehrkräfte, Mitarbeitende, Schulsozialarbeit, Eltern sowie Kinder und Jugendliche gleichermaßen. Die Ursachen für Gewalt sind vielschichtig – sie reichen von familiären Belastungen über soziale Ungleichheiten bis hin zu digitalen Räumen, in denen Beleidigungen, Ausgrenzung und Hetze häufig ihren Anfang nehmen.
Um die Schulen in Niedersachsen in dieser wachsenden Herausforderung wirksam zu unterstützen, legt das Land jetzt einen umfassend novellierten Gewaltpräventionserlass („Gewaltprävention und -intervention zur Sicherheit in Schulen in Zusammenarbeit mit Kinder- und Jugendhilfe, Polizei und Staatsanwaltschaft“) vor, der am heutigen Mittwoch (19.11.2025) in die Anhörung geht. Mit dem Erlass sollen Schulen noch gezielter bei der Präventionsarbeit unterstützt und Handlungssicherheit im Umgang mit Gewalt- und Krisensituationen geschaffen werden. Er bringt klare Strukturen, stärkt Handlungssicherheit und verankert Prävention dauerhaft im schulischen Alltag. Und er sieht die identifizierten Herausforderungen als Querschnittsaufgabe weit über Schulgrenzen hinaus. Die Novellierung wurde daher ressortübergreifend erarbeitet – unter Beteiligung der Ressorts Soziales, Inneres und Justiz. Denn: Um der Gewalt – besonders in Schule – entschieden entgegenzutreten und damit Schule als Schutzraum zu stärken, ist ein enges Zusammenspiel aller Beteiligten unerlässlich. Jede einzelne Ebene allein kann dieser Herausforderung nicht begegnen. Es braucht ein konsequenteres Ineinandergreifen und professionenübergreifendes Handeln.
Eine deutliche Weiterentwicklung des Gewaltpräventionserlasses besteht auch darin, dass ein umfassender Gewaltbegriff zugrunde gelegt wird, der analoge und digitale Gewaltformen ein-schließt, nämlich physische Gewalt, emotionale/psychische Gewalt, sexualisierte Gewalt, politisch motivierte Gewalt, emotionale/psychische Vernachlässigung, physische Vernachlässigung sowie das Miterleben von Gewalt.
Ein Kernstück des neuen Erlasses ist ein detaillierter Interventionsleitfaden. Er beschreibt eindeutig klar und rechtssicher, wie Schulleitungen und Schulen bei Gewaltvorfällen vorgehen sollen. Ziel ist dabei, die Schnittstellen zwischen Schulen, Jugendhilfe, Polizei und Justiz enger zu verzahnen. Damit bekommen die Schulen konkrete, leicht umsetzbare Schritte für den Umgang mit kritischen Situationen an die Hand. Er vermittelt klare Meldewege und Meldeketten sowie Handlungsvorgaben bei Gewaltfällen an Schulen. Der Leitfaden bietet Orientierung, ermöglicht ein einheitliches Handeln und stellt sicher, dass von Gewalt Betroffene geschützt und notwendige Schritte konsequent eingeleitet werden.
Zweiter Schwerpunkt sind umfassende Handreichungen zur Prävention. Sie bieten den multiprofessionellen Teams in Schulen, u. a. Lehrkräften und Sozialarbeitenden, Materialien, Orientierung und praxisnahe Beispiele und sollen die Schulen darin unterstützen, Gewaltprävention als festen Bestandteil ihres pädagogischen Konzepts zu verankern. Jede Schule wird verpflichtet, ihr bestehendes Präventionskonzept weiterzuentwickeln und um ein Schutzkonzept gegen sexuelle Gewalt zu ergänzen. Besonderes Gewicht erhält dabei die Beteiligung der Schülerinnen und Schüler – denn wirksame Prävention gelingt nur, wenn sie lebensnah, beteiligungsorientiert und auf die konkrete Situation vor Ort abgestimmt ist.
Außerdem soll mit dem neuen Erlass die Zusammenarbeit der Schulen mit Jugendhilfe, Polizei und Staatsanwaltschaft verbessert werden – von einem besseren Datenaustausch bis hin zur gemeinsamen fallbezogenen Arbeit in der Praxis. Durch die stärkere Vernetzung mit der Kinder- und Jugendhilfe war erstmalig auch das Sozialministerium bei der Novellierung beteiligt. Ebenfalls nimmt der Erlass die Herausforderungen von Gewalt gegen Lehrkräfte, Mobbing und digitalen Formen von Gewalt klar in den Fokus. Der bisherige Erlass hatte die Taten von Schülerinnen und Schülern adressiert, jedoch nicht die Mitarbeitenden der Schulen als Opfer von Gewaltvorfällen in den Blick genommen. Das soll sich künftig ändern.
Damit trägt der umfangreich überarbeitete Erlass aktuellen gesellschaftlichen Entwicklungen Rechnung. In diesen Bereich gehört auch der verantwortungsvolle Umgang mit Smartphones. Dazu hat Niedersachsens Kultusministerin Julia Willie Hamburg in der vergangenen Woche bereits klare Empfehlungen zur Schaffung verbindlicher Regelungen zur Handynutzung an Schulen präsentiert.
Ministerin Hamburg sagt: „Gewaltprävention ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Das stellt auch unser neuer Erlass klar. Deshalb setzen wir auf eine enge Zusammenarbeit zwischen Schulen, Jugendhilfe, Polizei, Staatsanwaltschaften, Beratungsstellen und weiteren Partnern. Ziel ist der Aufbau bzw. die Weiterentwicklung tragfähiger Netzwerke, die Schulen im Ernstfall schnell und zuverlässig unterstützen. Unser Ziel ist es, die Schnittstellen der einzelnen Institutionen noch besser zu nutzen und zu verzahnen.“ Zugleich betont die Kultusministerin: „Unsere Schulen leisten jeden Tag wertvolle und wichtige Arbeit. Auch wenn es erschreckende Fälle von Gewalt im Kontext Schule gibt, so steht außer Frage, dass unsere Schulen im Land sichere Orte sind. Gleichzeitig muss es darum gehen, die Ursachen von Gewalt frühzeitig zu bekämpfen. Insofern machen wir unsere Schulen mit dem neuen Gewaltpräventionserlass noch sicherer. Dafür geben wir den Schulen klare Leitlinien, stärkere Strukturen und die Sicherheit, in schwierigen Situationen nicht allein zu stehen. Gewalt darf keinen Platz in Schule haben – und wir sorgen dafür, dass Prävention, Schutz und gemeinsames Handeln überall ankommen.“
Niedersachsens Ministerin für Inneres, Sport und Digitalisierung, Daniela Behrens, erklärt: „Der neue Runderlass setzt ein deutliches Zeichen: Gewalt hat an unseren Schulen keinen Platz. Die Sicherheit unserer Kinder und Jugendlichen sowie der Beschäftigten hat oberste Priorität. Erfolgreiche Gewaltprävention ist dabei keine Aufgabe, die eine Institution alleine bewältigen kann. Sie gelingt nur im engen Schulterschluss von Schule, Jugendhilfe, Polizei und Justiz und muss den diversen Formen von digitaler und analoger Gewalt in verschiedensten Zusammenhängen und Motivationslagen gerecht werden. Mit dem Runderlass sorgen wir weiterhin für verbindliche Strukturen, die eine verlässliche und abgestimmte Zusammenarbeit bei Prävention und Intervention sicherstellen. Wir sind damit gemeinsam in der Lage, Gewalt frühzeitig zu erkennen, wirksam vorzubeugen und falls nötig konsequent einzugreifen. Dies stärkt auch unseren Fokus auf die Delinquenz junger Menschen. Hier konnte im Jahr 2024 zwar insgesamt ein Rückgang der Fall- und Tatverdächtigenzahlen festgestellt werden, demgegenüber stehen jedoch Anstiege insbesondere bei Körperverletzungsdelikten mit tatverdächtigen Kindern und Jugendlichen. Unser Ziel ist klar: Schulen sollen Orte des Vertrauens bleiben – frei von Gewalt und geprägt von Respekt, Verantwortung und einem gemeinsamen Miteinander.“
Justizministerin Dr. Kathrin Wahlmann sagt: „Die Schule muss ein sicherer Ort sein. Gewaltprävention ist dabei entscheidend: Mit jeder Verhinderung einer Straftat schützen wir potenzielle Opfer, sorgen dafür, dass junge Menschen gar nicht erst zu Tätern werden und schaffen damit einen echten Nutzen für die Gesellschaft. Prävention ist ein ganzheitlicher Prozess und hat das Ziel, Konflikte frühzeitig zu erkennen und konstruktive Lösungen zu fördern. Wir wollen Schutz gewährleisten und Resilienz stärken. Es geht darum, ein Umfeld zu schaffen, das von Respekt und Achtsamkeit geprägt ist. Mit dem neuen Gewaltpräventionserlass intensivieren wir daher die Zusammenarbeit der Schulen mit der Polizei und der Justiz. Dazu streben wir zukünftig verstärkt Kooperationen an, in denen wir Einblicke in die Arbeitsweise der Justiz und die Rahmenbedingungen von Jugendstrafverfahren geben wollen. Auf diese Weise sollen die Handlungsstrategien im Bereich der schulischen Gewaltprävention ständig verbessert werden. Durch Zugrundelegung eines umfassenden Gewaltverständnisses bekämpfen wir Gewalt sowohl im digitalen als auch im analogen Raum.“
Und Niedersachsens Gesundheitsminister Dr. Andreas Philippi betont: „Der neue Gewaltpräventionserlass setzt ein klares Zeichen für den Kinderschutz. Mit der Einführung des umfassenden Gewaltbegriffs wird verdeutlicht, wie wesentlich eine effektive Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Institutionen ist. Darüber hinaus braucht es aber auch die Sensibilisierung für das Thema von Gewalt. Betroffene Kinder und Jugendliche tragen ihre Erfahrungen in die Schulen hinein und sind auf Erwachsene angewiesen, die ihre Hilferufe erkennen und denen sie sich anvertrauen können. Die Leitfäden bieten praxisorientierte Hilfestellungen und Tools an, die Informationen schaffen und präventiv wirken, damit jedes Kind die Chance auf ein gesundes Aufwachsen hat.“
Neben dem Innen-, Justiz- und Sozialministerium waren zudem Bildungsverbände, Landesschülerrat, Landeselternrat sowie Vertreterinnen und Vertreter aus Schule und Schulaufsicht in die Erlassüberarbeitung eingebunden. Die Anhörung, die nun gestartet ist, bildet den Abschluss dieses breiten Beteiligungsprozesses. Zudem soll der Erlass am 18. März auf dem zweiten ressortübergreifenden Fachtag „Gewaltprävention bei Kindern und Jugendlichen“ weiter vertieft werden.
Kultusministerin Julia Willie Hamburg
Artikel-Informationen
erstellt am:
19.11.2025
Ansprechpartner/in:
Britta Lüers
Nds. Kultusministerium
Pressesprecherin
Hans-Böckler Allee 5
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Tel: 0511 120 7148

