Früher, individualisierter und praxisorientierter: Die Berufliche Orientierung an Niedersachsens Schulen wird deutlich gestärkt. Kultusministerin Hamburg stellt Eckpunkte des neuen BO-Erlasses vor
Das Niedersächsische Kultusministerium arbeitet seit Monaten gemeinsam mit Fachverbänden und Interessenvertretern intensiv an der Überarbeitung des Erlasses zur Beruflichen Orientierung an Schulen. Zudem planen wir, Best-Practice-Modelle sichtbar zu machen. Diese werden künftig auf Dienstbesprechungen und im Bildungsportal vorgestellt und dienen als Impuls für die anderen Schulen. Denn Berufliche Orientierung ist eine Gemeinschaftsaufgabe – insofern ist es wichtig, die vielfältigen Aktivitäten sinnvoll zu bündeln und für die Jugendlichen zu verzahnen. Mit der Neuaufstellung des aktuellen Erlasses wird Niedersachsen die bereits bestehenden und bewährten Angebote der Beruflichen Orientierung deutlich weiterentwickeln und Schülerinnen und Schüler noch gezielter bei ihrer individuellen Beruflichen Orientierung unterstützen. Der neue BO-Erlass geht jetzt in die Anhörung.
„Dass viele junge Menschen nach dem Ende ihrer Schulzeit sagen, sie wissen nicht, was sie machen sollen, stellt uns nicht zufrieden“, erklärt Niedersachsens Kultusministerin Julia Willie Hamburg den Anlass der Überarbeitung des aktuellen BO-Erlasses. Dieser ist in seiner aktuellen Fassung seit September 2018 in Kraft und bietet damit bereits eine solide Basis für die Berufliche Orientierung an den Schulen. „Grundsätzlich können wir festhalten, dass die Berufliche Orientierung an unseren allgemein bildenden Schulen schon gut aufgestellt ist. Viele Schulen haben bereits tolle Konzepte etabliert – aber wir haben bei der Schulpraxis und den Unternehmen intensiv zugehört und daraus Schlussfolgerungen gezogen, wie wir einerseits mehr Verbindlichkeit schaffen können und andererseits mehr Freiräume für Kooperation und individualisierte Konzepte im Sinne der Lernenden.“
Die Evaluation des aktuellen Erlasses im Herbst 2023 hat ergeben, dass die Berufliche Orientierung an unseren Schulen durch den Erlass gestärkt wurde und im Grundsatz an den Schulen ein stärkerer Fokus auf die Berufliche Orientierung gelegt wird. An dieser Umfrage haben fast 4.000 Personen teilgenommen, darunter knapp die Hälfte Unternehmen vorrangig aus dem Handwerk und dem Bereich der IHK, aber auch schulisches Personal, die Bundesagentur für Arbeit, Kammern und Verbände, aber natürlich auch Erziehungsberechtigte und Schülerinnen und Schüler. „Zugleich hat die Befragung auch ergeben, dass wir die Berufliche Orientierung an unseren Schulen noch breiter aufstellen müssen, um die jungen Menschen noch besser in ihrem individuellen BO-Prozess zu begleiten und zu unterstützen“, so Hamburg.
Der nun vorliegende Erlassentwurf, der am Freitag in die offizielle Anhörung geht, ist das Resultat breiter Expertise und einer intensiven Zusammenarbeit aller Beteiligten – angefangen von der Evaluation des aktuellen BO-Erlasses unter hoher Beteiligung aller relevanten Akteurinnen und Akteure bis hin zu zahlreichen Fachtagungen und Gesprächen, in denen das Thema intensiv erörtert und gemeinsam weiterentwickelt worden ist. „Ich danke allen, die an diesem Prozess konstruktiv mitgewirkt und sich intensiv an der Debatte beteiligt haben. Mit ihrer Expertise haben sie maßgeblich zur Weiterentwicklung des neuen BO-Erlasses beigetragen“, betonte Kultusministerin Hamburg.
Diese wesentlichen Änderungen sieht der neue Erlass zur Beruflichen Orientierung vor:
- Mit dem neuen Erlass soll die Berufliche Orientierung an allen Schulformen, insbesondere auch an den Gymnasien bzw. in gymnasialen Bildungsgängen und in den vollzeitschulischen nicht berufsqualifizierenden Bildungsgängen der BBS gezielt gestärkt werden – und nicht nur wie bisher Schülerinnen und Schüler der allgemein bildenden Schulen des Sek-I und Sek-II-Bereichs.
- Mit dem neuen Erlass soll ein weiteres verpflichtendes Praktikum im Sekundarbereich I der Gymnasien bzw. Gymnasialzweige eingeführt werden. Im Gymnasium (den Gymnasialzweigen) ist bisher ein Praktikum in Jahrgang 11 vorgesehen. Künftig ist ein weiteres Praktikum im Sek.-I-Bereich, in der Regel im Jahrgang 9, Pflicht.
- Ebenfalls verpflichtend sein wird in Zukunft das bislang optionale Betriebspraktikum am Beruflichen Gymnasium. Dies soll im Zuge der Änderung der BbS-VO zum 01.08.2026 erfolgen.
- Mit dem neuen Erlass wird auch die Zusammenarbeit zwischen allgemein bildenden und berufsbildenden Schulen gestärkt, hierbei kommt den BBSen eine besondere Rolle zu. Sie sollen mit ihrer Expertise als verlässliche Partner der Beruflichen Orientierung an den allgemein bildenden Schulen fungieren. Dabei können sie beispielsweise bei der Information der Schüler- und Elternschaft über die Möglichkeiten einer Berufsausbildung oder der Fortsetzung der schulischen Laufbahn im Sekundarbereich der berufsbildenden Schulen eingebunden werden.
- Die Anzahl der BO-Praxistage an Schulen mit Sekundarbereich I und II soll von bisher 25 auf 35 Tage erhöht werden.
- Die Zusammenarbeit zwischen Schulen und externen Partnern, etwa Betrieben und Hochschulen, aber auch Arbeitsagenturen und Jugendberufsagenturen, in der jeweiligen Region sowie zwischen den allgemein bildenden und den berufsbildenden Schulen soll mit dem neuen Erlass zur Beruflichen Orientierung besser verzahnt werden.
- Gleichzeitig erhalten die Schulen mehr Freiräume bei der eigenverantwortlichen Gestaltung ihrer BO-Konzepte und Prozesse sowie ihrer Angebote und Maßnahmen. Dies betrifft insbesondere die Gestaltung des schulischen Betriebspraktikums. Neben einem mindestens zehntägigen Blockpraktikum können allgemein bildende Schulen beispielsweise Praktika mit einer anderen Dauer, zeitlichen Verteilung der Praktikumstage und/oder in wechselnden Einrichtungen vorsehen. Auch können sie für einzelne Kinder und Jugendliche individuelle Maßnahmen vorsehen und denken.
- Im neuen BO-Erlass werden die Zuständigkeiten klar geregelt: Für das schuleigene BO-Konzept werden die Fachkonferenzen, die an einer Schule das Fach Politik oder Politik-Wirtschaft und Wirtschaft vertreten sowie die Erziehungsberechtigten mit dem geplanten neuen Erlass aktiv eingebunden.
- Der BO-Prozess soll künftig im Sinne eines begleitenden individuellen Portfolios kontinuierlich dokumentiert werden. Hierbei wird sowohl das Kompetenzfeststellungsverfahren als auch die Dokumentation verbindlich festgeschrieben.
Mit den Weiterentwicklungen im neuen Erlass zur Beruflichen Orientierung ermöglicht das Kultusministerium den Schulen, bereits bestehende erfolgreiche Konzepte und Modelle fortzuführen bzw. diese daran anknüpfend eigenverantwortlich und unter Nutzung von Freiräumen und Unterstützungsmöglichkeiten sowie in der Zusammenarbeit mit den regionalen Partnerinnen und Partnern weiterzuentwickeln. Abschließend sagt Kultusministerin Julia Willie Hamburg: „Mit dem geplanten neuen BO-Erlass lernen wir aus den Praxiserfahrungen aus den Schulen und stärken somit die Möglichkeiten zur Beruflichen Orientierung an den niedersächsischen allgemein bildenden und berufsbildenden Schulen gezielt und nachhaltig. Noch stärker als bisher schaffen wir damit bereits im Sekundarbereich I – spätestens ab Klasse 7 - einen wichtigen Rahmen für eine frühzeitige und kontinuierliche Begleitung und Unterstützung des individuellen BO-Prozesses der Schülerinnen und Schüler. Dabei sollen ihnen frei von Klischees alle ausbildungs- und studienbezogenen Bildungs- und Berufswege aufgezeigt werden. Wir bringen die Schülerinnen und Schüler damit in die Lage, fundierte, individuelle Berufswahlentscheidungen treffen zu können. Insofern leisten wir mit der Weiterentwicklung der Beruflichen Orientierung einen zentralen Beitrag zur Fachkräftegewinnung unseres Landes. Denn eine gelungene, kontinuierliche und frühzeitige Berufliche Orientierung sorgt letztendlich für mehr reibungslose Übergänge in Ausbildung und Studium und damit für weniger Abbrüche. Die Schulen können ab dem neuen Schuljahr mit diesem Erlass arbeiten – müssen ihn aber erst zum Schuljahr 2026/2027 verbindlich anwenden. Damit ermöglichen wir einen direkten Start, schaffen aber auch an den Schulen Zeit für die Umsetzung und Schaffung von Kooperationen, wo die Zeit noch gebraucht wird.“ Das Kultusministerium wird diesen Erlass mit Angeboten zur Implementierung und Fortbildungen unterstützen.
Den Link zum Erlassentwurf, der am Freitag in die offizielle Anhörung geht, finden Sie dann auf der Seite der Anhörungsverfahren.
Ergänzendes Material:
Eine neue Handreichung „Berufliche Orientierung an berufsbildenden Schulen“ wurde im Auftrage des Niedersächsischen Kultusministeriums vom Bildungswerk der Niedersächsischen Wirtschaft in Kooperation mit der Universität Osnabrück entwickelt. Sie kann unter diesem Link abgerufen werden.
Artikel-Informationen
erstellt am:
15.05.2025
Ansprechpartner/in:
Britta Lüers
Nds. Kultusministerium
Pressesprecherin
Hans-Böckler Allee 5
30173 Hannover
Tel: 0511 120 7148