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Änderungen bei der Feststellung von Förderbedarfen

Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 17.07.2015 - TOP 46 - Nummer 25


Abgeordnete Sylvia Bruns, Björn Försterling, Almuth von Below-Neufeldt, Christian Dürr, Christian Grascha und Gabriela König (FDP)

Antwort des Niedersächsischen Kultusministeriums namens der Landesregierung

Vorbemerkung der Abgeordneten

Aufgrund der Schulgesetznovelle läuft die Förderschule mit dem Schwerpunkt Lernen aus und neue Förderschulen mit dem Schwerpunkt Sprache können nicht gegründet werden. Das führt dazu, dass die Feststellung von Förderbedarf in den Schwerpunkten Lernen und Sprache - anders als eine Feststellung in den anderen Schwerpunkten - (je nach Ort) keinen Besuch einer Förderschule mehr ermöglicht. Bei Kindern mit mehreren Unterstützungsbedarfen kann durch eine Verschiebung in der Gewichtung der Förderbedarfe bei einzelnen Schülern beeinflusst werden, ob sie inklusiv beschult werden müssen oder eine Förderschule besuchen dürfen.

Darüber hinaus wird aus Schulen berichtet, dass künftig die Begutachtung von Schülern und die Feststellung von Förderbedarfen möglichst verhindert werden soll. Dabei wird darauf verwiesen, dass in einer inklusiven Schule alle Schüler inklusiv beschult würden. Die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Lüneburg vom 7. August 2014, die den Eltern das Recht auf einen Förderschulbesuch für ihr Kind einräumt, solle zudem, so hört man aus Schulkreisen, von den Schulen gegenüber Eltern nicht erwähnt werden. Es werde befürchtet, dass auch andere Eltern erfolgreich das Recht auf den Besuch einer Förderschule für ihr Kind einklagen.


Vorbemerkung der Landesregierung

Mit dem Gesetz zur Einführung der inklusiven Schule vom 23.03.2012 (Nds. GVBl. S. 34), das der Landtag mit breiter Mehrheit beschlossen hat, ist der schulische Teil der Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen in niedersächsisches Schulrecht umgesetzt worden. Mit dem Gesetz wurde die schrittweise Umgestaltung aller öffentlichen und privaten Schulen in inklusive Schulen, in denen Schülerinnen und Schüler mit und ohne Behinderung gemeinsam unterrichtet werden, eingeleitet.

Das Verständnis der Inklusion im Bereich der schulischen Bildung ist gekennzeichnet vom gemeinsamen Unterricht von Schülerinnen und Schülerin mit und ohne Bedarf an sonderpädagogischer Unterstützung wohnortnah an den allgemeinen Schulen.

Zum 01.08.2015 tritt in Niedersachsen das Gesetz zur Änderung des Niedersächsischen Schulgesetzes vom 03.06.2015 in Kraft, mit dem das Recht auf Teilhabe von Menschen mit Behinderungen an allgemeiner Bildung weiter umgesetzt wird.

Im Förderschwerpunkt Sprache wird die angemessene Förderung durch die sonderpädagogische Grundversorgung an den Grundschulen sichergestellt. Diese systembezogene Stundenzuweisung für präventive und unterstützende Maßnahmen in den Förderschwerpunkten Lernen, Sprache sowie emotionale und soziale Entwicklung ist ein Baustein inklusiver Maßnahmen.

Darüber hinaus wird der neue § 183c Abs.6 NSchG es den Schulträgern ermöglichen, am 31.07.2015 bestehende Förderschulen im Förderschwerpunkt Sprache sowie nach § 14 Abs. 6 NSchG auch am 31.07.2015 bestehende sog. Sprachförderklassen weiterzuführen. Für Schülerinnen und Schüler, die am Ende des Schuljahres 2014/2015 eine Förderschule im Förderschwerpunkt Lernen besuchen, wird die Schule nach § 183c Abs.5 NSchG, bis deren Schuljahrgang diese Schule verlässt, fortgeführt werden können.

Die Neuregelung führt somit – entgegen den Ausführungen in der Vorbemerkung der Abgeordneten – nicht dazu, dass die Feststellung von Förderbedarfen in den Schwerpunkten Lernen und Sprache einen Besuch einer Förderschule grundsätzlich nicht mehr ermöglicht.

Bereits mit dem Gesetz zur Einführung der inklusiven Schule vom 23.03.2012 ist in einem ersten Schritt schulgesetzlich geregelt worden, dass Förderschulen im Förderschwerpunkt Lernen im Primarbereich aufsteigend ab dem Schuljahr 2013/2014 auslaufen.

Mit der aktuellen Änderung folgt der Gesetzgeber u. a. dem 1. Bericht des UN-Fachausschusses vom 17.04.2015 über das Staatenprüfungsverfahren Deutschlands zum Stand der Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention.

Gibt es Anzeichen dafür, dass eine Schülerin oder ein Schüler sonderpädagogische Unterstützung benötigt, führt die Schule das Verfahren nach der Verordnung zur Feststellung eines Bedarfs an sonderpädagogischer Unterstützung vom 22.01.2013 (Nds. GVBl. S. 23) durch. Wenn mehrere Förderschwerpunkte miteinander verbunden sind, ist der vorrangige Förderschwerpunkt zu bestimmen, wenn sich daraus ein zieldifferenter Unterricht für die Schülerin oder den Schüler ergibt. Dies gilt für die Förderschwerpunkte Lernen und Geistige Entwicklung.

Die erwähnte Verordnung hat zu einer Vereinfachung des Verfahrens und zu mehr Transparenz durch das verpflichtende Einrichten einer Förderkommission beigetragen. Das Verfahren wird seitens des Kultusministeriums zurzeit evaluiert.

Die sog. Inklusionsquote an den öffentlichen allgemein bildenden Schulen liegt bei 52,5 % und zeigt damit eine deutliche Steigerung im Vergleich zum Schuljahr 2013/2014 (44,9 %). Es zeigt sich, dass Eltern der inklusiven Beschulung vielfach positiv gegenüberstehen. Eltern von Schülerinnen und Schülern mit Bedarf an sonderpädagogischer Unterstützung haben ein Wahlrecht, ihnen obliegt die Entscheidung, ob ihr Kind die allgemeine Schule oder eine Förderschule besucht. Sie werden durch die Schulen und die Niedersächsische Landesschulbehörde umfassend bei der Wahl der Schule beraten.

1. Wie hat sich die Feststellung von Förderbedarfen in Niedersachsen vom Schuljahr 2011/2012 bis zum Schuljahr 2014/2015 im Hinblick auf die einzelnen Förderbedarfe jeweils entwickelt?

Bereits in der Antwort der Landesregierung auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Ulf Thiele zum „Zeitpunkt der gutachterlichen Feststellung eines Bedarfs an sonderpädagogischer Unterstützung“ (Drs. 17/3470 vom 13.05.2015), ob es nach Kenntnis der Landesregierung seit Inkrafttreten der Verordnung zur Feststellung eines Bedarfs an sonderpädagogischer Unterstützung aus dem Jahr 2013 Veränderungen in der Praxis der Feststellung des sonderpädagogischen Unterstützungsbedarfs gibt, wurde mitgeteilt, dass hinsichtlich etwaiger Veränderungen in der Praxis der Feststellung des sonderpädagogischen Unterstützungsbedarfs keine validen Erkenntnisse vorliegen. Es wurde ausgeführt, dass die Verordnung im Jahr 2014 erstmalig evaluiert wurde. Ziel dieser Evaluation war ausdrücklich die Optimierung von Verfahrensabläufen, sie diente der Landesregierung somit zur Steuerung der Inklusion. In der Antwort wurde deutlich gemacht, dass die ausgewerteten Daten keinen sicheren Vergleich in Bezug auf die Praxis der Feststellungsverfahren in früheren Jahren zulassen. Ferner wurde in der Antwort darauf hingewiesen, dass die Niedersächsische Landesschulbehörde ab 2015 für die Feststellungsverfahren eine abgestimmte Datenbank einsetzen wird, die eine landesweit einheitliche Datenbasis bilden wird.

Die in der Antwort erwähnte Datenbank wurde zwischenzeitlich eingerichtet. Mit ihrer Hilfe werden nach Ablauf eines für eine vergleichende Betrachtung notwendigen Erfassungszeitraumes Daten zur Verfügung stehen. Für eine sichere Bewertung der Entwicklung der Feststellungsverfahren wird die Betrachtung eines längeren Zeitraums erforderlich sein.

In der Vergangenheit mag es möglich gewesen sein, die Feststellung von Förderbedarfen in Niedersachsen im Hinblick auf die einzelnen Förderbedarfe anhand der Angaben zur Entwicklung der Förderschulen, die aus der Statistik „Die niedersächsischen allgemein bildende Schulen in Zahlen“ ersichtlich sind, abzuschätzen. Vor dem Hintergrund der weiter voranschreitenden Umsetzung der inklusiven Schule, im Rahmen derer Schülerinnen und Schüler mit und ohne festgestellten Förderbedarf gemeinsam unterrichtet werden, ist eine Differenzierung anhand der Schulstatistik nicht möglich. Dies entspricht auch dem Perspektivwechsel, der sich mit der Einführung und Umsetzung der inklusiven Schule in Niedersachsen vollzogen hat: Die inklusive Schule dient gerade dazu, dass Recht auf umfassende, uneingeschränkte und gleichberechtigte Teilhabe jeder einzelnen Schülerin und jedes einzelnen Schülers am gesellschaftlichen Leben zu gewährleisten. In diesem Zusammenhang wird auf die deutliche Steigerung der Inklusionsquote an den öffentlichen allgemein bildenden Schulen verwiesen, die in der Vorbemerkung näher erläutert ist. Die Fragestellung deutet insofern mit der darin erbetenen separierenden Darstellung von Schülerinnen und Schülern nach Förderbedarfen auf ein Systemverständnis von Schule vor Einführung der inklusiven Schule hin.

Zur Beantwortung der Frage kann allenfalls – um ggf. ungefähre Rückschlüsse auf die Förderbedarfe zu ermöglichen – auf die Werte in den Anlagen 1 und 2 verwiesen werden, in denen die Förderbedarfe in Form der Soll-Stunden der Förderschul-Schulgliederungen (ohne Schulkindergarten) nach Förderschwerpunkten sowie die Zusatzbedarfe in Stunden für sonderpädagogische Förderung getrennt nach öffentlichen allgemein bildenden Schulen und allgemein bildenden Schulen in freier Trägerschaft für die Schuljahre 2011/2012 bis 2014/2015 dargestellt werden.

2. In wie vielen Fällen haben sich die Förderschwerpunkte von Schülern vom Schuljahr 2011/2012 bis zum Schuljahr 2014/2015 geändert? Bitte jeweils nach ursprünglichem Schwerpunkt anführen, wie oft der Wechsel in einen der jeweils anderen Förderschwerpunkte erfolgte bzw. der Förderbedarf nicht mehr festgestellt worden ist.

Die Daten werden im Rahmen der Erhebung zur Unterrichtsversorgung an allgemein bildenden Schulen statistisch nicht erhoben. Schülerindividualdaten liegen nicht vor.

3. Existieren Anweisungen seitens des Landes Niedersachsen, dass Schulen die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Lüneburg vom 7. August 2014 gegenüber Eltern nicht zu erwähnen haben, oder ist der Landesregierung bekannt, dass Schulen die Entscheidung von sich aus verschweigen?

Die Landesregierung hat den Beschluss des Oberverwaltungsgerichtes Lüneburg vom 07.08.2014 - 2 ME 272/14 –, der in einem Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes ergangen und nicht in einem Hauptsacheverfahren bestätigt worden ist, zur Kenntnis genommen. Nach Erkenntnissen der Landesregierung handelt es sich bislang um eine Entscheidung in einem Einzelfall. Die Landesregierung hat weder auf eine Verbreitung noch auf eine Nichtverbreitung dieser Einzelfallentscheidung Einfluss genommen.

Artikel-Informationen

erstellt am:
17.07.2015

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