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Rede der Niedersächsischen Kultusministerin Frau Julia Willie Hamburg am 17.12.2025 im Niedersächsischen Landtag zu TOP 28b: Dringliche Anfrage „Reform der Oberstufe: Leidet die Bildungsqualität in Niedersachsen?“

Dringliche Anfrage der CDU-Fraktion, LT-Drs. 19/9289



- Es gilt das gesprochene Wort –


Anrede,

Mehr Qualität, mehr Freiräume, mehr Chancen: das sind die Leitziele der Reform der gymnasialen Oberstufe, an der wir gerade arbeiten. Wir gestalten damit ein modernes Abitur, das Schülerinnen und Schüler gut auf ihren weiteren Weg vorbereitet. Das eigene Schwerpunkte und Profile ermöglicht und damit verschiedene Wege eröffnet. Und das selbstverständlich auch zukünftig hohe Standards setzt.

Von Anfang an haben wir diesen Prozess breit angelegt, gemeinsam mit Verbänden, Interessenvertretungen und Schulleitungen und Lehrkräften aus der Praxis gestaltet. Für diesen Prozess sind Transparenz und Offenheit entscheidend. Genau dafür haben wir die Eckpunkte veröffentlicht. Wohlgemerkt: Eckpunkte! Wie bei allen Vorhaben meines Hauses gehen wir einen Weg der intensiven Beteiligung, um für eine enge Verzahnung mit der Praxis zu sorgen.

Die Anforderungen in unserem Abitur sind hoch – und das werden sie auch zukünftig sein. Und, um diese Frage gleich vorwegzunehmen: Selbstverständlich entsprechen unsere Regelungen – derzeit wie geplant – allen Vorgaben der KMK. Das garantiert die Vergleichbarkeit des Abiturs in Deutschland. Dabei ist es uns wichtig, dass die Reform auch die gesellschaftlichen und technologischen Entwicklungen der letzten 20 Jahre aufnimmt. Unser Leben und unsere Gesellschaft verändern sich fortlaufend. Entsprechend müssen auch Schulen sich verändern.

Ein Kernanliegen dieser Reform ist es, den Schülerinnen und Schülern eine eigene, individuelle Schwerpunktbildung zu ermöglichen. Und zugleich den Schulen Freiräume für die Ausgestaltung ihrer Oberstufe zu geben.

Mit Eintritt in die Oberstufe verfügen unsere Schülerinnen und Schüler bereits über eine solide Allgemeinbildung. Nach zehn Jahren Schulbesuch kennen sie ihre Interessen und Stärken. Diese sollen sie in der Oberstufe gezielt einbringen und vertiefen können, um sich optimal auf das Abitur und ihre berufliche Zukunft vorzubereiten. Dabei widersprechen sich eine hohe Qualität und Entlastungen nicht. Denn am Ende entscheidet die Zahl der Prüfungen nicht über den Lernerfolg, sondern die unterschiedlichen Räume und Wege, um Wissen zu erweitern und zu vertiefen.

Die entsprechenden detaillierten Regelungen werden derzeit in meinem Haus erarbeitet und gehen im kommenden Jahr in ein Anhörungsverfahren. Dann wird auch noch einmal ausreichend Gelegenheit sein, die einzelnen Neuerungen zu wägen und zu kommentieren.


Anrede,

Insofern beantworte ich Ihre Fragen wie folgt, auch wenn sich einige davon vermutlich in wenigen Monaten mit Kenntnis der geplanten Regelungen von selbst beantworten werden:

Erstens: Es geht bei diesem Vorhaben mitnichten um die Absenkung von Standards, auch wenn Sie das reflexhaft unterstellen.

Ganz im Gegenteil: die Reform wird die Qualität des Abiturs in Niedersachsen erhöhen. In der Einführungsphase bleibt es bei der Belegungsverpflichtung von 30 Wochenstunden, anders als von Ihnen suggeriert. Das bedeutet: Die Schülerinnen und Schüler erhalten genauso viel Unterricht wie bisher.

Aber wir schaffen mehr Freiheiten für die individuelle Ausgestaltung. Sie sollen künftig die Möglichkeit haben, besondere Schwerpunkte setzen zu können – etwa in den Sprachen oder Naturwissenschaften – und dafür im Gegenzug wenige Fächer abzuwählen. Und das ist pädagogisch sinnvoll: Der Psychologe und Bildungsforscher Prof. Markus Eckert hat auf dem diesjährigen Philologentag ausdrücklich betont: Autonomie steigert die Lernmotivation! Diese Autonomie wollen wir den Schülerinnen und Schülern in einem angemessenen Umfang geben.

Das heißt natürlich nicht, dass die Prüfungsfächer bereits in Jahrgang 10 gewählt werden müssen. Auch künftig erfolgt die Wahl der Prüfungsfächer wie bisher erst in der Einführungsphase.

Zweitens: Die Vorgabe der KMK zu den Fremdsprachen in der Einführungsphase ist eindeutig: Schülerinnen und Schüler, die im Sekundarbereich I vier Jahre lang eine zweite Fremdsprache gelernt haben, müssen in der Einführungsphase nur eine davon fortführen, wenn ein Land dies für sich so festlegt. Niedersachsen geht hier derzeit und auch in Zukunft sogar über die Anforderungen der KMK hinaus: Die zweite Fremdsprache wird ab Klasse 6 und damit bis zum Übergang in die Oberstufe fünf Jahre lang unterrichtet. Daher kann ich Ihnen versichern: Auch im bundesweiten Vergleich sind unsere Schülerinnen und Schüler in ihrer fremdsprachlichen Bildung weiterhin sehr gut aufgestellt.

Drittens: Mindestens eine Fremdsprache bis zum Abitur ist verpflichtend – das ist jetzt so und wird auch so bleiben. Die Behauptung, dies könne künftig nur Englisch sein, entspricht nicht unseren Planungen. Wir wollen die Regelungen für die Oberstufe vielmehr so gestalten, dass Schulen – anders als derzeit – einen möglichst flexiblen Rahmen erhalten, damit sie eine für sich passende Struktur finden und ein breites Fächerangebot – auch in den Fremdsprachen – anbieten können. Dazu gehört, dass Schülerinnen und Schüler auch in Zukunft zwei oder sogar drei Fremdsprachen in der Einführungsphase belegen können.


Anrede,

wir schaffen neue Möglichkeiten in Schule. Und wir ermöglichen den Schulen die Freiräume, die sie einfordern. Wir fördern die Eigenverantwortung und Selbstwirksamkeit der Schülerinnen und Schüler. Die Reform führt demnach zu einer Qualitätssteigerung unserer Oberstufe. Mehr Freiräume, mehr Qualität – das ist kein Widerspruch, sondern gehört für uns zusammen. Wir vertrauen in unsere Schulen, die hervorragende Arbeit leisten. Und wir vertrauen in unsere Schülerinnen und Schüler, den für sie am besten geeigneten Weg zu wählen.

Vielen Dank!


Portrait von Julia Willie Hamburg in schwarzer Bluse   Bildrechte: brauers.com

Kultusministerin Julia Willie Hamburg

Artikel-Informationen

erstellt am:
17.12.2025

Ansprechpartner/in:
Britta Lüers

Nds. Kultusministerium
Pressesprecherin
Hans-Böckler Allee 5
30173 Hannover
Tel: 0511 120 7148

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