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Rede des Niedersächsischen Kultusministers Grant Hendrik Tonne zu TOP 27 b der Landtagssitzung am 08.07.2021 - Dringliche Anfrage der Fraktion der FDP: Schuljahr 2021/2022 - überrascht von Corona oder gut vorbereitet in den Herbst? - Drs. 18/9630



Es gilt das gesprochene Wort!


Anrede,

unsere Schulen und Kindertagesstätten werden gut vorbereitet in den Herbst gehen. Viele aufeinander aufbauende Bausteine und miteinander verzahnte Maßnahmen werden dafür sorgen.

Unser Ziel ist und bleibt es, die größtmögliche Präsenz in Schulen und Kindertagesstätten zu ermöglichen. Darauf fokussieren wir all unsere Anstrengungen. Wir nutzen zum einen die bisher in der Pandemie gemachten Erfahrungen, zum anderen berücksichtigen wir die hohe Dynamik der Pandemie. Niemand kann zum jetzigen Zeitpunkt sagen, welche Auswirkungen die Delta-Variante auf den Verlauf der Pandemie haben wird, ob wir im Herbst eine vierte Welle bekommen und wie sich in dem Zusammenhang die Impfungen auswirken werden. Eines ist aber klar: Die Kinder in den Kindertagesstätten und im Primarbereich haben bis zum Alter von 12 Jahren derzeit keine Perspektive auf eine Impfung, gerade für die Jüngsten ist es aber so wichtig, Betreuung und Schule in Präsenz zu ermöglichen. Darauf richten wir alles aus.

Anrede,

Uns ist bewusst, dass für viele Kinder und Jugendliche insbesondere auch die fehlenden sozialen Kontakte in den vergangenen Wochen und Monaten zu besonderen Belastungen geführt haben. Darum sehen unsere Planungen auch Bausteine des Infektionsschutzes sowie des Rechts von Kindern auf Bildung und soziales Miteinander vor - immer abgewogen an den Bedürfnissen der und des Einzelnen.

Wir haben vorgestern das Aktionsprogramm „Startklar in die Zukunft“ vorgestellt. In diesem Aktionsprogramm kombinieren wir Bundes- und Landesmittel und stellen insgesamt 222 Millionen Euro in diesem und im kommenden Jahr für passgenaue Lösungen bereit – 100 Mio. Euro davon allein aus Landesmitteln!

Mit einem Sonderbudget in Höhe von 70 Millionen Euro sorgen wir für personelle Verstärkung an den Schulen. Jede helfende Hand wird gebraucht. Zusätzlich stellen wir landesseitig weitere pädagogische Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Umfang von 25 Millionen Euro ein. Hinzu kommen 10 Millionen Euro für zusätzliche Sozialpädagoginnen und Sozialpädagogen. Auch die schulpsychologischen Angebote bauen wir aus.

Im Rahmen des Aktionsprogramms fördern wir individualisiertes, selbständiges Lernen und das Aufholen von pandemiebedingten Lernrückständen. Dafür braucht es eine Benennung der Lernausgangslage sowie eine gesicherte Lernbegleitung durch Fachlehrkräfte. Auch hierfür stellen wir Unterstützung bereit.

Anrede,

zur Minimierung der Infektionsgefahren an den Schulen ist die Kombination verschiedener Bausteine entscheidend. Hierzu gehören die Abstands- und Hygieneregeln sowie das infektionsschutzgerechte Lüften. Daran werden wir auch weiterhin konsequent festhalten. Lüften ist und bleibt das A und O. Als weiteren Baustein haben wir Selbsttests eingeführt, die in der Regel zuhause durchgeführt werden. So muss der Weg zur Schule bei einem Infektionsverdacht erst gar nicht angetreten werden. Hinzu kommt das priorisierte Impfangebot für alle Beschäftigten in Schulen. Es sind bereits knapp 90 % der niedersächsischen Lehrkräfte mindestens einmal geimpft worden, annähernd 60 % haben bereits die zweite Impfung erhalten. Hinzu kommen Masken auf dem Weg in die Schule und gegebenenfalls auch in der Schule.

Zusätzlich hat das Land, wie Sie wissen, im vergangenen Herbst ein Schutzausstattungsprogramm in Höhe von 20 Mio. Euro aufgelegt. Rund 550 Anträge von Schulträgern wurden dazu bisher gestellt und bewilligt.

Dies vorausgeschickt beantworte ich die Fragen im Namen der Landesregierung wie folgt:

1. Welche Maßnahmen trifft die Landesregierung, um die Klassenräume und Kitas im Land bis zum Beginn des Schuljahres mit Luftreinigungsgeräten auszustatten?

Vor dem Hintergrund der Verbreitung der neuen Delta-Variante wird das Land die technische Lüftungsunterstützung ausbauen und neu justieren. Zur Fortschreibung der Förderrichtlinie zur sächlichen Schutzausstattung wird das Land Niedersachsen kurzfristig weitere 20 Millionen Euro für unterstützende Maßnahmen zum infektionsschutzgerechten Lüften an Schulen zur Verfügung stellen.

Schwerpunkt der Förderung sind auch kurzfristig umsetzbare unterstützende Maßnahmen zur Lüftung von Schulen.

Dabei werden auch weiterhin mobile Luftfilteranlagen durch das Land gefördert, wenn – wie bisher – eine ausreichende Lüftung nicht möglich ist. Hierfür ist eine 80-prozentige Förderung durch das Land vorgesehen.

Neu hinzukommen wird, dass für die Unterrichtsräume der Jahrgänge eins bis sechs – für diese Altersgruppe besteht kein Impfangebot – zusätzlich auch die Beschaffung und der Einbau von sonstigen geeigneten technischen Anlagen gefördert wird, die das regelmäßige Lüften mit einem ausreichenden Luftaustausch unterstützen und dabei die Raumtemperatur konstant halten. Dabei kann es sich zum Beispiel um Fensterventilatoren handeln.

Ein ergänzender Hinweis passt hier:

Darüber hinaus können die Schulen und Kindertagesstätten über das Förderprogramm des Bundes "Corona-gerechte stationäre raumlufttechnische (RLT-) Anlagen" für Einrichtungen für Kinder unter 12 Jahren gefördert werden.

Es gilt allerdings auch weiterhin: Mobile Luftfiltergeräte und Fensterventilatoren sind kein Ersatz für das Lüften, sondern sie können ergänzend hinzukommen.

2. Welche Maßnahmen trifft die Landesregierung, um alle Unterrichtsinhalte für alle Klassenstufen in digitaler Form in der Bildungscloud vorzuhalten, damit Selbstlernen, Nachholen und ein bruchfreier Wechsel von Präsenz- zu Distanzunterricht möglich werden?

Wie eingangs betont ist und bleibt für die Landesregierung das Präsenzlernen in der Schule die beste Form von Unterricht. Den direkten Kontakt mit den Mitschülerinnen und Mitschülern und den Lehrkräften kann kein noch so guter digitaler Unterricht ersetzen. Nichtsdestotrotz fokussieren wir unsere Anstrengungen natürlich auch weiterhin auf gute digitale Angebote.

Seit Beginn der Corona-Pandemie hat die Landesregierung bereits zahlreiche wirksame und zukunftsfähige Maßnahmen ergriffen, damit Schülerinnen und Schüler im Bereich der digitalen Bildung gute Lernbedingungen vorfinden. Lassen Sie mich ein paar Beispiele nennen:

Im Mai 2020 haben wir die Niedersächsische Bildungscloud für alle Schulen geöffnet. Seitdem ist die Zahl der Nutzerinnen und Nutzer von 43 Pilotschulen auf aktuell rund 1.600 nutzende Schulen angewachsen. Das ist ein großer Erfolg. Damit haben wir die Basis geschaffen, um nicht nur notwendige Funktionen im Unterricht, sondern auch notwendige Materialien zur Verfügung zu stellen. Und dies übrigens bei voller Funktionsfähigkeit auch unter hoher Auslastung. Insgesamt nutzen bereits heute etwa 90 % aller niedersächsischen Schulen eine digitale Lernplattform, bei den weiterführenden Schulen sind es sogar etwas mehr als 97 %.

Wir arbeiten an der Weiterentwicklung der Niedersächsischen Bildungscloud und tun dies gemeinsam mit den Ländern Brandenburg und Thüringen. Die Vereinbarungen dazu wurden gerade vergangene Woche in Potsdam unterschrieben.

Und wir werden über das Aktionsprogramm „Startklar in die Zukunft“ weiteren digitalen Content in erheblichem Umfang bereitstellen. Für den Ausbau des Contents fließen 14 Mio. Euro in qualitätsgeprüfte Lernprogramme für verschiedene Schulfächer – unter anderem Lexika-Angebote wie der „Brockhaus“, Vokabeltrainer und Diagnosetools für die Analyse individueller Lernausgangslagen in den Kernkompetenzen Lesen und Schreiben. Zudem verlängern wir die Lizenz von „bettermarks“ Mathe und schaffen ein Deutschlernprogramm an.

Anrede,

die Schulen benötigen darüber hinaus Möglichkeiten, um ihren Schülerinnen und Schülern passgenaue Lernangebote zu eröffnen. Digitale Selbstlernangebote können hier unterstützend eingesetzt werden. Solche Angebote werden schon seit Beginn der Pandemie auf den Seiten des Niedersächsischen Landesamts für schulische Qualitätsentwicklung (NLQ) zur Verfügung gestellt und immer wieder ergänzt.

Auch die berufsbildenden Schulen bieten adäquate Angebote für ihre Schülerinnen und Schüler an, um Lernrückstände aufarbeiten zu können. Diese werden laufend erweitert und aktualisiert. Die curriculare Einbindung und Förderung von Distanzunterricht wird an den berufsbildenden Schulen ausgebaut und bleibt weiterhin szenarienunabhängig ein fester Bestandteil der Unterrichtsplanung und -durchführung, um hohe Flexibilität zu gewährleisten.

Die Schülerinnen und Schüler werden zu Beginn des neuen Schuljahres im Unterricht in die Nutzung von Videokonferenzsystemen und Lernmanagementsystemen – auch über die NBC – eingeführt und sind damit auf alle Szenarien vorbereitet. Dabei erwerben sie zugleich Kompetenzen, die beim Einstieg ins berufliche, zunehmend durch Digitalisierung geprägte Arbeitsleben wichtig sind.

Nur aufeinander abgestimmt bieten von den Lehrkräften entwickelte Aufgaben und Angebote im Distanzunterricht sowie digitale Angebote einen angemessenen Rahmen, der Schülerinnen und Schülern gutes Lernen auch unter den Bedingungen der Corona-Pandemie ermöglicht.

3. Wird die Landesregierung sicherstellen, dass 12- bis 17-jährige Jugendliche in allen niedersächsischen Impfzentren bei Vorliegen der Einverständniserklärung geimpft werden können?

Die STIKO hat bisher ausdrücklich keine generelle Impfempfehlung für Kinder und Jugendliche ab zwölf Jahren ausgesprochen. Vielmehr empfiehlt sie eine Impfung für 12- bis 17-Jährige mit bestimmten Vorerkrankungen wie Adipositas, Diabetes und chronischen Lungenerkrankungen. Außerdem empfiehlt die STIKO eine Impfung für Kinder und Jugendliche im Umfeld gefährdeter Personen (z. B. schwangere Frauen) und bei arbeitsbedingter erhöhter Expositionsgefahr. Die STIKO begründete ihre Empfehlung unter anderem damit, dass das Risiko einer schweren Covid-19-Erkrankung für diese Altersgruppe gering ist und die Datenlage für gut begründete Empfehlungen auch hinsichtlich der Impfstoffsicherheit unzureichend ist. Meine Position hierzu habe ich in einem gemeinsamen Schreiben mit Frau Ministerin Behrens an die STIKO deutlich gemacht. Die STIKO will die Datenlage täglich beobachten und ggf. reagieren, wenn es deutliche Änderungen gibt.

Auch ohne generelle STIKO-Empfehlung können Kinder und Jugendliche ab 12 auch unabhängig von Vorerkrankungen geimpft werden. Dabei handelt es sich um eine individuelle Entscheidung von Eltern mit ihren Kindern und den Ärztinnen und Ärzten. Unter Berücksichtigung der STIKO-Empfehlungen und der Möglichkeit individueller patientenseitiger und ärztlicher Entscheidungen sieht die Landesregierung keinen Raum für generelle Erlasse für Impfungen von Kindern und Jugendlichen.

Aber: Die Landesregierung stellt sicher, dass 12- bis 17-jährige Kinder und Jugendliche auch in Niedersächsischen Impfzentren geimpft werden können. Allerdings werden nicht alle Impfzentren ein solch allgemeines Impfangebot für Kinder und Jugendliche vorhalten. Impfzentren mit einem Impfangebot für 12- bis 17-Jährige sowie die jeweiligen Voraussetzungen für eine Impfung werden im Impfportal gekennzeichnet und sind somit für diese Altersgruppe mit Impfwunsch zugänglich. Zudem können sich Kinder und Jugendliche mit und ohne Vorerkrankungen bei ihren Kinder- und Jugendärzten impfen lassen. Ob eine Impfung verabreicht wird, entscheidet die jeweilige Ärztin bzw. der jeweilige Arzt, die hierüber im Rahmen ihrer Therapiefreiheit letztverantwortlich nach medizinischen Gesichtspunkten entscheiden müssen.
Kultusminister Grant Hendrik Tonne   Bildrechte: MK

Kultusminister Grant Hendrik Tonne

Artikel-Informationen

erstellt am:
08.07.2021

Ansprechpartner/in:
Sebastian Schumacher

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