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LT September-Plenum TOP 22: Schriftliche Antwort auf die mündliche Anfrage Nummer 75


Eingriffe der rot-grünen Landesregierung in die Eigenverantwortung der berufsbildenden Schulen

Abgeordnete Clemens Lammerskitten, André Bock und Kai Seefried (CDU)

Antwort des Niedersächsischen Kultusministeriums namens der Landesregierung

Vorbemerkung der Abgeordneten

Im Jahr 2010 hat der Landtag einstimmig beschlossen, alle berufsbildenden Schulen (BBS) in Niedersachsen zu regionalen Kompetenzzentren weiterzuentwickeln (Drucksache 16/2243). Ganz wesentlicher Bestandteil ist die Eigenverantwortung für das Budget und die Stellen. Hierzu sollten auch gemeinsame Budgets zwischen BBS und dem jeweiligen kommunalen Schulträger geschaffen werden. Im Jahr 2014 hat die rot-grüne Landesregierung per Erlass eingegriffen und die Stellenverantwortung wieder zentralisiert.

Vorbemerkung der Landesregierung

Das Land Niedersachsen hat mit dem Schulversuch „Berufsbildende Schulen in Niedersachsen als regionale Kompetenzzentren (ProReKo), der in dem Zeitraum vom 01.01.2003 bis 31.12.2008 durchgeführt worden ist, mit einer grundlegenden Reform der berufsbildenden Schulen begonnen. Auf der Basis der von den Fragestellern genannten Landtagsentschließung vom 18.02.2010 werden seitdem alle berufsbildenden Schulen zu regionalen Kompetenzzentren weiterentwickelt.

Entsprechend der in der o. g. Drs. 16/2243 beschlossenen Bitten des Landestages an die Landesregierung wurden die berufsbildenden Schulen in die Lage versetzt,

-„Bildungsangebote gemäß BbS-VO/EB-BbS[1] in der Region zu gewährleisten, um auf die regionalen Qualifizierungsbedarfe angemessen und flexibel zu reagieren“.

Dabei genießt besonders die Gewährleistung eines möglichst wohnort- bzw. betriebsnahen sowie qualitativ hochwertigen berufsschulischen Unterrichtsangebotes hohe Priorität. Im Vergleich zu allen anderen Bundesländern werden in Niedersachsen die Untergrenzen für die Aufrechterhaltung von Bildungsgängen deutlich flexibler gehandhabt. Auf die strikte Einhaltung von Mindestschülerzahlen für die angebotenen Bildungsgänge wird derzeit zu Lasten der Unterrichtsversorgung und zu Gunsten einer wohnortnahen Beschulung verzichtet. Der Problematik von kleinen Gruppen in der Berufsschule besonders im ländlichen Raum wird durch eine Budgetzuweisung von 80 Prozent für Schülergruppen von 7 bis 13 Schülerinnen und Schülern im Sinne eine „Flächenfaktors“ begegnet.

-„den leistungsschwächeren, aber auch den leistungsstärkeren Schülerinnen und Schülern durch individuelle Bildungsangebote bessere Chancen auf dem regionalen Arbeitsmarkt zu eröffnen“.

In Schulversuchen wie Gemeinsame Berufseinstiegsstufe (BEST) und Dualisierung der Höheren Handelsschule (HH dual) werden zurzeit Möglichkeiten erprobt, wie bestehende Bildungsgänge optimiert werden können, um die Absolventinnen und Absolventen zielgerichteter zu qualifizieren und in Ausbildung zu bringen.

-„sich - in Absprache mit der regionalen Wirtschaft - an Maßnahmen Dritter zur beruflichen Aus- und Weiterbildung zu beteiligen und dafür Entgelt zu nehmen“.

Diese Möglichkeit wurde im Niedersächsischen Schulgesetz (NSchG) im § 21 Abs. 3 verankert.

Um diese Ziele zu erreichen, wurden insbesondere folgende Maßnahmen umgesetzt:

  • Um ein Personalmanagement an den jeweiligen Kompetenzzentren zu installieren, konnte in der Regel eine Verwaltungskraft pro Schule eingestellt und stellenmäßig abgesichert werden.
  • Das ursprünglich eingeführte Qualitätsmanagement auf der Basis von EFQM[2] wurde zum Kernaufgabenmodell an berufsbildenden Schulen (KAM-BBS) weiterentwickelt und an die spezifischen Bedürfnisse berufsbildender Schulen angepasst und ein besonderer Fokus auf den „Kernprozess Unterricht“ gelegt. In den kommenden zwei Jahren werden alle Schulleitungsteams der 135 niedersächsischen berufsbildenden Schulen in einer Fortbildungsreihe des Landes geschult, um den internen Evaluationsprozess entsprechend den regionalen Ausprägungen gestalten zu können. Derzeit werden zur weiteren Verbesserung des innerschulischen Qualitätsmanagements vom Land Fragebögen zur Schüler- und Lehrkräftebefragung erstellt, die in einem Portal zur internen Evaluation (PIE) auf dem niedersächsischen Bildungsserver eingestellt werden.
  • Im NSchG wurden mit den §§ 35a, 38b und 40 Regelungen normiert, die die Schulorganisation und die schulischen Gremien an die besonderen Bedingungen berufsbildender Schulen anpassen. Die dualen Partner sind über den Schulvorstand und den Beirat in die Arbeit der berufsbildenden Schulen eng eingebunden.
  • Die Steuerung der berufsbildenden Schulen mithilfe von Zielvereinbarungen ist zwischenzeitlich flächendeckend eingeführt. Dies gilt sowohl für den externen Bereich, d. h. zwischen den Schulleiterinnen bzw. Schulleitern und den zuständigen Dezernentinnen und Dezernenten der NLSchB, als auch für den schulinternen Bereich. Zur stetigen Qualitätsabsicherung wird im Bereich der beruflichen Bildung besonderer Wert auf die externe Rückmeldung durch die Schulinspektion gelegt. Derzeit läuft der Prüfauftrag IV. In den Meilensteingesprächen zwischen der Schulinspektion und dem Kultusministerium ist der erfolgreiche Verlauf des Prüfauftrags durch das Feedback der Schulleitungen und Kollegien dokumentiert. In den Rückmeldungen der Schulleitungen und Kollegien wird besonders der Zielvereinbarungsprozess hervorgehoben, der einen Grundpfeiler eines selbstgesteuerten regionalen Kompetenzzentrums darstellt. Er erfährt, belegt durch Ergebnisse der Schulinspektion, inzwischen eine hohe Akzeptanz nicht nur bei den Schulleitungen, sondern auch in den Kollegien.
  • Auch bei der eigenverantwortlichen Mittel- und Stellenbewirtschaftung ist der Kern des ProReKo-Gedankens erhalten geblieben: Die Schulen sind weiterhin verantwortlich für die Personalplanung auf der Basis ihrer Stellenpläne sowie für die Auswahl und die Entscheidung über das einzustellende Personal. Besonders erfolgreich konnte dies im Sprach- und Integrationsprojekt für geflüchtete und neu zugewanderte Jugendliche („SPRINT“-Projekt) umgesetzt werden, da die berufsbildenden Schulen innerhalb kürzester Zeit das geeignete Personal eingestellt haben, um in Zusammenarbeit mit der Arbeitsagentur eine zügige Integration der jungen Menschen sowohl in die beruflichen Schulen als auch in die Arbeitswelt zu gewährleisten. Es war notwendig, im Bereich der Stellenbewirtschaftung nachzusteuern, da die Auslastung des den Schulen ursprünglich zur selbstständigen Bewirtschaftung zur Verfügung gestellten Beschäftigungsvolumens von Januar 2011 bis Mai 2014 kontinuierlich gesunken war. Dies machte es erforderlich, die Bewirtschaftung von freien Stellen und Stellenanteilen mit Erlass vom 30.07.2014 zunächst vorübergehend zu zentralisieren. Ziel der zentralen Stellenbewirtschaftung war es, die Auslastung und die Bewirtschaftung der Stellen und Mittel (z. B. durch Zusammenfassung freier Stellenanteile und durch Nutzung bisher nicht genutzter Stellen) zu optimieren. Die Erfahrungen der zentralen Bewirtschaftung wurden im Frühjahr 2016 ausgewertet und in einer Arbeitsgruppe unter der Leitung von Frau Staatssekretärin Huxhold, der auch Vertreterinnen und Vertreter der berufsbildenden Schulen sowie der die Berufsschullehrkräfte vertretenden Verbände und Gewerkschaften angehörten, erörtert. Auf der Basis der Empfehlungen dieser Arbeitsgruppe wurde entschieden, im Rahmen eines kooperativen Verfahrens in Zukunft einerseits die freien Stellen und Stellenanteile zentral zu bewirtschaften, damit die landesweit zur Verfügung stehenden Ressourcen bedarfsgerecht verteilt und effizient für den Unterricht genutzt werden können. Andererseits erhalten die Schulen erneut die Verantwortung für die interne Personalplanung und die Auswahl des Personals.
  • Zur Übertragung der in ProReKo erprobten Befugnisse auf alle berufsbildenden Schulen wurde 2011 das NSchG geändert und in § 112a die rechtliche Grundlage für ein gemeinsames Budget geschaffen. Die nach Beendigung des Schulversuchs ProReKo nunmehr erforderliche Verordnung wurde 2012 unter der damaligen Landesregierung zwar erstellt, aber durch das Finanz- und das Wirtschaftsressort nicht mitgezeichnet, da von den bewährten Kostenteilungen Land/ Schulträger hätte abgewichen werden müssen. Nach Ansicht des LRH (vgl. auch „Jahresbericht des Niedersächsischen Landesrechnungshofs 2011 zur Haushalts- und Wirtschaftsführung - Bemerkungen und Denkschrift zur Haushaltsrechnung des Landes Niedersachsen für das Haushaltsjahr 2009“) wurden hier Landesmittel dauerhaft entgegen den Bestimmungen des NSchG für Aufgaben der Schulträger verwendet. Somit bestanden Befürchtungen, dass kein finanzieller Ausgleich zwischen Land und Schulträger stattfinden würde. Mit der „Vereinbarung zwischen der Niedersächsischen Landesregierung und den Kommunalen Spitzenverbänden Niedersachsen im Schulbereich“ vom 12.12.2016, die die Kostentragungspflicht von Land und Schulträgern bei verschiedenen Aufgaben von Schulen definiert, gibt es keinen Bedarf mehr für ein gemeinsames Budget.

1.Welche weiteren Maßnahmen hat die Landesregierung ergriffen, die vom Beschluss 2010 abweichen?

Es wurden keine weiteren Maßnahmen ergriffen, die vom Beschluss des Landtages abweichen.

2.In welchen Landkreisen wurden die Voraussetzungen für gemeinsame Budgets geschaffen, auch in der Region Hannover?

Während der Modellversuche ProReKo und Personalkosten-budgetierung (PKB) hatte jeder Schulträger die Möglichkeit, das gemeinsame Budget zu erproben. Nach den Regelungen des NSchG hätte das gemeinsame Budget nur bis zum 31.12.2010 (Auslaufen des Schulversuchs ProReKo) erprobt werden dürfen. Den beiden einzigen Schulträgern, die ein gemeinsames Budget eingeführt hatten (Stadt Oldenburg und Region Hannover) wurde über Jahre hinweg gestattet, an den im Rahmen der o. a. Modellversuche getroffenen Vereinbarungen bis zum Erlass einer entsprechenden Rechtsverordnung festzuhalten. In Abstimmung mit der Region Hannover wurden die Vereinbarungen über die Budgetierung und Finanzierung zum Ende des Jahres 2017 gekündigt.

3.Beabsichtigt die Landesregierung, die gemeinsamen Budgets noch weiter zu ermöglichen?

Die Modellversuche ProReKo und PKB endeten mit Ablauf des Jahres 2010. Die Experimentierklausel des § 113a NSchG alte Fassung wurde durch den § 112a des aktuell geltenden NSchG ersetzt, welcher nur eine gemeinsame Bewirtschaftung erlaubt, bei der von den §§ 112 und 113 Abs. 1 NSchG befristet abgewichen werden darf. Näheres müsste über eine Verordnung geregelt werden. Das Kultusministerium hatte mit dem LRH vereinbart, dass an den im Rahmen der o. a. Modellversuche getroffenen Vereinbarungen bis zum Erlass der genannten Rechtsverordnung festgehalten werden kann.

Das gemeinsame Budget sollte vor allem die Lösung seit langem bestehender Meinungsverschiedenheiten zwischen dem Land und Schulträgern im Hinblick auf die Kostentragungspflicht bei verschiedenen Aufgaben von Schulen ermöglichen. Inzwischen konnte diese Lösung durch die o. g. Vereinbarung zwischen der Landesregierung und den Kommunalen Spitzenverbänden vom 12.12.2016 erreicht werden. Von Schulträgerseite aus scheint daher kein Bedarf mehr für die Vereinbarung gemeinsamer Budgets an berufsbildenden Schulen zu bestehen.


[1] Verordnung über berufsbildende Schulen (BBS-VO) und Ergänzenden Bestimmungen für das berufsbildende Schulwesen (EB-BBS).

[2] Das EFQM-Modell for Excellence ist ein Qualitätsmanagementsystem, das eine ganzheitliche Sicht auf Organisationen ermöglicht und von der European Foundation for Quality Management, einer gemeinnützigen Organisation, die sich für die Verbreitung und Anwendung von Qualitätsmanagement-Systemen nach dem EFQM-Modell einsetzt, entwickelt wurde.

Artikel-Informationen

erstellt am:
21.09.2017

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