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LT Mai-Plenum TOP 30: Schriftliche Antwort auf die mündliche Anfrage Nummer 40 "Wie steht die Landesregierung zum Werteunterricht für Flüchtlingskinder?"


Abgeordnete Susanne Victoria Schütz, Björn Försterling und Sylvia Bruns (FDP)

Antwort des Niedersächsischen Kultusministeriums namens der Landesregierung

Vorbemerkung der Abgeordneten

Die Jahrestagung der Fraktionsvorsitzenden der CDU und CSU in Frankfurt am Main hat beschlossen, sich für die Einführung eines Werteunterrichts für Flüchtlingskinder einzusetzen (SWR, 7. Mai 2018; Frankfurter Neue Presse, 8. Mai 2018). In diesem Unterricht sollen den Kindern Grundregeln und Werte des deutschen Rechtsstaats vermittelt werden.

1. Wie steht die Landesregierung zu dieser Forderung der Union?

Die Landesregierung sieht in der Vermittlung von Werten eine zentrale Aufgabe von Schule. Grundlage dafür ist der Bildungsauftrag von Schule, wie er in § 2 des Niedersächsischen Schulgesetzes verankert ist. Den Schülerinnen und Schülern sind nicht nur allgemein Wertvorstellungen zu vermitteln, sie sind konkret zu befähigen, nach ethischen Grundsätzen zu handeln und ihre Beziehungen zu anderen Menschen nach den Prinzipien der Menschlichkeit, der Gegenseitigkeit, der Gerechtigkeit und der Solidarität zu gestalten. Dies umfasst auch die Gleichberechtigung der Geschlechter, des Gedankens der Völkerverständigung und die Verantwortung für die Erhaltung der Umwelt. Für den Unterricht ist der im Niedersächsischen Schulgesetz formulierte Bildungsauftrag verbindlich und bildet die Grundlage für die Lehrpläne.

Schülerinnen und Schüler, die aus anderen Ländern und Kulturen nach Deutschland kommen und in anderen Wertesystemen lebten, benötigen besondere Unterstützung, um sich mit dem hiesigen Wertesystem vertraut zu machen und sich daran orientieren zu können. Diese Unterstützung soll ihnen in der Schule zuteilwerden.

2. Ist die Vermittlung von Werten derzeit nach Meinung der Landesregierung schon ausreichend in den Curricula, beispielsweise im Fach Deutsch als Fremdsprache oder im Regelunterricht, repräsentiert?

Die curricularen Vorgaben für den Unterricht in Deutsch als Zweitsprache behandeln das Thema der Wertevermittlung unter der Überschrift „Interkulturelle (kommunikative) Kompetenz“. Hierbei ist ausdrücklich die Rede von Werten, Normen, Überzeugungen und Einstellungen, die für die interkulturelle kommunikative Kompetenz eine herausragende Rolle spielen. Die interkulturelle Dimension schließt die Herausforderung ein, Konfliktsituationen respektvoll und friedlich zu lösen.

Auch in verschiedenen Curricula unterschiedlicher Fächer sind Wertvorstellungen Thema. Sie werden in der Regel in dem einleitenden Abschnitt „Bildungsbeitrag des Faches“ dargestellt.

In besonderer Weise spielt der Unterricht in den Fächern Politik, Geschichte, Werte und Normen, Religion, Philosophie und Gesellschaftslehre eine entscheidende Rolle bei der Herausbildung von Werten und demokratiefreundlichen Haltungen und Einstellungen der Kinder und Jugendlichen. Auf der Grundlage des Grundgesetzes und der Menschen- und Kinderrechte werden hier an konkreten altersgemäßen Themenstellungen das politisch-ethische Bewusstsein und entsprechende Handlungskompetenzen der Schülerinnen und Schüler gestärkt.

Wertebildung findet aber nicht nur im Unterricht statt. Die Landesregierung, insbesondere das Kultusministerium unterstützt eine Vielzahl von Projekten und Initiativen, die in Niedersachsen auf dem Feld der Demokratie- und Menschenrechtsbildung aktiv sind:

Ein Beispiel ist das bundesweite Projekt „Schule ohne Rassismus - Schule mit Courage“, das im Kultusministerium koordiniert wird. Ihm gehören in Niedersachsen inzwischen etwa 300 Titelschulen an. Das Projekt trägt dazu bei, den Gedanken eines guten demokratischen Miteinanders und der Gleichwertigkeit aller Menschen im Schulprogramm und in der Schulkultur zu verankern und mit Leben zu erfüllen. Das Besondere dabei ist, dass die Initiative zur Erlangung des Titels häufig von den Schülerinnen und Schülern ausgeht, die sich aktiv für die Werte der Demokratie, Freiheit, Offenheit, Vielfalt und Toleranz einsetzen wollen. Auch geflüchtete Schülerinnen und Schüler beteiligen sich aktiv an den Projekten des Netzwerks. Dies gilt im Übrigen in besonderer Weise auch für das Netzwerk der niedersächsischen UNESCO-Projekt-Schulen. Diese Schulen engagieren sich in vielfältiger Form dafür, junge Geflüchtete aktiv in schulische Projekte einzubeziehen.

Ein weiteres Beispiel ist das bundesweite Projekt „Dialog macht Schule“, das vom Kultusministerium gefördert wird. Unterstützt werden hier vor allem bildungsbenachteiligte Jugendliche und diejenigen mit Migrations- bzw. Fluchterfahrungen bei der Persönlichkeitsentwicklung, der gesellschaftlichen und politischen Teilhabe mit dem Mittel des unmittelbaren Dialogs. Studierende, insbesondere mit Migrationsbiographie, bieten hierfür in Schulen Gesprächsrunden zu Themen an, die von den Jugendlichen selbst ausgewählt werden. Hieraus resultieren oft kleine Projekte der politischen Bildung, die an den beteiligten Schulen umgesetzt werden.

Besonders erwähnenswert im Kontext Wertebildung für Geflüchtete ist auch das Projekt mit dem Titel „Tandems für Engagement. Welt - Flucht - Sichtwechsel“, das derzeit umgesetzt wird. In zwei Durchgängen über zwei Jahre werden in fünf Regionen Niedersachsens je zehn Tandems bzw. Teams aus geflüchteten und nicht-geflüchteten jungen Menschen gebildet, die jeweils ein Kurzprojekt für Schulen entwerfen und durchführen. Sie werden dabei von geschulten Lehrkräften und Vertreterinnen und Vertretern von Nichtregierungsorganisationen beraten und unterstützt. Hier findet Wertebildung geflüchteter junger Menschen auf der Grundlage ihres eigenen ehrenamtlichen Engagements im Rahmen politischer Bildung statt. Durch die Umsetzung der Workshops in Regelklassen wird die Wahrnehmung gestärkt von Geflüchteten als Akteure, die hier insofern auch eine Vorbildrolle übernehmen.

3. Falls nein, wo würde man weiteren Werteunterricht platzieren, und wie soll dieser aussehen?

Wertevermittlung und Wertebildung ist Aufgabe aller Fächer. Wie bereits im Rahmen der Beantwortung der Frage 2 ausgeführt, reicht sie aber weit darüber hinaus. Demokratie- und Menschenrechtsbildung sowie interkulturelle Bildung in einer von Vielfalt geprägten Schule werden durch die systemische Verzahnung von Unterricht und Schulkultur in einer Vielzahl von Handlungsansätzen umgesetzt. So kann sichergestellt werden, dass alle Kinder und Jugendlichen Kompetenzen auf den Ebenen von Wissen, Bewerten und Handeln erwerben können; dies stellt eine wichtige Grundlage für eine an unserer Demokratie orientierte Wertebasis dar.
Kultusminister Grant Hendrik Tonne   Bildrechte: MK

Kultusminister Grant Hendrik Tonne

Artikel-Informationen

erstellt am:
18.05.2018

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