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LT Februar-Plenum TOP 26: Schriftliche Antwort auf die mündl. Anfrage Nr. 7, Islamistischer Extremismus an niedersächsischen Schulen


Abgeordneter Harm Rykena (AfD)

Antwort des Niedersächsischen Kultusministeriums namens der Landesregierung

Vorbemerkung des Abgeordneten

Im Januar 2018 hat das Institut für Delinquenz- und Kriminalprävention der Züricher Hochschule für angewandte Wissenschaften ein Gutachten „Zur Entwicklung der Gewalt in Deutschland - Schwerpunkte: Jugendliche und Flüchtlinge als Täter und Opfer“ veröffentlicht, in dem auch niedersächsische Schüler befragt wurden. Über dieses Gutachten wurde in verschiedenen Medien deutschlandweit berichtet.[1]

Die Ergebnisse des Gutachtens in Bezug auf islamistischen Extremismus beziehen sich auf eine Schülerumfrage, die vom Kriminologischen Institut Niedersachsen 2015 durchgeführt wurde.

Die Autoren der Studie berichten auf den Seiten 59 bis 61 unter Punkt 4.1 „Extremismus und fundamentalistischer Islamismus“ von den Ergebnissen der niedersächsischen Schülerumfrage. Von den Schülern, die angaben, muslimischen Glaubens zu sein, befürworteten 27,4 % von 284 Schülern die Aussage, dass die „islamischen Gesetze der Scharia, nach denen zum Beispiel Ehebruch und Homosexualität hart bestraft werden, viel besser seien als die deutschen Gesetze. 18,6% von 293 befürworteten die Aussage, dass es die Pflicht jedes Muslims sei, „Ungläubige zu bekämpfen und den Islam auf der ganzen Welt zu verbreiten“. 17,7 % von 286 Schülern bejahten, dass gegen die Feinde des Islams „mit aller Härte“ vorgegangen werden müsse. Schließlich fanden 8 % von 277 Schülern, es sei richtig, dass die Muslime im Nahen Osten versuchen, durch Krieg einen islamischen Staat (IS) zu gründen.

Auch wenn die Fallzahlen als eher gering (Seite 60) eingestuft werden und somit nur ein schwacher Anspruch auf Repräsentativität gegeben ist, können die Ergebnisse des Gutachtens in Verbindung mit der repräsentativen Erhebung von TNS Emnid „Integration und Religion aus der Sicht von Türkeistämmigen in Deutschland“ gelesen werden, welche im Auftrag des Exzellenzclusters „Religion und Politik“ der Universität Münster gegeben wurde. Diese Erhebung wurde im November 2015 bis Februar 2016 durchgeführt.

Hier stimmten 27 % der in zweiter/dritter Generation in Deutschland lebenden Türkischstämmigen der Aussage zu, dass Muslime die Rückkehr zu einer Gesellschaftsordnung wie zu Zeiten des Propheten Mohammeds anstreben sollten. 6 % derselben Gruppe befürwortete, Gewalt sei gerechtfertigt, wenn es um die Verbreitung und Durchsetzung von Islam geht.

Im Rahmen der repräsentativen Erhebung von TNS Emnid „Integration und Religion aus der Sicht von Türkeistämmigen in Deutschland“, welche im Auftrag des Exzellenzclusters „Religion und Politik“ der Universität Münster von November 2015 bis Februar 2016 durchgeführt wurde, stimmten 27 % in zweiter/dritter Generation in Deutschland lebenden Türkischstämmigen der Aussage zu, dass Muslime die Rückkehr zu einer Gesellschaftsordnung wie zu Zeiten des Propheten Mohammeds anstreben sollten.

Im Zuge der Zuwanderung aus dem islamischen Kulturraum und der in den letzten Jahren verübten islamischen Terroranschläge in Deutschland besteht Klärungsbedarf für die Schulen dahin gehend, welche Gefahr für den Schulbetrieb sowie die Gesellschaft von islamistischem Extremismus ausgeht.

1. Wie viele Schüler muslimischen Glaubens besuchen derzeit die niedersächsischen allgemeinbildenden Schulen (um Aufschlüsselung zwischen Grund-/Haupt-/Real-/Oberschule/Gymnasium Sek I und II/Abendgymnasium und Kolleg, sowie Angaben in absoluten und relativen Zahlen mit Prozentangaben wird gebeten)?

Im Schuljahr 2016/2017 besuchten insgesamt 65.537 Schülerinnen und Schüler mit islamischer Konfessionszugehörigkeit die niedersächsischen allgemein bildenden Schulen im Geschäftsbereich des Kultusministeriums.

Die Verteilung auf die Schulformen ist der nachstehenden Tabelle zu entnehmen:

Schulform

Schülerinnen und Schüler

gesamt

darunter islam. Konfessions-zugehörigkeit

Anteil

GS1

282.483

24.950

8,8%

HS

33.006

5.840

17,7%

RS

83.869

8.547

10,2%

OBS

93.705

7.369

7,9%

GY SEK I

155.103

7.622

4,9%

GY SEK II

86.668

2.706

3,1%

Abend-gymnasium

815

51

6,3%

Kolleg

905

28

3,1%

IGS/ Freie Waldorf-schule

82.992

6.301

7,6%

Förder-schule1,2

24.547

2.123

8,6%

Zweige der KGS bei den jew. Schulformen gezählt.

1ohne Schulkindergarten

2ohne Schulen des MS

2. Mit welchen konkreten Maßnahmen gedenkt die Landesregierung genauere Erkenntnisse zu islamistischem Extremismus an Schulen zu sammeln und gegebenenfalls diesem vorzubeugen?

Der Niedersächsische Verfassungsschutz ist für die Beobachtung des Extremismus in Niedersachsen zuständig. Dabei können auch Erkenntnisse zu islamistischen Bestrebungen an Schulen bekannt werden. Eine gezielte nachrichtendienstliche Aufklärung im direkten schulischen Umfeld findet anlassunabhängig nicht statt.

Auf Anfrage steht der Niedersächsische Verfassungsschutz für Vorträge im Kontext Schule

zur Verfügung, um insbesondere Lehrkräfte und Schulsozialarbeiter über islamistische Radikalisierung und Präventionsangebote zu informieren. Vereinzelt werden auch Schülergruppen zu diesem Thema geschult.

Mit Wirkung vom 15.01.2014 wurde die Präventionsstelle Politisch Motivierte Kriminalität (PPMK) im Landeskriminalamt Niedersachsen (LKA NI) eingerichtet. Ein Schwerpunkt der Arbeit der PPMK liegt in der Verstärkung und Professionalisierung der Präventionsarbeit im Bereich des islamistischen Extremismus, insbesondere an sog. Brennpunkten der salafistischen Szene.

Darüber hinaus wurde im Juli 2016 die Einrichtung der Kompetenzstelle Islamismusprävention Niedersachsen (KIP NI) beschlossen. Die KIP NI soll vorhandene Netzwerke der verschiedenen Akteure bündeln, institutionalisieren und intensivieren und somit die Stelle sein, an der die vielfältigen, ressortübergreifenden Präventionsansätze zusammenlaufen, abgestimmt und strukturiert werden. Bestandteil von KIP NI ist ferner das im niedersächsischen Verfassungsschutz verortete Aussteigerprogramm „Aktion Neustart“ (Islamismus).

Im schulischen Kontext wurden und werden auch weiterhin durch die PPMK/ KIP NI zahlreiche Veranstaltungen der Salafismusprävention durchgeführt bzw. fachlich begleitet. Derartige Veranstaltungen dienen u. a. der Sensibilisierung von Lehrkräften, angehenden Lehrern sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Landesschulbehörde, im Hinblick auf Islamismus/ Salafismus, teilweise auch in Kombination mit der Thematik Rechtsextremismus/ Islamfeindlichkeit.

Vielfach sind Ansprechpartner der zuständigen Staatsschutzdienststelle bei solchen Veranstaltungen zugegen und stehen den Lehrkräften für weitere Informationen zur Verfügung.

Darüber hinaus werden Unterrichtsmaterialien wie das Medienpaket „Mitreden“ und der Film „Radikal“ in die Präventionsarbeit implementiert. So wurde beispielsweise das Medienpaket „Mitreden, das die Medienkompetenz von Lehrern sowie Schülern (ab Jahrgangsstufe 8) im Hinblick auf islamistische Propaganda im Netz, aber auch rechtsgerichtete Islamfeindlichkeit schärfen soll, seitens der Polizei proaktiv beworben und im Schulverwaltungsblatt vorgestellt. Im Oktober 2016 begann durch PPMK/ KIP NI der Roll-Out des Films „RADIKAL - Extremismus, Propaganda, Medienkompetenz“ des Hessischen Kompetenzzentrums gegen Extremismus, der wegen seiner jugendgerechten (Bild-)Sprache und der kompakten Auseinandersetzung mit den Phänomenbereichen Linksextremismus, Rechtsextremismus und Islamismus grundsätzlich für Aufklärungszwecke zu den Gefahren politischer Radikalisierung in allen Schulformen (ab Jahrgangsstufe 8) sehr gut geeignet ist.

Es ist nicht Aufgabe niedersächsischer Schulen Erkenntnisse zu islamistischem Extremismus an Schulen zu sammeln. Dahingehende Daten werden dementsprechend nicht erhoben. Nichtsdestotrotz sind Lehrkräfte und pädagogische Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für die Problematik sensibilisiert, so dass sie in Verdachtsfällen angemessen reagieren und sich entsprechend beraten lassen können.

Auf Grundlage des Erlasses „Sicherheits- und Gewaltpräventionsmaßnahmen in Schulen in Zusammenarbeit mit Polizei und Staatsanwaltschaft“, der zuletzt zum 01.06.2016 erneuert wurde, sind Schulen verpflichtet, Sicherheits- und Gewaltpräventionskonzepte vorzuhalten, diese auf Grundlage der Erfahrungen weiterzuentwickeln und sich regelmäßig mit den örtlichen Polizeidienststellen abzustimmen. Die Schulen entscheiden vor Ort, ob und in welchem Umfang die Problematik der (neo-)salafistischen bzw. islamistischen Radikalisierung zu thematisieren ist. Schulen können dabei auf das Beratungs- und Unterstützungssystem der Niedersächsischen Landesschulbehörde (NLSchB) zurückgreifen. Im Verdachtsfall können sie sich an die örtliche Polizei oder Staatsanwaltschaft wenden.

Die Regionalabteilungen der NLSchB führten 2015 bzw. 2016 in Kooperation mit verschiedenen Polizeidienststellen insgesamt sechs Veranstaltungen mit dem Titel „Umgang mit Islamismus im Kontext Schule - Unterstützungsangebote der NLSchB und der Polizei“ bzw. „Islamistischer Extremismus - Bedrohungen und Handlungsmöglichkeiten“ durch. In Lüneburg wurde ferner ein Fachtag zum Thema „Islam - Islamismus - Islamfeindlichkeit“ veranstaltet.

Zudem veröffentlichte das Kultusministerium im Jahr 2017 eine Handreichung für Schulen zum Thema „Neo-Salafismus, Islamismus und Islamfeindlichkeit in der Schule - Wie kann Schule präventiv handeln?“ und stellt diese den Schulen in gedruckter Form und online zur Verfügung. Im Kern geht es hier um grundlegende Informationen über den o. g. Themenkomplex sowie schwerpunktmäßig darum, Anzeichen, Phänomene, Ursachen und idealtypische Verlaufsmuster zu verdeutlichen und Hinweise darauf zu geben, in welchen Fällen welche Form des Handelns erforderlich ist. Im Zentrum der Handreichung werden grundlegende Ansätze pädagogischer Prävention dargelegt. Darüber hinaus wird eine Übersicht über niedersächsische und bundesweite Hilfs- und Beratungsangebote gegeben. Im Zusammenhang mit der Handreichung und dem entsprechenden Präventionsansatz wurden und werden Fachtagungen und Fortbildungen für Lehrkräfte und pädagogische Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter angeboten.

3. Sieht die Landesregierung durch eine Erhöhung des Anteils an muslimischen Schülern in Folge des zu erwartenden Familiennachzugs so genannter Flüchtlinge eine Erhöhung der Gefährdungslage?

Die in der Fragestellung verwandte Formulierung des Familiennachzugs „so genannter Flüchtlinge“ ist mindestens missverständlich, weil die Frage offenbar auf den Familiennachzug zu anerkannten Flüchtlingen abstellt. Hierzu gehören Asylberechtigte nach Art. 16a Grundgesetz, Flüchtlinge im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention (§ 3 Asylgesetz) und subsidiär Schutzberechtigte (§ 4 Abs. 1 AsylG).

Eine generelle Erhöhung der Gefährdungslage durch die Erhöhung des Anteils an muslimischen Schülerinnen und Schülern wird nicht gesehen. Allerdings kann nicht ausgeschlossen werden, dass im Einzelfall von ideologisch radikalisierten Schülerinnen oder Schülern Gefahren für die öffentliche Sicherheit ausgehen können.



[1] https://www.welt.de/politik/deutschland/article172327527/Kriminalitaetsstudie-Islamistische-Tendenzen-im-Klassenzimmer.html (Quelle vom 10.01.2018 Stand 16.01.2018) oder https://www.focus.de/politik/deutschland/befragung-in-niedersachsen-scharia-besser-als-deutsche-gesetze-experte-erklaert-alarmierende-schueler-studie_id_8282622.html (Quelle vom 10.01.2018 Stand 16.01.2018)

Artikel-Informationen

erstellt am:
01.03.2018

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