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Rede von Kultusministerin Frauke Heiligenstadt im Niedersächsischen Landtag zu TOP 6: „Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Niedersächsischen Schulgesetzes“ – Gesetzesentwurf der Landesregierung

„Ein Gesetz, das Chancen erhöht, die Bildungslandschaft fit für die Zukunft macht und die Vielfalt unserer Schulen erhält“


Rede von Kultusministerin Frauke Heiligenstadt im Niedersächsischen Landtag zu

TOP 6:„Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Niedersächsischen Schulgesetzes“ – Gesetzesentwurf der Landesregierung

- Es gilt das gesprochene Wort -

Anrede,

ich habe heute die Freude, dem Niedersächsischen Landtag den Gesetzentwurf für eine Novellierung des Schulgesetzes vorzustellen.

An dieser Stelle danke ich ausdrücklich allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in meinem Ressort und allen anderen beteiligten Ressorts für die Erarbeitung dieses Gesetzeswerkes.

Und ich möchte auch allen danken, die sich im bisherigen Beteiligungsverfahren durch kritische und konstruktive Beiträge zu Wort gemeldet und so den Gesetzentwurf aktiv mitgestaltet haben.

Die Einbringung dieses Gesetzentwurfs ist mir eine Freude, weil für die rot-grüne Landesregierung die nachhaltige Erhöhung und Entwicklung der Bildungschancen für alle Schülerinnen und Schüler in Niedersachsen das zentrale Anliegen ihrer Politik ist. Genau dieses Ziel wird mit den im Gesetzentwurf enthaltenen Regelungen verfolgt.

Die Niedersächsische Landesregierung bringt ein Gesetz in den Landtag ein, das die

- Bildungschancen von Schülerinnen und Schülern erhöht,

- den Ansprüchen an eine moderne Bildungspolitik gerecht wird

- und den gesellschaftlichen Entwicklungen Rechnung trägt.

Ich will dies gern näher ausführen:

Erstens: Wir kehren zum dreizehnjährigen Bildungsgang beim Abitur zurück!

Das schwarz-gelbe Turbo-Abi hat sich als kompletter Fehlschuss der Vorgängerregierung und als einer der schwersten landespolitischen Fehler der vergangenen 10 Jahre erwiesen.

Wir geben unseren Schülerinnen und Schülern wieder mehr Lernzeit sowie Raum für Kreativität, Individualität und für eine gründliche und fundierte Vorbereitung auf Studium oder Berufseinstieg.

Wir kommen damit im Übrigen einer Forderung nach, die Ihnen – meine Damen und Herren von der Opposition - selbst der Präsident des Deutschen Lehrerverbandes, Josef Kraus, auf den Sie sich ja allzu gern berufen, in seinen „Zwanzig Wahrheiten über die Schule in Deutschland“ in der Bild-Zeitung ins Stammbuch geschrieben hat:

„Die in manchen deutschen Ländern reichlich verkorkste Einführung des achtjährigen Gymnasiums beweist, dass bei solcher Beschleunigung viel auf der Strecke bleibt: neben der Persönlichkeitsbildung auch Schul- und Freizeitkultur“.

Und nur ganz nebenbei, liebe CDU-Fraktion: Herr Kraus hat sich öffentlich gegen die „Atomisierung des Gymnasiums in G 8 und G 9“ und damit gegen Ihr CDU-Modell ausgesprochen.

Zweitens: Wir stärken den Ganztag!

Mit unserer Zukunftsoffensive Bildung und der schulgesetzlichen Verankerung des Ganztags schaffen wir mehr Bildungsgerechtigkeit und Chancengleichheit für unsere Schülerinnen und Schüler. Und wir haben bei diesem bedeutsamen Thema endlich für Rechtssicherheit und damit für Ruhe in den Schulen gesorgt.

Meine Damen und Herren von der Opposition,

Sie haben den Ganztag als Light-Variante auf den Markt geworfen.

Sie haben in Ihrer Regierungszeit die Schulen mit einer eklatanten Unterfinanzierung allein gelassen.

Und Sie haben es – im wahrsten Sinne des Wortes – hilflos zugelassen, dass der Staatsanwalt zu Zeiten Ihres Kultusministers Althusmann in den Schulen ein- und ausgegangen ist. Das ist bis heute ein unfassbarer und in Deutschland einzigartiger bildungspolitischer Skandal.

Drittens: Wir bauen einen nicht kindgerechten Leistungsdruck im Primarbereich ab!

Die Ausübung von Leistungsdruck in dieser frühen Lebensphase durch die viel zu frühe Festlegung auf eine Schullaufbahn ist aus erziehungswissenschaftlicher Sicht eine deutliche Fehlentwicklung. Wir schaffen daher die Schullaufbahnempfehlung am Ende der Klasse 4 und ihre rechtliche Konsequenz am Ende der Klasse 6 ab und ersetzen sie durch zwei auf den individuellen Bildungsgang bezogene Beratungsgespräche. Auch dadurch erhöhen wir die Bildungschancen unserer Kinder.

Wir verwechseln Leistung nicht mit Leistungsdruck.

Sie wollen Leistungsdruck, wo er nichts bringt. Sie hängen einer längst überholten und rückwärtsgewandten Bildungsideologie nach, wonach Schülerinnen und Schüler aus unterschiedlich sozialisierten Gesellschaftsgruppen frühzeitig getrennt werden sollen.

Das ist leistungsfeindlich, das ist ungerecht und das ist in hohem Maße unsozial. Und das ist, wie uns alle Studien der letzten Jahre zeigen, eine Manifestierung der Abhängigkeit des Bildungserfolgs vom sozialen Status.

Viertens: Wir führen neue Formen jahrgangsübergreifenden Unterrichts in der Grundschule ein!

Damit gehen wir auf die Bedürfnisse von motivierten und wissbegierigen Kindern ein und schöpfen Ihre Potenziale aus.

Die Deutsche Gesellschaft für das hochbegabte Kind e. V. hat nicht umsonst in ihrer Stellungnahme diese Regelung und die verbesserten Fördermöglichkeiten ausdrücklich begrüßt.

Fünftens: Wir führen eine schüler- und einzelfallbezogene Überprüfung bei Nichtversetzungs- und Überweisungsentscheidungen ein!

So stärken wir die pädagogische Kompetenz der Schulen, indem wir jeden Einzelfall einer pädagogischen Gesamtüberprüfung zuführen. Dieses tun wir im Sinne der Bildungschancen jeder einzelnen Schülerin und jedes einzelnen Schülers.

Sechstens: Wir unterziehen die Überweisungsentscheidungen aus Gründen des Kindeswohls oder zum Drittschutz einer regelmäßigen Überprüfung!

Wir lassen kein Kind durchs Raster fallen, sondern wir schauen uns die Bildungsbiografie jedes Kindes im Sinne seiner Bildungschancen ganz genau und vor allem regelmäßig an.

Siebtens: Wir führen die Gesamtschule als ersetzende Schulform auf gesetzlicher Ebene ein!

Wir beenden die jahrelange – gegen den breiten Willen der Elternschaft – von der Vorgängerregierung betriebene gesetzliche Diskriminierung einer erfolgreichen Schulform und setzen verstärkt auf gemeinsames Lernen.

Kein Schulträger wird gezwungen, eine Gesamtschule vorzuhalten. Wir schaffen auch keine Schulform ab, vielmehr bieten wir in Zeiten rückläufiger Schülerzahlen für die Schulträger
flexiblere Regelungen an – auch die Oberschule hat weiterhin ihren gesicherten Platz im niedersächsischen Schulsystem.

Auch unter der Regierungszeit von CDU und FDP war die Gesamtschule als ersetzende Schulform schon möglich gewesen. In rund 40 Fällen wird das – im Übrigen ganz unaufgeregt – zum Teil seit Jahrzehnten praktiziert und nicht ein einziges Gymnasium ist deswegen geschlossen worden. Das ist ein harter Fakt.

Meine sehr geschätzten Damen und Herren von der Opposition,

vor dem Hintergrund, dass die Gesamtschule auch zu Ihren Regierungszeiten als ersetzende Schulform zugelassen wurde, der Landesregierung nun aber ein Täuschungsmanöver unterstellen zu wollen, ist nun wirklich absurd.

Nein, Herr Försterling, Sie malen Horrorszenarien an die Wand! Ihre Behauptungen sind nichts anderes als Ammenmärchen und vom fortlaufenden unreflektierten Nachplappern werden sie auch nicht wahrer!

Sie können noch so viele bunte Karten malen, es bleibt beim Grundsatz, dass Schulträger im Rahmen ihrer Selbstverwaltungsrechte für die Gestaltung der Schullandschaft verantwortlich sind. Und im Gegensatz zu Ihnen, gehen wir auch davon aus, dass die Schulträger von diesem Recht und ihrer Pflicht auch sehr verantwortungsvoll Gebrauch machen werden. Was trauen Sie eigentlich der kommunalen Ebene zu? Wir arbeiten sehr vertrauensvoll mit den kommunalen Spitzenverbänden und den Schulträgern zusammen. Und ich muss wohl nicht den Präsidenten des Landkreistages, Herrn Landrat Wiswe zitieren, der ganz klar geäußert hat, dass es derzeit überhaupt keinen Hinweis darauf gibt, dass in der Folge eines so geänderten Schulgesetzes jetzt ernsthaft über die Schließung von Gymnasien nachgedacht wird. Ihre Kollegen in kommunalen Räten und Kreistagen sind da längst schon viel weiter.

Achtens: Wir stärken das Gymnasium!

Das Gymnasium bleibt die stärkste Schulform in Niedersachsen, ihr Bestand wird geschützt. Wir statten es sogar noch besser mit Förderstunden, mit mehr Stunden für das Abitur nach neun Jahren und mit mehr Zeit zum Lernen aus.

Das Gymnasium wird auch zukünftig und flächendeckend in den Städten und im ländlichen Raum seine Funktion als Ort zielstrebigen Lehrens und Lernens mit dem Ziel einer breiten, fundierten Bildung im Dienste eines humanistischen Ideals erfüllen.

Neuntens: Wir stärken die kommunale Selbstverantwortung!

Wir ermöglichen den Schulträgern neue Formen der kommunalen Zusammenarbeit und variable Regelungen zur Schulträgerschaft. Allen Schulträgern wird die Möglichkeit gegeben, flexibel auf den demografischen Wandel zu reagieren und das Bildungsangebot vor Ort passgenau zu gestalten.

Meine Damen und Herren von CDU und FDP,

Sie haben bei den Gesamtschulen zunächst fünf Jahre Verbote durchgesetzt und wann immer es Ihnen möglich war, diesen Steine in den Weg gelegt. Sie haben dann – weil Sie dem übermächtigen Druck der Elternschaft und der kommunalen Schulträger nichts mehr entgegenzusetzen vermochten – zwar Ihr Errichtungsverbot gelockert, aber unter anderem mit Forderungen zur Zügigkeit, zur Schülerzahl und zu statistischen Erhebungen weitere fünf Jahre für die Schulträger kaum überwindbare Hürden aufgebaut.

Vor dem Hintergrund Ihrer verstaubten Bildungsideologie hängen Sie völlig sinnfrei an den Kampfparolen erzkonservativer Philippika zur Einheitsschule.

Ich kann Ihnen nur raten: Finden Sie zurück zur Realität und geben Sie den Schulträgern die Freiheiten, die sie brauchen.

Zehntens: Wir stehen zur Inklusion und zum gemeinsamen diskriminierungsfreien Lernen von Kindern mit und ohne Behinderung an einer allgemeinen Schule!

Wir nehmen aber auch die im Anhörungsverfahren vorgetragene Sorgen und geäußerten Befürchtungen ernst und stellen die Förderschule Sprache unter Bestandsschutz. Das Förderzentrum bleibt ebenfalls bestehen.

Hier zahlt es sich ganz praktisch aus, dass wir mit unserem Gesetzentwurf – im Gegensatz zu der gelebten Praxis von CDU und FDP in deren Regierungszeit – in ein ordentliches Anhörungsverfahren gegangen sind.

Ich fasse gern zusammen:

Für das Bildungschancengesetz gilt:

1) Das Kind und seine bestmögliche Förderung stehen im Mittelpunkt!

2) Wir ermöglichen mehr Gestaltungsfreiheit in der Schulstruktur für die Schulträger!

3) Wir geben dem Elternwillen ein noch stärkeres Gewicht!

4) Wir stärken die pädagogische Arbeit an unseren Schulen!

5) Wir stärken die Eigenverantwortlichkeit unserer Schulen!

Dieses Gesetz wird ein Meilenstein auf dem Weg zu mehr Bildungschancen. Mit dieser modernen Bildungspolitik tragen wir der gesellschaftlichen Entwicklung Rechnung und halten nicht fest an überkommenen Debatten.

Denn eines ist klar:

Mit den im neuen Schulgesetz angestrebten Veränderungen machen wir die niedersächsische Bildungslandschaft fit für die Zukunft und erhalten gleichzeitig die Vielfalt unserer Schulen.


Artikel-Informationen

erstellt am:
18.02.2015
zuletzt aktualisiert am:
19.02.2015

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