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LT TOP 31 Nr. 38 - Schriftliche Antwort auf mündliche Anfrage

Antwort auf die mündliche Anfrage: Auswirkungen von Urteilen auf die Inklusion und die künftige Schulgesetznovelle


Die Abgeordneten Björn Försterling, Almuth von Below-Neufeldt, Sylvia Bruns und Christian Dürr (FDP) hatten gefragt:


In ihrer Ausgabe vom 16. August 2014 berichtete die Wolfenbütteler Zeitung von einem Urteil des Verwaltungsgerichtes in Braunschweig, in dem klagende Eltern einen Förderschulplatz für ihren Sohn erstritten. In einem Gutachten wurde festgestellt, dass der Junge nur in einer Förderschule richtig beschult werden könne, da er an der Grundschule in Börßum, die er zunächst besuchte, kaum Förderunterricht erhielt und verhaltensauffälliger wurde. Ein Aufnahmeantrag für die Grundschule wurde zunächst von der Landesschulbehörde abgelehnt. Der Junge besucht im Zuge des Urteils nun die Förderschule „Lernen“, „und zwar die dortige zweite bzw. künftige dritte Klasse, weil seit Beginn des letzten Schuljahres neue Klassen an den Förderschulen nicht mehr eingerichtet werden“.

Der Rechtsanwalt der Familie verwies in dem Bericht der Wolfenbütteler Zeitung nochmals auf den freien Elternwillen: „Es war der ausdrückliche Elternwille, das Kind auf der Förderschule beschulen zu lassen, weil die ein bis zwei Stunden Förderunterricht, die die inklusive Grundschule zurzeit anbietet, einfach nicht ausreichend sind.“

In dem Artikel verweist die Landkreis-Schulabteilungsleiterin auf die Novelle des Niedersächsischen Schulgesetzes. In dem Artikel hieß es dazu: „Dabei soll es auch darum gehen, ob die fünften Klassen der Förderschulen weiterhin Schüler aufnehmen können.“

Wir fragen die Landesregierung:

  1. Hat das Urteil des Braunschweiger Verwaltungsgerichtes Auswirkungen auf die Inklusion und die künftige Schulgesetznovelle in Niedersachsen?

  2. Wie viele weitere Verfahren dieser Art sind der Landesregierung bekannt?

  3. Welche Änderungen sieht die Landesregierung für die Novellierung des Schulgesetzes vor dem Hintergrund der Äußerungen der Landkreis-Schulabteilungsleiterin genau vor?


Antwort der Niedersächsischen Kultusministerin Frauke Heiligenstadt:

Im Juli 2014 hat das Verwaltungsgericht Braunschweig in einem Eilverfahren durch Beschluss - nicht wie von den Fragestellern dargestellt durch ein Urteil - entschieden, dass in einem Einzelfall ein Schüler mit einem besonders ausgeprägten sonderpädagogischen Unterstützungsbedarf in mehreren Förderschwerpunkten ausnahmsweise vom ersten Jahrgang der Grundschule in den nächst höheren Jahrgang der Förderschule mit dem Schwerpunkt Lernen wechseln kann, weil das Kind nur dort eine bedarfsgerechte Förderung erhalte.

Das Gericht begründete die Entscheidung mit den gravierenden Defiziten dieses Schülers, die neben tiefgreifenden Entwicklungsdefiziten und unterdurchschnittlicher Intelligenz auch mit einer Störung aus dem Autismusspektrum dargetan werden. In diesem besonderen Ausnahmefall hat das Verwaltungsgericht einen Anspruch nach § 59 Abs. 5 NSchG für gerechtfertigt erachtet, weil dieser Schüler nur an einer anderen Schule bedarfsgerecht gefördert werden könne und das Kindeswohl diesen Schulwechsel erfordere.

Die genannte Ausnahmevorschrift ist grundsätzlich auf alle Schülerinnen und Schüler unabhängig von einem sonderpädagogischen Unterstützungsbedarf anwendbar und steht daher nicht in einem zwingenden Zusammenhang mit der durch Gesetz vom 23.03.2012 (Nds. GVBl. S. 34) eingeführten schulischen Inklusion. Die Voraussetzungen für einen Schulwechsel nach dieser Vorschrift sind, dass

  1. die besuchte Schule die Anforderungen an eine inklusive Schule (§ 4 NSchG) im konkreten Fall erfüllt hat,

  2. die Schülerin oder der Schüler aber dennoch nur an der anderen Schule hinreichend gefördert werden kann und

  3. dass ihr oder sein Kindeswohl den Schulwechsel erfordert.

Nach Auffassung des Gerichtes lagen die Voraussetzungen in diesem Fall vor.

Das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht hat die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Braunschweig mittlerweile bestätigt.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich namens der Landesregierung die Fragen im Einzelnen wie folgt:

Zu 1:

Nein, denn es handelt sich hier um einen individuellen Einzelfall aufgrund des konkreten besonderen Förderbedarfs dieses Kindes und überdies landesweit um die erstmalige Anwendung der genannten Ausnahmevorschrift.

Zu 2:

Weitere Verfahren dieser Art sind der Landesregierung nicht bekannt.

Zu 3:

Zur Weiterentwicklung der inklusiven Schule bereitet die Landesregierung derzeit einen Gesetzesentwurf zur Änderung des Niedersächsischen Schulgesetzes vor. Dieser ist noch in der Bearbeitungs-, Beratungs- und Abstimmungsphase, so dass über den genauen Inhalt derzeit noch keine Auskunft erteilt werden kann.

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