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Berufsorientierung an niedersächsischen Schulen - Erfolgs- oder Auslaufmodell?

Antwort auf die mündliche Anfrage: Berufsorientierung an niedersächsischen Schulen - Erfolgs- oder Auslaufmodell?

Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 27.06.2014 TOP 31 Nr. 34

Die Abgeordneten André Bock und Kai Seefried (CDU) hatten gefragt:

Am 16. April 2014 teilte das Kultusministerium in einer Pressemitteilung mit, dass 2013 bei der sogenannten Schulabbrecherquote „ein historischer Tiefststand von 5,0 %“ erreicht worden sei. Staatssekretär Peter Bräth verweist in der Mitteilung darauf, dass die positive Entwicklung „auch das Ergebnis der guten Arbeit der Schulen in der Berufsorientierung“ sei. Explizit genannt wird dabei u. a. die Durchführung von Kompetenzfeststellungsverfahren an Praxistagen. „Ein früher Praxiskontakt und eine intensive Kompetenzanalyse können ganz entscheidend dazu beitragen, dass der Übergang von der Schule in den Beruf gelingt“, wird der Staatssekretär weiter zitiert.

In der Zeitschrift Erziehung und Wissenschaft Niedersachsen der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) vom 19. Mai 2014 wird in einem Artikel auf Seite 15 gefordert, dass „das bestehende Konzept der Berufsorientierung (Runderlass vom 1. Januar 2012) mit den Kompetenzfeststellungsverfahren komplett über den Haufen geworfen werden“ soll.

Wir fragen die Landesregierung:

1. Wie beurteilt die Landesregierung die Erfolge der in Niedersachsen stattfindenden Maßnahmen zur Berufsorientierung in der Sekundarstufe I der allgemeinbildenden Schulen insbesondere mit Blick auf die Absenkung der Schulabbrecherquote?

2. Beabsichtigt die Landesregierung, den Vorschlägen der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft zu folgen und Veränderungen am Konzept der Berufsorientierung in der Sekundarstufe I vorzunehmen?

3. Plant die Landesregierung an den niedersächsischen Oberschulen Veränderungen bei den Maßnahmen zur Berufsorientierung, insbesondere bei Kompetenzfeststellungsverfahren, Praxistagen oder Profilen?

Antwort der Niedersächsischen Kultusministerin Frauke Heiligenstadt:

Die Steigerung der Ausbildungsfähigkeit und Berufswahlkompetenz der Schülerinnen und Schüler steht in Niedersachsen im Fokus der Landesregierung.

Aufgabe der Schulen ist es, gemäß ihrem schulformspezifischen Bildungsauftrag mit Unterstützung durch Kammern, Wirtschaft, Betriebe, die Bundesagentur für Arbeit und andere außerschulische Partner zielgerichtete systematische Studien- und Berufsorientierungsmaßnahmen durchzuführen. Die Jugendlichen sollen möglichst direkt im Anschluss an die Schule einen Ausbildungs- bzw. Studienplatz erhalten, damit sie später qualifiziert am Arbeitsleben teilhaben können. Zu Recht wird auf den Erfolg des Landes hingewiesen, dass in 2013 - auch durch die gute Arbeit der Schulen in der Berufsorientierung - ein historischer Tiefststand von 5 % beim Anteil der Jugendlichen, die die Schule mit weniger als einem Hauptschulabschluss verlassen, erreicht wurde.

An den allgemein bildenden Schulen werden viele Maßnahmen zur beruflichen Orientierung und beruflichen Bildung durchgeführt, die die Schülerinnen und Schüler beim Übergang in die Ausbildung und insbesondere auch in die duale Ausbildung unterstützen.

Ziel der Maßnahmen ist vor allem die Sicherung der Ausbildungsfähigkeit durch frühzeitige praxisbezogene und systematische Berufsorientierung und die Stärkung der Berufswahlkompetenz der Schülerinnen und Schüler.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich namens der Landesregierung die Fragen im Einzelnen wie folgt:

Zu 1:

Auf der Grundlage der Erkenntnisse aus verschiedenen Modellprojekten und Schulversuchen sind tiefgreifende Verbesserungen im Bereich des Übergangs von der Schule in den Beruf erfolgt. Diese erfolgreichen Maßnahmen zur beruflichen Orientierung und beruflichen Bildung an Praxistagen sind beispielsweise Kompetenzfeststellungsverfahren, Schülerbetriebspraktika, Betriebserkundungen, Schülerfirmen, Fachpraxis- und Fachtheorieunterricht in Kooperation mit berufsbildenden Schulen und Projekte der Koordinierungsstelle zur vertieften Berufsorientierung.

Der frühe Praxiskontakt ist eine entscheidende Gelingensbedingung für den erfolgreichen Übergang von der Schule in den Beruf. Dies wurde bei den gesetzlichen und untergesetzlichen Regelungen für die Schulformen in unterschiedlicher Ausprägung berücksichtigt.

Die Durchführung von Kompetenzfeststellungsverfahren im 7. oder 8. Schuljahrgang wurde im Erlass zur Berufsorientierung verankert, weil die Fähigkeit der Schülerinnen und Schüler zur Einschätzung der eigenen Kompetenzen und Leistungsfähigkeit im Abgleich mit beruflichen Anforderungen Grundlage für einen gelingenden Übergang von der Schule in die Ausbildung ist. Dies wollen wir auf jeden Fall beibehalten.

Bis Ende 2013 hat das Land mit Unterstützung der Bundesagentur für Arbeit mit dem Projekt „Kompetenzanalyse Profil AC Niedersachsen“ rund 1.400 Lehrkräfte und sozialpädagogische Fachkräfte von ca. 600 Schulen des Sekundarbereichs I geschult, um Schülerinnen und Schüler durch die Ermittlung ihrer Stärken, Fähigkeiten, Talente und Interessen bei der zielgerichteten, individuellen Entwicklung und Berufsorientierung zu unterstützen. Derzeit wird die Lehrerfortbildung durch das NLQ von dafür gesondert ausgebildeten Lehrkräften durchgeführt. Damit wird die Nachhaltigkeit des Projekts gewährleistet, indem dem Nachschulungsbedarf der Schulen, die bereits über ausgebildete Lehrkräfte verfügen, Rechnung getragen wird.

Die Steigerung der Berufs- und Studienwahlkompetenz ist durch die stärkere Berücksichtigung der Berufs- und Studienwahlorientierung bei der Gestaltung des neuen, modernen Weges zum Abitur nach 13 Schuljahren in Niedersachsen ausdrücklich bestätigt worden.

Das Land wird seine Anstrengungen im Bereich der Berufsorientierung weiter verstärken und hat hierfür erneut Mittel bereitgestellt. Derzeit werden auf der Grundlage der „Richtlinie über die Gewährung von Zuwendungen für die Durchführung sozialpädagogischer Maßnahmen zur Berufsorientierung und Berufsbildung“ Zuwendungen von bis zu 39.000 Euro an die Schulträger gewährt. Das sog. „Hauptschulprofilierungsprogramm" ist mit rund 13 Millionen Euro jährlich finanziell weiterhin bis 2016 abgesichert worden.

Mit der Zuwendung soll jeder Schule die Möglichkeit gegeben werden, mindestens im Umfang einer halben Stelle eine Schulsozialarbeiterin oder einen Schulsozialarbeiter zur Verfügung zu haben, um die Anwesenheit, die Ansprechbarkeit und die Verlässlichkeit zu gewährleisten. Damit werden gerade besonders förderungsbedürftige Schülerinnen und Schüler (z. B. mit Migrationshintergrund, Lernschwächere) bei ihrer beruflichen Orientierung begleitet, in ihrer Ausbildungsfähigkeit gefördert und in ihrer Berufswahlkompetenz gestärkt. Die Schulen erhalten dadurch Planungssicherheit.

Um den aktuellen Herausforderungen zu begegnen und um die Bedingungen für das schulische Lernen insgesamt zu verbessern, ist es das Ziel der Landesregierung, die Sozialarbeit an allgemein bildenden und berufsbildenden Schulen in Niedersachsen auszubauen und als eine Säule eines leistungsfähigen Beratungs- und Unterstützungssystems der Schule zu installieren.

Auf der Grundlage einer Bestandsaufnahme der derzeitigen Situation, mit der die Identifizierung der vorhandenen Einsatzbereiche und eine Strukturanalyse der inner- und außerschulischen Unterstützungsinstanzen verbunden sind, wird die Landesregierung ein Konzept zur Weiterentwicklung der Sozialarbeit in niedersächsischen Schulen erarbeiten, das auch den finanziellen Möglichkeiten des Landes Rechnung trägt.

Ferner hat das Land Niedersachsen mit Unterstützung der Bundesagentur für Arbeit seit 2011 eine „Koordinierungsstelle Berufsorientierung“ im Kultusministerium eingerichtet. Diese stellt für die allgemein bildenden Schulen ein Angebot von qualitätsgeprüften Modulen (Projekten) zur vertieften Berufsorientierung bereit, das das Regelangebot von Schule und Berufsberatung ergänzt und von den Schulen nach Bedarf und Kapazität abgerufen werden kann. Mit der Koordinierungsstelle Berufsorientierung werden die Maßnahmen zur grundlegenden Berufsorientierung um aufeinander aufbauende Projekte zur vertieften Berufsorientierung ergänzt, so dass die individuelle Berufswegeplanung der Schülerinnen und Schüler bedeutende Unterstützung erfährt.

Zu 2:

Die Landesregierung ist grundsätzlich interessiert an Vorschlägen, die eine weitere Verbesserung der Berufsorientierung vorsehen.

Zu 3:

Für die Oberschulen sind derzeit keine Änderungen geplant. Grundsätzlich werden die bewährten Maßnahmen zur Berufsorientierung auch an den Oberschulen weitergeführt. Darüber hinaus wird es Weiterentwicklungen geben, wie sie beispielsweise derzeit für die Gymnasien und Gesamtschulen geplant sind.

Artikel-Informationen

erstellt am:
27.06.2014

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