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Wie viele Grundschulkinder sind in Niedersachsen der Schule verwiesen worden?

Antwort auf die mündliche Anfrage: Wie viele Grundschulkinder sind in Niedersachsen der Schule verwiesen worden?
Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 28.03.2014 - TOP 30 - Nr. 55


Die Abgeordneten Karl-Heinz Klare und Axel Miesner (CDU) hatten gefragt:


Das Niedersächsische Schulgesetz regelt in § 4: „Die öffentlichen Schulen ermöglichen allen Schülerinnen und Schülern einen barrierefreien und gleichberechtigten Zugang und sind damit inklusive Schulen.“ Ferner setzen laut § 61 Ordnungsmaßnahmen wie eine Verweisung von einer Schule voraus, „dass die Schülerin oder der Schüler durch den Schulbesuch die Sicherheit von Menschen ernstlich gefährdet oder den Schulbetrieb nachhaltig und schwer beeinträchtigt hat. Die Verweisung von einer oder allen Schulen darf nur im Sekundarbereich II (…) angeordnet werden.“

In der ARD-Sendung „Report Mainz“ vom 4. März 2014 wurde hingegen berichtet, dass es immer mehr Fälle gebe, in denen bereits Grundschülerinnen und -schüler über längere Zeiträume vom Unterricht ausgeschlossen werden. Die Wissenschaftlerin Prof. Dr. Anne-Dore Stein von der Evangelische Hochschule Darmstadt sagte in dem Beitrag: „Also für uns ist eindeutig, dass es sich nicht um Einzelfälle handelt. Wir hören das aus allen Bundesländern.“

Wir fragen die Landesregierung:

1. In wie vielen Fällen sind Grundschülerinnen und -schüler in den letzten drei Jahren in Niedersachsen von der Schule verwiesen worden, und für welchen Zeitraum wurden die betroffenen Grundschulkinder jeweils ausgeschlossen?

2. Wie viele Klassenkonferenzen haben stattgefunden, die sich mit der Verhängung dieser Ordnungsmaßnahmen im Grundschulbereich befasst haben?

3. Plant die Landesregierung im Rahmen der inklusiven Schule Veränderungen im Bereich dieser genannten speziellen Ordnungsmaßnahmen?


Antwort der Niedersächsischen Kultusministerin Frauke Heiligenstadt:

Schulen können Erziehungs- und Ordnungsmaßnahmen anwenden, um die Erfüllung des Erziehungs- und Bildungsauftrages nach § 2 Niedersächsisches Schulgesetz (NSchG) und um den Schutz von Lehrkräften sowie Schülerinnen und Schülern sicherzustellen. Das NSchG lässt nach § 61 Ordnungsmaßnahmen zu, wenn Schülerinnen und Schüler ihre Pflichten grob verletzen, insbesondere den Unterricht nachhaltig stören, die von ihnen geforderten Leistungen verweigern oder dem Unterricht unentschuldigt fernbleiben. Ordnungsmaßnahmen haben in erster Linie den Zweck, einen ordnungsgemäßen Schulbetrieb zu gewährleisten, der die Erfüllung des Bildungsauftrages in der Schule sachgerecht und problemlos ermöglicht. In § 61 Abs. 3 NSchG sind folgende Ordnungsmaßnahmen vorgesehen: Ausschluss vom Unterricht in unterschiedlichen Abstufungen (Nrn. 1 und 3), Überweisung in eine Parallelklasse (Nr. 2), Überweisung an eine andere Schule derselben Schulform oder eine Schule mit einem der bisherigen Beschulung entsprechenden Angebot (Nr. 4), Verweisung von der Schule (Nr. 5) und Verweisung von allen Schulen (Nr. 6). Eine Maßnahme nach § 61 Abs. 3 Nrn. 4 bis 6 NSchG setzt voraus, dass die Schülerin oder der Schüler durch den Schulbesuch die Sicherheit von Menschen ernstlich gefährdet oder den Schulbetrieb nachhaltig und schwer beeinträchtigt hat. Die Verweisung von der Schule und die Verweisung von allen Schulen sind gemäß § 61 Abs. 4 Satz 2 NSchG auf den Sekundarbereich II beschränkt.

Über die von § 61 NSchG vorgesehene Reaktion auf das Fehlverhalten von Schülerinnen und Schülern mit Erziehungsmitteln und Ordnungsmaßnahmen entscheiden die Schulen in eigener Verantwortung. Über Ordnungsmaßnahmen entscheidet gemäß § 61 Abs. 5 NSchG die Klassenkonferenz, sofern sich nicht die Gesamtkonferenz die Entscheidung vorbehalten hat. Gemäß § 61 Abs. 7 NSchG bedarf die Überweisung in eine Parallelklasse der Zustimmung der Schulleitung; die Überweisung an eine andere Schule, die Verweisung von der Schule und die Verweisung von allen Schulen bedürfen der Genehmigung der Niedersächsischen Landesschulbehörde (NLSchB).

Neben den Bestimmungen zu Ordnungsmaßnahmen beinhalten die §§ 59 Abs. 5 und 69 Abs. 2 NSchG Regelungen, die im Rahmen der Einführung der inklusiven Schule in das Schulgesetz aufgenommen wurden. So kann nach § 59 Abs. 5 NSchG eine Schülerin oder ein Schüler auf Vorschlag der Schule durch die Schulbehörde an die Schule einer anderen, für sie oder ihn geeigneten Schulform überwiesen werden, wenn sie oder er auch unter Beachtung der Anforderungen an eine inklusive Schule (§ 4 NSchG) nur an der anderen Schule hinreichend gefördert werden kann und ihr oder sein Kindeswohl den Schulwechsel erfordert. Ebenso können nach § 69 Abs. 2 NSchG Schülerinnen und Schüler auf Vorschlag der Schule von der Schulbehörde an eine Schule einer für sie geeigneten Schulform überwiesen werden, wenn sie die Sicherheit von Menschen ernstlich gefährden oder den Schulbetrieb nachhaltig und schwer beeinträchtigen.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich namens der Landesregierung die Fragen im Einzelnen wie folgt:

Zu 1:

Es gibt an öffentlichen Grundschulen keine Ordnungsmaßnahmen, die eine Verweisung von einer Schule oder eine Verweisung von allen Schulen beinhalten, da diese Ordnungsmaßnahmen gemäß § 61 Abs. 4 Satz 2 NSchG auf den Sekundarbereich II beschränkt sind.

Die Anzahl der Fälle, in denen ein vollständiger Unterrichtsausschluss im Sinne des § 61 Abs. 3 Nr. 3 NSchG beschlossen wurde, ist nicht bekannt. Dies gilt auch für einen teilweisen Unterrichtsausschluss nach § 61 Abs. 3 Nr. 1 NSchG.

Eine statistische Erhebung über den Anteil der Schülerinnen und Schüler, die an öffentlichen Schulen in Niedersachsen vom Unterricht auf der Grundlage des § 61 Abs. 3 Nr. 1 und 3 NSchG ausgeschlossen werden, wurde in der Vergangenheit und wird auch in der Gegenwart nicht geführt. Die Anzahl dieser Fälle ist auch deshalb nicht bekannt, weil die Schulen diese Maßnahmen eigenverantwortlich beschließen und nur in Widerspruchs- oder Klagefällen die NLSchB eingeschaltet wird.

Zur Ermittlung der in der Anfrage geforderten Daten müssten über 1.700 öffentliche Grundschulen in Niedersachsen angeschrieben und um Auskunft gebeten werden. Dieses wäre ein unverhältnismäßig hoher Verwaltungsaufwand, der zu dem zu erwartenden Erkenntnisgewinn in keiner angemessenen Relation stehen würde.

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